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„Rubelmünzen“ aus Transnistrien – einer Republik, die es eigentlich nicht gibt

Nach dem Ersten Weltkrieg wurde Bessarabien, das heute den größten Teil der Republik Moldau ausmacht, an Rumänien angegliedert. Transnistrien, auf der östlichen Seite des Dnjester, wurde 1924 Autonome Sozialistische Sowjetrepublik innerhalb der Sozialistischen Sowjetrepublik Ukraine.

Am 26. Juni 1940 zwang die Sowjetunion Rumänien, Bessarabien und die Nordbukowina abzutreten. Das westlich des Dnjester gelegene Bessarabien wurde mit Transnistrien vereinigt und bildete nun die Sozialistische Sowjetrepublik Moldau.


Michail Gorbatschows Politik der Perestroika gab den Bürgern der Sowjetunion neue Freiheiten, gleichzeitig aber nahmen im gesamten Land nationalistische Tendenzen zu, Vorboten des späteren Zerfalls der Sowjetunion.


Ende der 1980er Jahren traten in der Moldauischen SSR immer offener die Konflikte zwischen den aufstrebenden rumänisch-sprachigen nationalkommunistischen Kadern und der alten sowjetisch geprägten russophonen Nomenklatura zu Tage. Die Spannungen erreichten ihren vorläufigen Höhepunkt, als die nationalistisch ausgerichtete moldauische Führung in Chișinău Russisch als zweite Amtssprache abschaffte.

Moldau und Transnistrien, Quelle: https://www.dw.com/de/transnistrien-eine-offene-wunde-im-osten-europas/a-48717307, 10.02.2024.


Die Bevölkerung der Republik Moldau ist unterschiedlicher ethnischer Herkunft. Nach der Volkszählung 2014 (ohne Transnistrien) hatte Moldau eine Bevölkerung von 12.998.235 Einwohner, davon waren 82,1 % rumänisch-sprachige Moldauer, 6,6 % Ukrainer, 4,4 % Gagausen, 4,1 % Russen, 1,7 % Bulgaren, 0,36 % Roma, 0,11 % Juden sowie einige Deutsche, Polen, Belarussen, Tataren, Ungarn usw. Von den 555.347 Einwohnern Transnistriens sind 31,9 % Moldauer. 30,3 % Russen und 28,9 % Ukrainer.


Die Abschaffung des Russischen als Amtssprache führte zu großen Protesten besonders im Osten und Norden des Landes, wo es die Sprache der Mehrheit der Bevölkerung war. In der Folgezeit kam es immer häufiger zur Diskriminierung der Minderheiten. In Transnistrien und der Region Gagausien forderten Bürgerrechtsgruppen die Wiedereinführung des Russischen als Amtssprache und eine regionale Autonomie. Die Regierung der Moldauischen SSR ließ entsprechende Bewegungen verbieten.


Nach dem gescheiterten Moskauer Augustputsch erklärte am 27. August 1991 die nationalistische moldauische Führung unter Mircea Snegur die Moldauische Sowjetrepublik für unabhängig und forderte den Abzug aller sowjetischen Truppen vom Territorium der Republik Moldau. (1) Besonders im östlich des Dnjester gelegenen Landesteil stieß dies auf Widerstand und zur offenen Weigerung, Befehlen aus Chișinău zu befolgen. Die Führung um Igor Smirnow und Grigori Marakuza hatte bereits 1990 eine eigene Transnistrische Sowjetrepublik innerhalb der Sowjetunion ausgerufen und nun ebenfalls einen unabhängigen Staat ausgerufen, die Pridnestrowische Moldauische Republik (PMR), was von der Zentralregierung in Chișinău jedoch nicht akzeptiert wurde. Nicht zuletzt wegen der in Transnistrien angesiedelten Industrie und der Wirtschaftskraft dieser Region mit ihrer wichtigen Stahl-, Textil- und Schuhindustrie, Möbel- und Spirituosenherstellung und zahlreichen Kraftwerken war die Zentralregierung nicht bereit, die Abspaltung hinzunehmen.


Der Konflikt zwischen den Regierungen der beiden Landesteile eskalierte schließlich zum offenen Bürgerkrieg. Die Kämpfe zwischen transnistrischen und moldauischen Einheiten dauerten vom 1. März 1992 bis zum 25. Juli 1992 und endete erst mit dem militärischen Eingreifen Russland. Unter russischer Vermittlung wurde zur Sicherung eines „Friedenskorridors“ eine gemeinsame Truppe – bestehend aus 3.800 russischen, 1.200 moldauischen und 1.200 transnistrischen Soldaten – aufgestellte. Der Waffenstillstandsvertrag vom 21. Juli 1992 bestätigte die nationale Integrität der Republik Moldau, räumte andererseits der PMR das Recht auf Abhaltung einer Volksabstimmung für den Falle ein, dass sich die Republik Moldau mit Rumänien vereinigen sollte. (2)


Die Pridnestrowische Moldauische Republik ist ein international nicht anerkannter Pseudostaat mit eigener Flagge, eigenem Geld, eigener Regierung und eigener Grenzkontrolle. Der 3.567 m2 große Staat wird von keinem Mitgliedsstaat der Vereinten Nationen diplomatisch anerkannt, auch wenn es zu Russland besondere Beziehungen unterhält. Nur die Mitglieder der „Gemeinschaft nicht anerkannter Staaten“, zu denen Abchasien, Südossetien und Arzach (Republik Bergkarabach) gehören, erkennen sich gegenseitig an.

500 Rubel-Marke von 1993 mit dem Brustbild General Alexander Wassiljewitch Suworow. Quelle: wikimedia commons.


Am 22. Juli 1992 tauschte die am 4. Juni 1991 durch Präsidialdekret gegründete Nationalbank von Moldawien (Banca Națională a Moldovei) die sowjetischen Rubelnoten gegen Cupon-Noten [1 moldauischer Kupon = 1/10 sowjetischer Rubel] aus. (3) Da die ehemaligen sowjetischen Republiken begannen, eigene Währungen auszugeben, wurde Transnistrien, wo der Rubel weiter galt, von den eingezogenen Noten überschwemmt. Die transnistrische Regierung gründete daher am 22. Dezember 1992 ebenfalls eine Notenbank, die Transnistrische Bank (Приднестровский Банк). In einem Versuch, das Finanzsystem zu schützen, kaufte die Regierung im Juli 1993 gebrauchte, von Goznak gedruckte sowjetische und russische Banknoten aus den Jahren 1961 bis 1992. Mit dem Brustbild General Alexander Wassiljewitch Suworow versehene Marken wurde auf diese russischen Noten geklebt und so das erste eigene Geld geschaffen. Diese vorläufige Emission wurde am 22. August 1994 durch Kupon-Rubel (КУПОН РУБЛЕЙ) umgewechselt. Der Umtauschsatz: 1 Kupon Rubel : 1.000 alte Rubel. Anfang 2001 wurden schließlich 1.000.000 Kupon-Rubel durch neue Noten zu einem Rubel ersetzt. Der Emittent lautet nun Transnistrische Republikanische Bank (Приднестровский Республиканский Банк).


Am 22. August 2014 gab die Bank „Münzen“ zu 1, 3, 5 und 10 Rubel in unterschiedler Farbe und Form aus, die die niedrigen Banknoten-Werte ersetzen sollten.  Die Geldzeichen wurden von Goznak aus Plamat, einem Verbundmaterial, das über ultraviolette und infrarote Sicherheitselemente verfügt, hergestellt. Die auf den Vorderseiten der „Münzen“ abgebildeten Personen sind identisch mit denen

auf den damals noch im Umlauf befindlichen Banknoten. Die Rückseite zeigt einheitlich das Logo der Transnistrischen Republikanischen Bank vor einem Karomuster.


Der Wert zu einem Rubel ist rund. Die braunen Münzen haben einen Durchmesser von 26 mm. Die Vorderseite nennt den Wert und zeigt das Brustbild Generals Alexander Wassiljewitsch Suworow-Rymnikski (russisch Александр Васильевич Суворов-Рымникский; * 13. November 1730jul. / 24. November 1730greg. in Moskau; † 6. Mai 1800jul. / 18. Mai 1800greg. in Sankt Petersburg), den Gründer von Tiraspol, der Hauptstadt von Transnistrien.

Transnistrische Republikanische Bank, 2014, 1 Rubel, KM 195. Quelle: Bronnert.


Die grüne, quadratische 3-Rubel-Münze hat einen Durchmesser von ebenfalls 26 mm und zeigt das Brustbild des niederländisch-russischen Militäringenieurs François Paul Sainte de Wollant (in Russland Franz Pawlowitsch de Wollan, niederländisch Frans de Wollant, russisch Франц Павлович де Воллан; * 20. September 1752 in Antwerpen; † 30. November 1818jul. / 12. Dezember 1818greg. in St. Petersburg). Als Oberingenieur plante Wollant 1795 den Bau der Festung Phanagoria, des Hafens Achtiar und der Festungen Kinburn und Tiraspol.

Transnistrische Republikanische Bank, 2014, 3 Rubel, KM 205. Quelle: Bronnert.


Der blaue Wert zu 5 Rubel ist fünfeckig und hat den Durchmesser von 28 mm. Das Brustbild zeigt den Feldmarschall der russischen Armee Graf Pjotr Alexandrowitsch Rumjanzew-Sadunajski (russisch Пётр Александрович Румянцев-Задунайский; * 4. Januar 1725jul. / 15. Januar 1725greg. in Moskau; † 8. Dezember 1796jul. / 19. Dezember 1796greg. bei Taschan).

„Nach Ausbruch des Russisch-Türkischen Krieges 1768 erhielt Rumjanzew 1770 das Oberkommando über die Armee. Am 28. Juni 1770 schlug er unweit der Räbnia Mogila 20.000 Türken in die Flucht, trug am 18. Juli in der Schlacht an der Larga einen entscheidenden Sieg über das 80.000 Mann starke Heer des Tatarenkhans davon, schlug am 1. August in der Schlacht von Cahul mit nur 17.000 Mann die 150.000 Mann starke Armee des Großwesirs und schloss am 21. Juli 1774 den Frieden von Küçük Kaynarca. Für seine Siege wurde er mit dem Ehrentitel Sadunaiski (d. h. Überschreiter der Donau) ausgezeichnet und von der Zarin Katharina in den Rang eines Feldmarschalls erhoben. Außerdem erhielt er ein Gut mit 5.000 Seelen (d. h. leibeigenen Bauern) zum Geschenk.“ (4)

Transnistrische Republikanische Bank, 2014, 5 Rubel, KM 206. Quelle: Bronnert.


Die rosa 10-Rubel-Münze ist sechseckig und hat ebenfalls den Durchmesser von 28 mm. Sie ist der russischen Zarin Katharina II, genannt die Große (russisch Екатерина Велика; * 2. Mai 1729 als Sophie Auguste Friederike von Anhalt-Zerbst in Stettin; † 6. November 1796jul. / 17. November 1796greg. in Sankt Petersburg) gewidmet. Katharina II. baute den Machtbereich Russlands in einem Maße aus wie keine russische Herrscherin bzw. wie kein russischer Herrscher vor ihr. In zwei russisch-türkischen Kriegen 1768–1774 sowie 1787–1792 eroberte sie den Zugang zum Schwarzen Meer und weite Küstengebiete. Das Osmanische Reich musste alle Besitzungen östlich des Dnister an Russland abtreten.

Transnistrische Republikanische Bank, 2014, 10 Rubel, KM 209. Quelle: Bronnert.


Der Transnistrische Rubel wird im Ausland nicht gehandelt und selbst ist im Lande nur bedingt konvertibel. Es existiert kein ISO-4217-Code und keine echten Wechselkurse. Die Transnistrische Republikanische Bank legt diesen fest. Im November 2014 gab es für einen Euro 14,209 Transnistrische Rubel, d. h. 10 Rubel waren gerade einmal 70 Cent wert. Die Fälschungssicherheit der Geldstücke dürfte ausreichen, denn bei diesem geringen Betrag, dürfte sich das Fälschen nicht lohnen.


Diese transnistrischen Geldzeichen sind aus Sicht der Numismatik/Notaphilie sicherlich sehr interessant; aber sind es nun Münzen oder eher kleine Banknoten? Na ja, geprägt sind sie nicht, also keine Münzen? Bestehen Banknoten aber nicht aus Papier oder ähnlichem? Aus Papier sind sie eben auch nicht, aber sie haben eine bedruckte Oberfläche, die sogar auf UV-Licht reagiert. Ich überlasse es dem Leser, diese Geldzeichen einzuordnen.


Seit dem Waffenstillstand besteht der Status quo zwischen den beiden Nachbarn. Am 21. Februar 2023 widerrief der russische Präsident Putin jedoch ein 2012 erlassenes Dekret, wonach bei der Lösung des Transnistrien-Konfliktes die territoriale Integrität der Republik Moldau gewahrt bleiben müsse. Am 24. Februar erklärte er, dass jeder Angriff auf in Transnistrien stationierte russische Truppen als Angriff auf die Russische Föderation betrachtet würde.


Uwe Bronnert


Quellenangaben:

  1. Die nationalistische Moldauische Volksfront und der damalige Premierminister Mircea Druk strebten zeitweise sogar eine Vereinigung Moldaus mit Rumänien an.

  2. Bei dem im September 2006 stattgefundenem Referendum in Transnistrien stimmten 97 Prozent der Bevölkerung für die Abspaltung der Region von der Republik Moldau und für einen späteren Anschluss an Russland.

  3. Gedruckt von Regia Autonoma - Imprimeria Bancii Nationale a Romaniei.

  4. https://de.wikipedia.org/wiki/Pjotr_Alexandrowitsch_Rumjanzew-Sadunaiski, 10.02,2024.

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