Kulturhauptstadt 2025: Neues aus Chemnitz
- Dietmar Kreutzer
- 10. Mai
- 3 Min. Lesezeit
Der Besucher, der die Kulturhauptstadt mit der Bahn erreicht, wird schon am Hauptbahnhof begrüßt. Ein Pylon informiert ihn mit wenigen Worten über die Geschichte der Stadt, die im Zweiten Weltkrieg "in Schutt und Asche" gelegt wurde. Die sozialistische Musterstadt erlebte nach der Wende eine Abwanderung ihrer Bewohner in Größenordnungen, verursacht durch Werksschließungen und Massenentlassungen. Erst in den letzten Jahren gelang ein Aufschwung. Ein Infopunkt der Stadtinformation unterbreitet noch im Bahnhof eine Reihe von Programmvorschläge für den Aufenthalt der Besucher von Chemnitz. Hier liegt auch das offizielle Tourismusmagazin der europäischen Kulturhauptstadt bereit. In ihm heißt es: "Die wenigsten Gäste reisen an, weil sie gehört haben, dass Chemnitz eine so wunderschöne Stadt sein soll. Was sie ja auch nicht ist. Jedenfalls nicht auf den ersten Blick. Wer aber etwas Zeit mitbringt, wird schnell Ecken entdecken, die man so in anderen Städten schwer findet. Dann ist die Stadt doch auf einmal schön."

Pylon zur Stadtgeschichte im Chemnitzer Hauptbahnhof
Foto: Kreutzer
So ist es auch. Nur einige hundert Meter vom Hauptbahnhof entfernt befindet sich das Staatliche Museum für Archäologie Chemnitz (smac). Es ist im früheren Kaufhaus Schocken untergebracht, einem Architekturdenkmal der Moderne. Die seit Oktober 2024 laufende Sonderausstellung Silberglanz & Kumpeltod beleuchtet den Erzbergbau der Region. Der war über Jahrhunderte hinweg eine "Lizenz zum Gelddrucken". Schon im Mittelalter war der Besitz von Bergwerken in Verbindung mit dem Recht zur Münzprägung nämlich ein Garant für Reichtum und Macht. Die Markgrafen von Meißen gehörten daher zu den mächtigsten Herrschern Europas. In der beeindruckenden Ausstellung erfährt man, dass die allermeisten Bergwerke im Erzgebirge nichts einbrachten. Dem standen vereinzelte Gruben gegenüber, die üppige Gewinne abwarfen. Um das Risiko auf mehrere Schultern zu verteilen, wurden Anteilsscheine namens Kuxe ausgegeben. Ende des 15. Jahrhunderts waren aufgrund zahlreicher Pleiten beispielsweise in Schneeberg starke Preisschwankungen bei Kuxen zu verzeichnen. 3.500 von ihnen sollen im Sommer 1479 gar nicht mehr bedient worden sein. Im Ausstellungskatalog steht, dass der Erwerb von Kuxen einer Lotterie ähnlich war: "Man hoffte auf einen Glückstreffer."

Sonderausstellung Silberglanz & Kumpeltod im Staatlichen Museum für Archäologie
Foto: Kreutzer

Freiberger Ausbeutemedaille (1690) im Begleitband zur Sonderausstellung
Foto: Kreutzer
Nach einer Stärkung im Kaffeehaus des Museums geht es weiter in die Zschopauer Straße, wo sich die örtliche Filiale der Bundesbank befindet. Dort wartet die kleine Sonderausstellung Geld im Spiegel der Zeit. Der Besucher bekommt anhand einiger Vitrinen einen Überblick über die allgemeine Geldgeschichte und historische sächsische Zahlungsmittel: "Darunter befinden sich auch Ausstellungsstücke aus Chemnitz, Silbergepräge aus dem Erzgebirge und Notgeldscheine aus der Region, die während und nach dem Ersten Weltkrieg zur Ergänzung der Geldversorgung ausgegeben wurden, die kriegsbedingt eingeschränkt war." Die in den Vitrinen ausgestellten Münzen können aufgrund der großen Entfernung zwischen Betrachter und Objekt allerdings nur schwer in Augenschein genommen werden. Dazu wäre eine Betrachtungsmöglichkeit anhand eines Kurzfilmes, mittels vergrößter Repliken oder unter einer Lupe nötig. Auf Nachfrage wies die zuständige Kuratorin der Bundesbank darauf hin, dass die Möglichkeiten der Präsentation außerhalb von geeigneten Ausstellungsräumen leider begrenzt sind. In einer eigenen Vitrine wird die neues Sammlermünze zu 20 Euro Chemnitz - Kulturhauptstadt Europas 2025 vorgestellt.

Titelmotiv der Sonderausstellung on der Chemnitzer Bundesbank-Filiale
Foto: Kreutzer

Guldengroschen aus dem 16. Jahrhundert in einer Vitrine des Schlossbergmuseums
Foto: Kreutzer
Der Weg von der Filiale der Bundesbank zum Schlossbergmuseum, dem Museum für Stadtgeschichte, führt durch das Stadtzentrum. Im Zweiten Weltkrieg zu 80 Prozent zerstört, sind dort unter anderem Repräsentationsbauten der Ostmoderne zu finden, aus einer Zeit also, in der die Stadt den Namen Karl-Marx-Stadt trug. Der Weg zum Schlossberg führt an der monumentalen Büste von Karl Marx vorbei, sieben Meter hoch und 40 Tonnen schwer. Sie gilt bis heute als ein zweifelhaftes Wahrzeichen der Stadt. Auf dem Weg zum Schlossberg passiert der Besucher zahlreiche Plattenbauten an der Mühlenstraße, unwirtliche Gewerbeflächen und leer stehende Wohngebäude an der Müllerstraße. Dann wandelt sich überraschend das Bild. Umgeben von Fachwerkhäusern und dem Schlosspark, erhebt sich das als Klosteranlage erbaute "Schloss". Am Gründungsort der Stadt werden Objekte aus ihrer Geschichte präsentiert. Etwas verloren warten in einer Vitrine die Schätze aus dem silbernen Erzgebirge, eine Reihe von Guldengroschen aus dem frühen 16. Jahrhundert. Favorit der Besucher ist eindeutig die Abteilung zum Alltagsleben in der DDR. Die Sonderschau Die neue Stadt stellt das frühere Karl-Marx-Stadt in den Kontext des Städtebaus zwischen Moderne und Brutalismus.
Dietmar Kreutzer
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