In der Diskussion: Sämtliche Goldreserven nach Deutschland?
- Dietmar Kreutzer
- 6. Juli
- 4 Min. Lesezeit
Aktualisiert: 10. Juli
Am 24. Juni stellte die Berliner Zeitung unter der Überschrift "Goldbarren zurückholen?" fest, dass ein Drittel der deutschen Reserven in den Tresoren der New Yorker Zentralbank liege: "Deutschland verfügt über die zweitgrößten Goldreserven weltweit und lagert zurzeit etwa 37 Prozent davon - rund 1.236 Tonnen im Wert von mehr als 100 Milliarden Euro - bei der US-Notenbank in New York ein. Angesichts wachsender geopolitischer Spannungen und neuer Angriffe von Donald Trump auf die Unabhängigkeit der Fed wächst der Druck auf die Bundesbank, dieses Gold - oder zumindest einen Teil davon - zurückzuholen." (1) Politiker wie Peter Gauweiler (CSU), Fabio de Masi (ehemals Linke, nun BSW) fordern, dieses Gold nach Europa oder Deutschland zu verlagern. Der AfD-Bundestagsabgeordnete Peter Boehringer stellt dabei nicht allein auf US-Präsident Trump ab, führt grundsätzliche Erwägungen ins Feld: Gold ist für Zentralbanken ein letztes Gut und muss daher ohne Risiko Dritter gelagert werden." In Zeiten großer Not sei "nicht nur der rechtliche Besitz, sondern die physische Kontrolle über das Gold entscheidend". (2) Sind derartige Argumente faktisch fundiert?

Vitrine der Sonderausstellung "Gold. Schätze der Deutschen Bundesbank" (2018)
Ein Blick in die Geschichte hilft. Bis vor etwa zehn Jahren gab es kaum offizielle Informationen zu den deutschen Goldreserven. Interessenten mussten sich an "Fachbücher" wie Das geheime Wissen der Goldanleger von Bruno Bandulet halten. Dort hieß es, dass die Währungsordnung der Nachkriegszeit (Bretton Woods, 1944) die Feinunze Gold mit 35 Dollar bewertete. Überschüsse im Außenhandel konnten zu diesem Preis in Gold konvertiert werden: "Die Goldeinlösungspflicht bezog sich ausschließlich auf den Verkehr zwischen den Zetralbanken des Bretton-Woods-Systems: Sie konnten jederzeit ihre Dollar-Guthaben in Washington vorlegen und dafür Gold kassieren, denn der Dollar war schließlich goldgedeckt." (3) Mit den zunehmenden Defiziten im Außenhandel verloren die USA aber einen Großteil ihrer Goldreserven, die exportstarken Deutschen gewannen jedoch seit den 1950er Jahren sukzessive Gold hinzu. Das wurde jedoch nicht nach Deutschland verbracht. In einem Buch von David Marsh aus dem Jahr 1992 heißt es: "Unter den führenden Zentralbanken mit Goldbesitz ist die Bundesbank die einzige, die nur einen kleinen Teil ihrer Goldbarren auf eigenem Gelände aufbewahrt. In den Tresorräumen in Frankfurt liegen nur etwa 80 Tonnen, d.h. knapp über zwei Prozent des Gesamtgoldes. Der Rest ist auf die Tresore anderer Zentralbanken, der Federal Reserve Bank in New York, der Bank of England und zu einem kleineren Teil auch der Banque de France verteilt." (4) Skeptiker fürchteten, dass das deutsche Gold einem Terroranschlag zum Opfer fallen könnte.

Früher Standardgoldbarren zu 12,5 Kilogramm
im Geldmuseum der Deutschen Bundesbank
Tatsächlich befanden sich bis vor 30 Jahren lediglich 77 Tonnen der deutschen Goldreserven in Deutschland. Als die Bank of England im Jahr 1997 ihre Lagergebühren erhöhte, wurden jedoch 930 Tonnen des dort lagernden Goldes nach Frankfurt am Main überführt. In der Finanzkrise von 2008 ist Gold als Vermögenswert international wieder in den Fokus gerückt. Von der Deutschen Bundesbank wurde mehr Transparenz erwartet. Zur Vertrauensbildung gab die Bank im Herbst 2012 die Goldmengen bekannt, die sich in ihren vier Lagestellen befanden: "Es handelte sich zum Bilanzstichtag 31. Dezember 2011 um 3.396 Tonnen Gold im Wert von 132,8 Milliarden Euro. Zum damaligen Zeitpunkt wurden 1.036 Tonnen in eigenen Tresoren in Frankfurt am Main, 374 Tonnen bei der Banque de France in Paris, 450 Tonnen bei der Bank of England in London und 1.536 Tonnen bei der Federal Reserve Bank of New York verwahrt." (5) Im November 2012 verabschiedete die Bundesbank ein neues Lagerstättenkonzept. Die Hälfte des Goldes sollte künftig in Deutschland aufbewahrt werden. Wegen der gemeinsamen Währung in der Europäischen Union war eine Lagerstelle bei der Banque de France entbehrlich. Die Goldbestände in New York wurden überdies für zu hoch befunden. Bis 2017 sind infolgedessen 374 Tonnen aus Paris und 300 Tonnen aus New York nach Frankfurt/Main überführt worden.


Buchpublikation der Bundesbank (2018)
Nachdem diese Verlagerungen abgeschlossen waren, befanden sich etwa 137.000 Goldbarren mit einem Standardgewicht von 12,5 Kilogramm in den Tresoren der Bundesbank . Nach dem aktuellen Lagerstellenkonzept werden weitere Korrekturen nicht für sinnvoll gehalten. Das Konzept orientiert sich an Sicherheit, Liquidität und Kosteneffizienz. Das im Ausland lagernde Gold wird als sicher eingestuft. Nach den Grundsätzen des Völkerrechts sind Währungsreserven, zu denen auch Goldreserven zählen, vor Zugriffen der Vollstreckungsorgane des jeweiligen Gastlandes geschützt. Diese Regelung schützt freilich nicht vor einem Embargo wie aktuell gegen Russland, bei dem Auslandswerte übergangsweise "eingefroren" werden. Ein Vorrat am Goldhandelsplatz London, dem weltgrößten für Gold und auf Gold basierenden Elementen, wird für eine eventuell notwendige Veräußerung von Reserven als sinnvoll erachtet. Eine Präsenz am Handelsplatz New York mit der weltgrößten Edelmetallterminbörse COMEX wird ebenfalls für unentbehrlich gehalten. Über die Lagerstelle könnten Goldreserven im Notfall temporär für ausländische Devisen verpfändet werden: "Diese könnten beispielsweise für die Zahlung von Verbindlichkeiten des deutschen Staates verwendet werden." (6)
Text und Fotos: Dietmar Kreutzer
Quellenangaben:
(1) Berliner Zeitung, 24.06.2025, S. 15
(2) Ebenda
(3) Bruno Bandulet: Das geheime Wissen der Goldanleger; Rottenburg 2010, S. 32
(4) David Marsh: Die Bundesbank - Geschäfte mit der Macht; München 1992, zit. nach Bandulet, S. 147
(5) Das Gold der Deutschen; Frankfurt/Main 2018, S. 10
(6) Ebenda, S. 132
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