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Dietmar Kreutzer

Interview mit Helmut Caspar

Mit über 80 Jahren ist Helmut Caspar einer der bekanntesten Publizisten auf dem Gebiet der Numismatik. Dem versierten Journalisten gelingt es, numismatisches Wissen interessant aufzubereiten und gut verständlich zu vermitteln. Das ist in diesem Metier nicht selbstverständlich! Als Kind begann er Münzen zu sammeln. Während des Studiums veröffentlichte er seinen ersten Fachartikel.


Helmut Caspar

Foto: Privat

Münzen-Online: In welchem Alter haben Sie angefangen Münzen zu sammeln?


Helmut Caspar: Als ich Schüler in Potsdam war, etwa 13 oder 14 Jahre alt. Ich bekam von meinem großen Bruder eine Kiste mit alten Münzen, meist Kursmünzen aus Kupfer, Nickel und Messing. Da hat es mich gepackt. Ab sofort hielt ich nach Münzen Ausschau! In der Leipziger Münzhandlung Reeder kaufte ich meinen ersten sächsischen Vierteltaler von Johann Georg I. Mein Vater war sauer, weil ich Geld für solche Dinge ausgab. In der DDR kursierten noch relativ viele sächsische Münzen in Sammlerkreisen. Sie wurden mein erstes Sammelgebiet. Ich las numismatische Bücher und Zeitschriften im Berliner Münzkabinett. Ich besichtigte die noch recht bescheidene Münzausstellung im Bode-Museum, lernte dessen Direktor Professor Dr. Arthur Suhle kennen. Nach dem Bau der Mauer im Jahr 1961 war es recht umständlich, über den „Außenring“ von Potsdam nach Ostberlin zu gelangen. Aber was tut man nicht alles für seine Leidenschaft?


Münzen-Online: Wie ging es nach der Schulzeit weiter?


Helmut Caspar: Nach dem Abitur habe ich erst mal eine Lehre als Schriftsetzer absolviert. Danach ging es zum Studium der Geschichte und Germanistik nach Rostock. Zu dieser Zeit verfiel ich auf deutsche und benachbarte Städtemünzen. Ich sammelte sie so systematisch, wie es damals möglich war. Die Preise dafür waren ja noch verhältnismäßig gering. Jahrzehnte später habe ich mein ganzes Wissen über dieses hochinteressante und gut erforschte Gebiet in ein Buch gepackt, das solche Münzen von Aachen und Augsburg bis Zürich und Zwolle vorstellt.


Zur Münzprägung berechtigte Städte hinterließen interessante Geldstücke wie die Taler aus Hamburg (1717) und Rostock (1637). Sie sind gut erforscht, katalogisiert und bilden ein attraktives Sammelgebiet.

Foto: Caspar


Münzen-Online: Was für Münzen waren das?


Helmut Caspar: Es handelte sich um Münzen, die mit dem Münzprivileg ausgestattete Städte seit dem Mittelalter geprägt und teils mit herrlichen Panoramen und Wappen geschmückt haben. Bei meinem Hobby konnte ich die „Kehrseite“ der Münzen oder Medaillen erkunden, erfahren, was der sprichwörtliche „kleine Mann“ in seiner Geldbörse hatte. Ich versuchte herauszubekommen, wie lange er für seine paar Groschen arbeiten musste und was er sich dafür kaufen konnte. Das war eigentlich schon Wirtschafts- und Sozialgeschichte. Löhne und Preise werden nach meiner Kenntnis von der „amtlichen Numismatik“ eher am Rande behandelt, wenn überhaupt. Städtemünzen waren damals ein kaum nachgefragtes Thema. Nach und nach habe ich meine „Sachsen“ gegen Städtemünzen eingetauscht. Dabei versuchte ich immer einen kleinen Gewinn zu erzielen. Auf diese Weise kam ich an einige Seltenheiten heran. An „dicke Goldstücke“ bin ich nie gekommen und wollte es auch nicht. Ich habe stattdessen einschlägige Bücher und Kataloge gekauft, auch Reprints aus dem Zentralantiquariat in Leipzig. Sie konnten die teuren Originalausgaben gut ersetzen.


Das Kleingeld deutscher Städte wie hier aus Hameln, Hannover und Einbeck erzielt im Münzhandel bei allerbester Erhaltung beachtliche Preise.

Foto: Caspar


Münzen-Online: Gehörten zu Ihrem Sammelgebiet auch internationale Münzen?


Helmut Caspar: Nein, es ging vor allem um deutsche Städte. Dabei waren beispielsweise Münzen aus Bremen, Hamburg, Lübeck, Rostock, Stralsund und bis weiter in den Osten. Sogar Stücke aus Reval und Riga waren dabei. Auch Münzen der Städte aus dem Süden konnte ich in meine Sammlung einreihen, solche aus Nürnberg, Augsburg, Regensburg und andere.


Münzen-Online: Blieben Sie lange bei den Städtemünzen?


Helmut Caspar: Ich ging später zu einem anderen Thema über, das mich bis heute fasziniert. Die Städte bekamen ja im Mittelalter das Recht zur Münzprägung, das sie mehr oder weniger intensiv ausübten, manche noch im 19. Jahrhundert. Im Zusammenhang mit dem Untergang des Römisch-Deutschen Reiches im Jahre 1806 gingen zahlreiche Münzstätten ein. Deren Inventar hat man oft verschrottet. Manches konnte dabei gerettet werden. Das führte mich zu dem Sammelgebiet „Münztechnik auf Münzen und Medaillen“. Dazu habe ich schon im Jahre 1984 einen Katalog herausgebracht. Doch seither wurden mir so viele andere Belegstücke bekannt, dass eine Neuauflage eigentlich fällig wäre. Aber dies muss ich anderen überlassen. Ein Grundstein ist immerhin gelegt.


Eine kurfürstlich-königliche Hochzeit in Dresden war 1719 die Prägung von Silbermedaillen wert, die man nach alter Tradition bei einem Festumzug unters Volk warf.

Foto: Caspar


Münzen-Online: Seit wann schreiben Sie für die Fachpresse?


Helmut Caspar: Während meines Studiums in Rostock gab es eine aktive Gruppe von Numismatikern beim Kulturbund. Deren Mitglieder haben in den späten sechziger Jahren im Zusammenhang mit der Ostseewoche eine große internationale Münzausstellung organisiert. Bei dieser Gelegenheit habe ich meinen ersten Artikel über russische Seekriegs-Medaillen geschrieben, weil ich ein solches Stück besaß. Die kleine Betrachtung erschien in den Arbeitsheften des Kulturbundes dieser Rostocker Gruppe. Damit war der Grundstein gelegt. Seitdem schreibe ich - bis heute!


Münzen-Online: Gab es in der DDR auch eine Zeitschrift für Numismatiker?


Halmut Caspar: Ja, das waren die „Numismatische Beiträge“. Sie waren für mich eine gute Adresse. Ich konnte dort auch längere Artikel, Studien und Rezensionen unterbringen. Darüber hinaus gab es den „Sammler Express“ für Philatelisten. Auch in dieser Zeitschrift habe ich Artikel über Münzen veröffentlicht. Das Journal ist nach der Wende in der Deutschen Briefmarkenzeitung aufgegangen, die bis heute existiert. Meine Beiträge werden darin noch immer veröffentlicht.


Münzen-Online: Konnten Sie damals auch in westdeutschen Zeitschrift veröffentlichen?


Helmut Caspar: Ja, aber nur illegal. Es war natürlich verboten, irgend etwas für den „Klassenfeind“ zu schreiben. Das habe ich unter Pseudonym getan. In den späten achtziger Jahren nahm ich beispielsweise den Kontakt zur Fachzeitschrift „Money Trend“ auf. Die Verbindung gibt es bis heute. Später kamen die MünzenRevue und die Geldgeschichtlichen Nachrichten hinzu, außerdem mehrere Bücher.

In Frankreich und anderswo wurden seit dem 18. Jahrhundert oft Münzen und Medaillen zur Erinnerung an Münzbesuche geprägt. Sie passen gut in das Sammelgebiet „Numismatica in nummis“.

Foto: Caspar


Münzen-Online: Wie kam es zu Ihren Schriften zur Berliner Stadtgeschichte?


Helmut Caspar: In den frühen 2000er Jahren wurde ich gefragt, ob ich nicht auch Bücher zur Berliner Stadtgeschichte verfassen könnte. Ich habe den Faden aufgenommen, mich aber nicht nur auf Berliner Denkmäler und Gedenkstätten sowie solche aus der Regionales und Kuriositäten aus der Berliner Geschichte beschränkt. Auch Werke zur DDR-Geschichte entstanden, beispielsweise ein Lexikon über untergegangene Wortschöpfungen. Mein sprachkundliches Interesse hat auch ein Buch über historische Zitate und deren Hintergründe hervorgebracht. Ich möchte bei dieser Gelegenheit bemerken, dass ich über viele Jahre die Geschäfts- und Pressestelle des Verbands der deutschen Münzhändler betreut habe. Bei den jährlichen Zusammenkünften in verschiedenen Städten habe ich viel gelernt,  was mir bis heute zugute kommt.


Münzen-Online: Wie darf ich mir heute Ihren Alltag vorstellen?


Helmut Caspar: Ich habe immer zu tun. Langeweile kommt nicht auf. Ich habe gute Kontakte zum Münzkabinett in Berlin und der dort tagenden Numismatischen Gesellschaft sowie zu verschiedenen Museen und bekomme oft Einladungen zur Eröffnung von Ausstellungen. Daraus entsteht der eine oder andere Artikel oder Vortrag. Nach wie vor versuche ich, relativ unbekannte Sachverhalte aufzuklären, denn in der Numismatik liegt vieles noch im Dunkeln. Im Geheimen Staatsarchiv Berlin-Dahlem habe ich mich anhand von Archivunterlagen mit der Emission von Münzen während der Kaiserzeit im Bundesarchiv Berlin-Lichterfelde mit denen der Weimarer Republik beschäftigt. Unsere Kataloge enthalten alle notwendigen technische Daten und die Bilder, aber was  h i n t e r  den Ausgaben steckt und wer was beeinflusst hat, das finde ich spannend. Es gehört erkundet! Aufschlussreich sind Sitzungsberichte des Reichstags und des Preußischen Landtags und vor allem die numismatische Fachpresse von damals. Sie hat sich zum Teil sehr kritisch und respektlos mit Münzneuheiten befasst. Die Ausgabe der bekannten Silbermünze von 1913 mit dem Titel „Der König rief und alle kommen“ wurde damals sehr kontrovers kommentiert. Dazu werde ich schreiben!


Der Publizist

Foto: Privat


Münzen-Online: Wie blickt Ihre Familie auf Ihr Engagement?


Helmut Caspar: Na ja, mein Frau, meine Kinder und Enkelkinder nehmen meine Arbeit „im Unruhestand“ wohlwollend zur Kenntnis. Sie nehmen mich nicht allzu sehr in Beschlag. Aber Gesprächspartner und Interessenten suche und finde ich woanders. Ich sammle zwar nicht mehr. Wenn mir aber zufällig eine noch fehlende Münztechnik-Medaille preiswert angeboten wird, greife ich gern zu!

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