Lebenswahre Bildnisse: Serie von Gussmedaillen aus der Renaissance bei Leu in der Auktion
- Helmut Caspar

- 15. Aug.
- 5 Min. Lesezeit
Vor über einem halben Jahrtausend wurden Menschen als individuelle Wesen neu entdeckt. Authentische Porträts kamen auf Münzen und Medaillen seit der Renaissance im Zeichen der Rückbesinnung auf die Antike wieder in Mode. Bei der aktuellen Leu Web Auktion 37 am 8. September 2025 kommen neben zahlreichen Münzen und Medaillen auch über 20 Renaissancemedaillen unter den Hammer.
Hatten sich antike Stempelschneider lange Zeit um wahrheitsgetreue Porträts römischer Kaiser und Kaiserinnen und anderer Potentaten bemüht, so ging diese Kunst in der Spätzeit des Weströmischen Reichs und im Oströmischen Reich verloren. Anstelle fein ausgearbeiteter Bildnisse, die es mit zeitgenössischen Skulpturen aufnehmen konnten, verkamen die Münzbildnisse der Spätantike und des Mittelalters mehr und mehr zu schemenhaften Andeutungen. Szenen aus dem Leben der Herrscher und dem Alltag ihrer Völker sind nicht zu finden. Neues kam unter Kaiser Karl dem Großen auf, denn er erscheint gut erkennbar um das Jahr 800 auf seltenen Denaren, die den besten Traditionen römischer Cäsaren verpflichtet sind. Über Jahrhunderte danach hat man Köpfe und Bildnisse von geistlichen und weltlichen Fürsten nur noch in Umrissen ohne jede Individualität verewigt.

Los 2571: „Mars und Viktoria“ von G. Mondella (1467-1528), feiner Guss aus dem 16.-17. Jahrhundert. 73 x 56 mm, 83.53 g. Figuren der griechischen und römischen Götterwelt waren während der ganzen Renaissance und auch darüber hinaus beliebte Medaillenmotive.

Los 2570: „David triumphiert über Goliath“ von G. Mondella (1467-1528), feiner Guss aus dem 16.-17. Jahrhundert. 71 x 54 mm, 75.14 g. Neben der griechischen und römischen Mythologie bedienten sich die Medailleure auch alttestamentarischer Themen für ihre Medaillen und Plaketten.
Von diesem Brauch rückte man im Laufe des 15. Jahrhunderts zuerst in Italien und Frankreich und dann auch in anderen Ländern ab. Jetzt wurden Menschen zum vornehmsten Gegenstand der Kunst gemacht. Frühe Beispiele für glaubhafte Bildnisse auf Münzen des 15. Jahrhunderts finden wir auf den kleinen, aber edel gestalteten „Testoni“ italienischer Fürstenhäuser und der Päpste. Abgeleitet vom Wort „testa“ für Kopf, waren diese silbernen „Kopfstücke“ auch für benachbarte Länder vorbildlich und ein willkommener Anlass für Herrscher, sich lebenswahr und vorteilhaft für ewige Zeiten darzustellen.

Los 2567: „Der römische Kaiser Caracalla“ von G. Boldu (1477 gestorben), alter Guss. 88 mm, 193.65 g. Neben der Götterwelt bedienten sich die Medailleure der Renaissance auch der römischen Kaiser als Motive. Die genaue Bedeutung des rückseitigen Spruchs IO SON FINE (Ich bin das Ende) im Zusammenhang mit Kaiser Caracalla ist bis heute umstritten. Das Vorderseitenporträt samt Legende hatte höchstwahrscheinlich einen Aureus des Caracalla zum Vorbild.
Kein geringerer als Johann Wolfgang von Goethe wusste um die Bedeutung geprägten und gegossenen Metalls. „Mein einziger Trost ist der numismatische Talisman, der mich, auf eine bequeme und reizende Weise, in entfernte Gegenden und Zeiten führt“, schrieb der begeisterte Medaillensammler an Friedrich Schiller. Seinem Freund, dem Weimarer Kanzler Friedrich von Müller, vertraute er an: „Der Mensch mache sich nur irgendeine würdige Gewohnheit zu eigen, an der er sich die Lust an heiteren Tagen erhöhen und den trüben Tagen aufrichten kann. Er gewöhne sich z. B. täglich in der Bibel oder im Homer zu lesen, oder schöne Medaillen oder schöne Bilder zu schauen oder gute Musik zu hören.“ Die Betrachtung von Münzen, und damit waren immer auch Medaillen gemeint, sei für ihn, da er keine Möglichkeit habe, größere Kunstwerke zu sehen, eine „besonders belehrende Unterhaltung, indem man die Kunstgeschichte aus ihnen sehr gut studieren kann, besonders wenn sich das Auge an Marmor hinlänglich geübt hat“, schrieb Goethe an die Schriftstellerin Marianne von Eyenberg.

Los 2452: „Gaius Mucius Scaevola“ von einem unbekannten süddeutschen Künstler. Alter Guss aus dem 17. Jahrhundert. 101 mm, 126.63 g. Auch jenseits der italienischen Schulen bediente man sich antiker Legenden, wie diese imposante Medaille zeigt. Auf der Vorderseite ist Gaius Mucius in Mitten eines feindlichen Etruskischen Lagers vor der Stadt Rom abgebildet. Gaius Mucius, später Scaevola genannt, ist eine legendäre Gestalt der frühen römischen Geschichte. Während der Belagerung Roms durch Lars Porsenna im Jahr 508 v. Chr. versuchte er, den etruskischen König zu ermorden, wurde jedoch gefasst und verbrannte zur Demonstration seiner Furchtlosigkeit seine rechte Hand im Feuer. Beeindruckt von dem Mut beendete Porsenna die Belagerung, und Mucius erhielt den Beinamen „Scaevola“ (Linkshand).
Medaillen aus der Renaissance und späteren Epochen sind gut erforscht und publiziert, und sie kommen regelmäßig in den Angeboten des Münzhandels vor. Georg Habich schrieb in einem Standardwerk über die italienischen Renaissance-Medaillen, unter ihnen habe man sich eine „Münze“ vorzustellen die nicht dem Geldverkehr dient, sondern vornehmlich den Zweck hat, beschaut zu werden: ein doppelseitiges Rundrelief, das in plastisch-bildlicher Form eine Person oder eine Begebenheit in dauerndem Material festhalten soll.“

Los 2452: „Maximilian II“ von J. Deschler (1500-1571), alter Guss. 46 mm, 43.00 g. Joachim Deschler gilt als einer der talentiertesten „Steinschneider“ der deutschen Renaissance. Maximilian II schätzte seine Arbeiten so sehr, dass er ihn in den späten 1550er Jahren an den Hof nach Wien holte. Dort war er als Kaiserlicher Hofbildhauer bis zu seinem Tod im Jahr 1571 tätig.
Glaubhafte Bildnisse von Fürsten und Patriziern, Gelehrten und Künstlern waren ein wichtiges Mittel der Kommunikation, und sie finden sich auch auf Medaillen, die vor und nach 1500 erst in gegossener, dann auch in geprägter Form erschienen. Außer Köpfen und Brustbildnissen erkennen wir auf ihnen üppigen Wappenschmuck, aber auch Szenen aus der antiken Mythologie und der christlichen Bibel. Beliebt waren geprägte und gegossene Medallen als Schmuck, die man an Goldketten auf der Brust trug beziehungsweise am Hut oder Mantel befestigte. Oft aus Gold gefertigt und mit bunter Emaille verziert, stellen diese „Gnadenpfennige“ besondere und hoch bezahlte Raritäten dar.
Der ewige Wandel der Kleider-, Haar- und Bartmode lässt sich anschaulich auch auf Münzen und Medaillen nachvollziehen. Stempelschneider und Medaillenkünstler haben stets große Sorgfalt auf die genaue Wiedergabe der Frisuren gelegt, die ja immer auch Standesmerkmale waren. Bei Frauen erkennt man kunstvoll aufgetürmte Haarkleider. Wer mit der Mode ging, ließ sich gelegentlich die Stirn ausrasieren und galt so als besonders schön. Wie in der Gegenwart, so unterlag bei den Männern das Tragen von Haaren und Bärten modischen und sozialen Einflüssen. Reicher Kopf- und Kinnbesatz galt in der Antike als Zeichen freier Geburt. In der Barockzeit trugen Männer, die etwas auf sich hielten und es sich auch leisten konnten, über dem eigenen Haar auf Schultern und Rücken fallende Perücken. Im Laufe des 18. Jahrhunderts wurden die Locken in Beuteln versteckt oder zu Zöpfen gedreht. Gelockt oder streifig, lang gewachsen oder kurz geschnitten - auf Münzen und Medaillen ist nahezu alles vertreten, was auch in diesem Bereich möglich ist.

Los 2644: „Abt Christoph Silbereisen“ von S. Fries, späterer Guss. 48 mm, 49.53 g. Christoph Silbereisen war Abt des Zisterzienserklosters Wettingen. Seiner Nachwelt ist er vor allem durch seine dreibändige Schweizer Chronik in Erinnerung geblieben. Das wertvolle Werk befindet sich heute in der Kantonsbibliothek in Aarau.
Seit es Medaillen gibt, hat man sie als „Histoire ´métallique“ geschätzt, als eine Art Geschichtsbuch oder Chronik aus haltbarem Material, die alle Zeiten, Krisen und Kriege übersteht und heute einiges über das Leben in alten Zeiten erzählt. Die hier zur Auktion gelangten Medaillen sind allesamt gegossen, manche haben eine leere Rückseite. Geschaffen von bekannten italienischen und deutschen Künstlern des 15. bis frühen 17. Jahrhunderts, halten sie Ereignisse durch Allegorien und Gestalten durch Porträts und Inschriften in Erinnerung.
Helmut Caspar
Für die Leu Web Auktionen 36 (Antike) & 37 (Moderne & Neuzeit) vom 6. bis 8. September 2025 ist das Bieten auf gewohnten und bequemen Wegen möglich. Sie können über die Website der Leu Numismatik AG (www.leunumismatik.com), bei biddr, numisbids und sixbid bieten.
Leu Numismatik AG, Stadthausstrasse 1438400 Winterthur, Schweiz. Telefon +41 52 214 11 10, Fax: +41 52 214 11 13, E-mail: info@leunumismatik.com Web: www.leunumismatik.com




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