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Interview mit dem Münzgestalter Michael Otto

Der Graveur, Medailleur und Kupferstecher Michael Otto hat vieler Gedenk- und Umlaufmünzen der Bundesrepublik sowie Medaillen gestaltet. Zugleich ist er Lehrer Staatlichen Zeichenakademie Hanau im Fach Gravur. Münzen-Online sprach mit Michael Otto während eines Besuches an der Akademie über seine Herkunft, seinen Werdegang und seine neuesten Entwürfe.


Michael Otto in der Gravierwerkstatt der Zeichenakademie Hanau

Foto: Kreutzer

Münzen-Online: Haben Sie das Händchen für Münzen von Ihrem Vater geerbt?


Michael Otto: Sowohl mein Vater als auch meine Mutter waren Gestalter. Ende der Fünfziger Jahre lernten sie hier an der Akademie. Mein Vater Herwig war damals in der Gravierklasse. Er war ein begnadeter Ziseleur, überdies ein guter Graveur. Mene Mutter hat hier Zeichnen gelernt. Während ihrer Ausbildung haben sie sich kennengelernt. Nach der Ausbildung ging mein Vater nach Köln. Er arbeitete als Graveur im Ladengeschäft des Juweliers Breckerbohn, direkt am Dom. Er war ein guter Handgraveur, gerade für Silberwaren. Damals wurde viel mit Text gearbeitet, auf das Silber kamen häufig Widmungen oder Wappendarstellungen. Das war in dieser Zeit üblich.


Michael Otto mit Gipsmodellen für Gedenkmünzen

Foto: Kreutzer


Münzen-Online: Ist er von dort aus nahtlos zur Münzgestaltung gekommen?


Michael Otto: Nein, das war ein langer Weg. Zunächst wechselte er zu einer Firma nach Frankfurt/Main, die Industriegravuren für die Automobilherstellung anfertigte. Auch dort arbeitete er war er als Gestalter und Graveur. Nach einer Zwischenstation bei der Frankfurter Rundschau kehrte mein Vater nach Hanau zurück. In der grafischen Abteilung des Versandhauses Schwab arbeitete er an Produktkatalogen. Er fertigte die Layouts für die Kataloge. Eine Handvoll Grafiker waren damit regelmäßig Sie haben die Bilder der Produkte von den Fotografen bekommen und haben damit die Produkte in Szene gesetzt. Es ging zum Beispiel darum, wo das Model für die neue Sommermode auf der Seite platziert wird, wo ein Produkt und der zugehörige Text stehen. So einstanden Kataloge mit 1000 Seiten.


Michael Otto mit Entwürfen aus Nachwuchswettbewerben

Foto: Kreutzer


Münzen-Online: Wie damals gearbeitet wurde, ist ja heute kaum noch bekannt..


Michael Otto: Was heute digital bearbeitet wird, lief damals rein analog. Mein Vater hatte einen großen Apparat, der hieß Opticar. In den konnte man Fotos legen, um sie auf eine Glasscheibe zu projizieren. Die Konturen wurden mit Transparentpapier nachgezeichnet. Für den fertigen Entwurf mussten mehrere Lagen Transparentpapier übereinandergelegt werden. Man konnte verschieben, verkleinern. Daraus ist die heutige Layertechnik entstanden, die für Software wie Photoshop verwendet wird. In der Produktion der Warenkataloge hat mein Vater das Gestalten gelernt. Die Seiten mussten grafisch so gefüllt werden, dass das Erzeugnis für den Betrachter interessant erscheint.


Faschingsplakat

Foto: Kreutzer


Münzen-Online: Wann hat ihr Vater seine erste Münze entworfen?


Michael Otto: Ich glaube, das ist Ende der siebziger Jahre gewesen. Er war damals noch bei der Firma Schwab. Ein Kollege hat ihm einen Ausschreibungstext aus einer Zeitung gegeben: Schau mal, Herwig, hier ist etwas für Dich. So liefen damals die Münzwettbewerbe. Sie wurden offensichtlich über Zeitungen publik gemacht. In diesem Fall ging um einen Entwurf für das Fünf-Mark Stück zum 150. Jahrestag des Deutschen Archäologischen Instituts (1979). Mein Vater nahm teil und hat einen vierten Platz belegt. Damit ist er in die Künstlerkartei gekommen und wurde daraufhin immer wieder angeschrieben. Er hatte leider nur zweimal das Glück, den ersten Preis zu erringen. Die Gedenkmünze zu fünf Mark anlässlich des Europäischen Jahres der Musik (1985) ist von ihm, ebenso jene zu 100 Jahren Hamburger Elbtunnel (2011). Er war mein bester Lehrmeister, was Grafik und Ideen angeht.


Schatulle mit 15 Silbermedaillen zum Stadtjubiläum von Frankfurt/Main (1994)

Bildquelle: Silberkammer Frankfurt


Münzen-Online: Warum hat er eine eigene Firma gegründet?


Michael Otto: Die Firma Schwab ist verkauft worden. Die neuen Eigentümer stellten meinen Vater vor die Wahl, mit nach Hamburg zu gehen oder das Unternehmen zu verlassen. Vater hatte gerade in Rodenbach gebaut. Er wollte also hier bleiben. Er ist also gezwungenermaßen selbstständig geworden. Er hat ein breites Profil gehabt, auch Orden und Medaillen entworfen. Er hat nicht nur gezeichnet, sondern auch die Prägewerkzeuge entworfen. Mein Vater wusste, was es bedeutet, einen zeichnerischen Entwurf in Metall umzusetzen. Wenn Sie einen flächigen Entwurf in die dritte Dimension bringen, haben Sie ja Licht- und Schattenwirkung. Als ausgebildeter Stahlgraveur konnte er aber damit umgehen, beherrschte auch die Praxis an den Prägewerkzeugen. Er hat händisch und mit zwei alten Graviermaschinen, Meißel, Stichel und Punzen fantastische Leistungen hervorgebracht.


Wettbewerbsentwurf zu Industrielandschaft Ruhrgebiet (2003)

Bildquelle: GeldKunst-KunstGeld


Münzen-Online: Entstanden über die Jahre viele Medaillen?


Michael Otto: Im Jahr 1990 kamen wir mit einer großen deutschen Münzhandelsgesellschaft in Kontakt. Daraufhin bekamen wir Aufträge für sehr schöne Medaillenserien, beispielsweise zu 1200-jährigen Jubiläum von Frankfurt/Main. Über 40 Medaillen zu verschiedenen Ereignissen und Bauwerken entstanden. Drei Jahre haben wir daran gearbeitet. Die Themen reichten von Karl dem Großen, der die Frankenfurt gründete, bis zur modernen Skyline. Eine andere Serie beschäftigte sich mit den großen deutschen Erfindern. Eine Medaille war Fritz Bauer gewidmet, der das erste U-Boot gebaut hat, eine andere Werner von Siemens mit seiner ersten Elektrolok. Eine weitere Serie erschien zur Bewerbung von Belin um die Olympischen Spiele des Jahres 2000. Als Sydney den Zuschlag bekam, verschwanden die allerdings von einem Tag auf den anderen. Auch Münzen haben wir entworfen. Die Entdecker waren da ein großes Thema, auch Schiffsmodelle oder Piraten. Viele Münzen hatten Motive, etwa Elefanten für Malawi, oder die Flora und Fauna unter Wasser für Niue.



10 Euro (200. Geburtstag von Semper, Deutschland, 2003, 925er Silber, 18 Gramm, 32,5 mm)

Bildquelle: Münzen Engel


Münzen-Online: Was war das künstlerisch ausgereifteste Motiv aus dieser Zeit?


Michael Otto: Das war die Unterwasserlandschaft für Niue. Dabei waren drei Stück zu einer Landschaft zusammenzubauen, mit Fischen, Korallen und anderen Elementen. Aber auch die Porträts in der Medaillenserie über die Erfinder waren sehr schön, beispielsweise jenes für Mercator. Der Entwurf dafür hat viel, viel Arbeit gekostet. Man braucht ja zunächst Bildmaterial, um sich inspirieren zu lassen. In diesem Stadium des Entwurfs finde ich es schön, mich umzuschauen, zu blätteren: Wie haben andere Leute gedacht? Manchmal sehe ich ein Plakat zu einem ganz anderen Thema, in dem ein interessanter Ansatz steckt. Dann denke ich: Dass könnte ich aufgreifen!


10 Euro (200. Geburtstag von Bismarck, Deutschland, 2015, 625er Silber, 16 Gramm, 32,5 mm)

Bildquelle: MA-Shops, Münzzentrum Duerr


Münzen-Online: Wie kamen Sie den Wettbewerben für Gedenkmünzen?


Michael Otto: Zunächst habe ich an den Entwürfen meines Vaters mitgewirkt. Er hat dann die Entwürfe gemacht. Die Computerbearbeitung war mein Part. Nach einiger Zeit Ich habe mich im Wettbewerb unter eigenem Namen beworben. Mein. Einstieg war die Sammlermünze zur Industrielandschaft Ruhrgebiet (2003). Im Wettbewerb habe ich den zweiten Platz belegt. Ich hatte eine Perspektive vom Förderturm gewählt, im Vordergrund ein großen Rad, dahinter die Industrielandschaft. Als ob man auf dem Turm steht auf das Industriegebiet herunter schaut Das große Rad war der grafische Aufmacher. Der Adler auf der Rückseite sah aus wie ein großes Schwungrad. Eine solche Wiederholung dekorativer Elemente von der Vorderseite ist heute übrigens nicht mehr üblich.


100 Euro (Faust, Deutschland, 2023, 999er Gold, 15,5 Gramm, 28 mm)

Bildquelle: Bundesverwaltungsamt


Münzen-Online: In welchem Wettbewerb steckt das meiste Herzblut von Ihnen?


Michael Otto: Die goldene Sammlermünze mit dem Motiv des Faust (2023) war schon eine ziemlich heftige Geschichte. Da saß ich sehr lange dran. Es ist schwierig, den Entwurf so auszuarbeiten, so dass ich selbst damit zufrieden bin. Eine ziemlich heftige Sache war auch die silberne Sammlermünze zum 200. Geburtstag von Otto von Bismarck (2015). Da gab es viel Kritik wegen seines angeblich aufgeschnittenen Gesichtes. Für den Entwurf hatte ich ein Schwarzweiß-Bild vor Augen, bei dem eine Hälfte des Gesichtes im Dunkeln liegt. Bismarck war ja eine zerrissene Persönlichkeit. Er war bestimmt kein Sozialist, hat aber das deutsche Sozialwesen geschaffen. Mit dem Gesicht, das sich im Dunklen verliertes Gesuchtes habe ich die Zerrissenheit ins Bild bringen können. Einige Leute lästerten dann, ich hätte das Bild nur halb fertig abgeliefert. Das musste ich eben aushalten. Ab und zu muss man für einen möglicherweise zukunftsträchtigen Ansatz etwas Mut aufbringen.



2 Euro (Mecklenburg-Vorpommern, Deutschland, 2024, Bimetall, 8,5 Gramm, 26 mm)

Bildquelle: Meine Münze


Münzen-Online: Was war der letzte Wettbewerb, den Sie gewonnen haben?


Michael Otto: Unter den bereits erschienen Münzen ist es jener für die Zwei-Euro-Münze zu Mecklenburg-Vorpommern (2024). Sie zeigt den Königsstuhl mit dem ikonischen Kreidefelsen. Unter denen, die in Vorbereitung sind, ist es der Aachener Dom, ebenfalls auf einer Zwei-Euro-Münze (2027). Ich habe zwei Entwürfe eingereicht. Beide haben mir sehr gut gefallen. Der gestalterischer Ansatzpunkt für den preisgekrönten Entwurf war ein Foto, das ich in einer alten Ausgabe des Magazins Prägefrisch gefunden habe. Diese Darstellung passte für mich am besten. Bei Gebäuden kommt es für mich immer auf die Schokoladenseite an. Ich habe eine Perspektive gewählt, in der man auf den Dom zuläuft. Dadurch entsteht eine Tiefenwirkung. Den Dom darzustellen, auch in seinen Feinheiten, war schwierig. Ich fragte mich: Was stelle ich dar, was lasse ich weg? Man ist geneigt, sich bei einem großen Motiv in Details zu verlieren, die auf einer kleinen Münze gar nicht zu erkennen sind.


Das Interview führte Dietmar Kreutzer



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