Neue Ausstellungen im Goldschmiedehaus Hanau
- Dietmar Kreutzer
- vor 1 Tag
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Das Deutsche Goldschmiedehaus Hanau zeigt vom 4. März bis 31. Dezember 2025 im "Goldenen Saal" die Ausstellung Aus dem Depot. Eine Bestandsaufnahme. Dabei geht es anhand von historischen Stücken aus dem Depot der Gesellschaft für Goldschmiedekunst um die wechselhafte Geschichte des Goldschmiedehauses und der hinter ihm stehenden Gesellschaft. Vom 29. Juni 2025 bis 18. Januar 2026 laufen außerdem im "Silbernen Saal" die Ausstellungen Ich bin Schmuckhaft. Peter Skubic sowie Verschlingen. Schmuck von Sophie Hanagarth. Die zuerst genannte Ausstellung zeigt Arbeiten des 2024 verstorbenen Schmuckgestalters Peter Skubic anlässlich seines 90. Geburtstages. Skubic war ein Pionier des zeitgenössischen Schmucks. Die zweitgenannte Schau zeigt das Werk der 1968 in Zürich geborenen Künstlerin: "Lippen, die Finger umschließen, Zähne, die Handgelenke zu beißen scheinen. Zungenküsse aus dunklem, hartem Stahl." Ihr Schmuck ist von Mehrdeutigkeiten und Assoziationen geprägt.

Deutsches Goldschmiedehaus in Hanau
Foto: Dietmar Kreutzer
Die Stadt Hanau, unweit von Frankfurt/Main gelegen, gilt seit der Zuwanderung von niederländischen und wallonischen Glaubensflüchtlingen im ausgehenden 16. Jahrhundert als "Goldschmiedestadt". Unter den Flüchtlingen befanden sich einige Gold- und Silberschmiede. Durch günstige Umstände kamen immer neue Handwerker hinzu, so dass Johann Wolfgang von Goethe nach einem Besuch in Hanau im Jahre 1814 schrieb. "So lässt sich mit wahrheit behaupten, dass Hanau Arbeiten liefert, die man weder in Paris noch in London zu fertigen weiß." (1) Kurz vor Ende des Zweiten Weltkrieges versank die "Goldschmiedestadt" in Schutt und Asche. Kurz zuvor, nämlich am 18. Oktober 1942 war von der Deutschen Gesellschaft für Goldschmiedekunst im früheren Rathaus noch das Deutsche Goldschmiedehaus eröffnet worden. Dem Juwelier Ferdinand Richard Wilm (1880-1971) war es gelungen, führende Köpfe des Nationalsozialismus für sein Projekt zu begeistern. Doch nach Kriegsende standen vom Goldschmiedehaus nur noch Teile der Außenmauern. Für den Wiederaufbau übernahm Bundespräsident Theodor Heuss die Schirmherrschaft. Goldmedaillen propagierten das Vorhaben. Zwischen 1954 und 1958 wurde das Haus äußerlich originalgetreu wieder aufgebaut. In der ersten Ausstellung nach der Eröffnung konnte im "Silbersaal" kunstvolles Silbergerät vom barocken Tafelaufsatz bis zur modernen Kanne bestaunt werden. Im Goldsaal gab es viele Schmuckstücke aus verschiedenen Epochen zu sehen, von der goldenen Taschenuhr bis zu avantgardistischen Halsschmuck.
Medaille der Deutschen Gesellschaft für Goldschmiedekunst (1933)
Bildquelle: SMB, Münzkabinett
Die zweifelhafte Geschichte der Deutschen Gesellschaft für Goldschmiedekunst im Dritten Reich wurde damals bewusst ausgeblendet. Erst als der Schweizer Schmuckgestalter Bernhard Schobinger im Jahr 2016 die Annahme des Goldenen Ehrenringes der Gesellschaft wegen deren Verstrickung mit dem Nazi-Regime ablehnte, kam es zu einer Aufarbeitung der Geschichte. Da der aller drei Jahre verliehene Ring als eine Art Nobelpreis für Schmuckgestalter galt, machte die "Affäre Schobinger" international Schlagzeilen. Die von der Gesellschaft für Goldschmiedekunst daraufhin beauftragte Untersuchung ihrer Vergangenheit förderte erstaunliche Dinge zutage. Die erste der jährlich vergebenen Goldmedaillen der Gesellschaft war im April 1933 an Adolf Hitler gegangen. Kurt Schuhmacher, der Medailleur, der den Wettbewerb um die Gestaltung der Medaille gewonnen hatte, war Kommunist und gehörte einer Widerstandsgruppe an. Er wurde im Dezember 1942 wegen Wehrkraftzersetzung hingerichtet.

Deutsches Goldschmiedehaus Hanau (Medaille, 1956, 900er Gold, 8,0 Gramm, 22 mm)
Bildquelle: MA-Shops, Münzhandlung Witte

Deutsches Goldschmiedehaus Hanau (Medaille, 1958, 925er Silber, 4,7 Gramm, 22 mm)
Bildquelle: MA-Shops, Kölner Münzkabinett

Deutsches Goldschmiedehaus Hanau (Städtedukat, 1966, 986er Gold, 3,5 Gramm, 22 mm)
Bildquelle: MA-Shops, Münzhandel Andreas Fenzl
Auch andere Nazi-Größen erhielten die Medaille in den Folgejahren aus der Hand von Ferdinand Richard Wilm, dem Gründer und Präsidenten der Gesellschaft. Als Wilm Anfang Mai 1933 am 4. Internationalen Kongress der Juweliere, Gold- und Silberschmiede in Rom teilnahm, wollte er auch Benito Mussolini eine solche Medaille zur Förderung von Kunst und Wissenschaft verleihen. Dazu wurde eigens eine representative Kette mit der Medaille hergestellt. Am 8. Mai 1933 war es soweit. Mussoloni empfing Wilm im Palazzo Venezia. In seinen privaten Aufzeichnungen erinnerte der sich Wilm an seine Eindrücke beim Betreten des Großen Saales: "Am entgegengesetzten Ende des Raumes, der nur wenig möbliert war, stand über Eck ein (...) breiter Schreibtisch, hinter dem Mussolini mich stehend erwartete. (...) Nach einer kurzen Begrüßung von Seiten des Duce überbrachte ich ihm die Grüße des Kongresses. (...) Im Laufe der Unterhaltung drückte er seine Bewunderung für den Führer Adolf Hitler aus, der sich auch in gleicher Weise für die Künstler einsetzte und die Deutschen wohl einer bedeutungsvollen Zukunft zuführe." (2)
Derartige Ereignisse sind in späteren Veröffentlichungen der Gesellschaft nie erwähnt worden. Spätere Abbildungen von Devotionalien der Gesellschaft sind durch Retuschen so verändert worden, dass die Hakenkreuze darauf verschwanden. In der Liste der Preisträger der Goldmedaillen sind die Namen von Hitler und Mussolini getilgt worden. Erst jetzt sind die Dokumente dazu wieder einsehbar.

Amber's Original: "The small caramel reward in childhood."
Bildquelle: juliaobermaier.com
Noch bis zum 2. September 2025 ist übrigens eine weitere Sonderausstellung im Goldschmiedehaus zu sehen: Julia Obermaier. Juwelen der Kindheit. Die 1989 geborene Juwelierin greift Objekte der Sehnsucht aus Kindheit und Jugend wie Wunderkerzen und Karamellbonbons auf, um sie aus Edelstein nachzubilden: "Gerüche, Berührungen, kleine harmlose Funken oder Geschmackserlebnisse werden wieder wach. (...) Die vermeintlich banalen Dinge werden dadurch in ihrer Wertigkeit hervorgehoben. Sie zeigen sich als kleine Juwelen des Alltags, die zu Trophäen werden." (3) So wie Werther's Original, die süßen Karamellbonbons, die Julia Obermaier als Amber Original im Goldpapier präsentiert!
Quellenangaben:
(1) Christine Jung: Deutsches Goldschmiedehaus; Hanau 2017, S. 66
(2) Das Goldene Netzwerk: Die Deutsche Gesellschaft für Goldschmiedekunst in der Zeit des Nationalsozialismus; Frankfurt/Main 2019, S. 48
(3) Julia Obermaier. Juwelen der Kindheit; auf: goldschmiedehaus.com
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