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Michael Kurt Sonntag

Die Tetradrachmen Ptolemaios' I. Soter

Nach dem Tode Alexanders des Großen (10. Juni 323 v. Chr.) in Babylon sprach die Heeresleitung dem ehemaligen Leibwächter, General und Hofmarschall Alexanders, Ptolemaios, die Satrapie Ägypten, die Kyrenaia und das an Ägypten angrenzende „arabische Gebiet“ zu. Da in allen Satrapien des Alexander-Reichs das Reichsgeld Alexanders umlief, beließ es zunächst auch Ptolemaios dabei und verausgabte 323/22 v. Chr. silberne Alexander-Tetradrachmen im Namen Alexanders. Diese zeigten vorderseitig den Kopf des Herakles-Alexander im Skalp des Nemeischen Löwen und rückseitig den thronenden Zeus mit Langzepter in der Linken und Adler auf der Rechten.

Als Beizeichen erscheint auf der Rückseite dieser ersten ptolemaiischen Tetradrachmen der Widderkopf des Amun-Re mit doppelt gefiederter Krone. In den meisten Münzkatalogen vor 2018 wird dieses Beizeichen als gekrönter Kopf des ägyptischen Gottes Chnum interpretiert, der Schöpfergott, Hüter der Nilquellen und Spender der Fruchtbarkeit war. Aber bereits um 320/19 v. Chr. schritt Ptolemaios daran, neue ikonographisch veränderte Silbermünzen auszugeben. Ganz genau betrachtet, waren diese Tetradrachmen nur zur Hälfte neu, da sie die alte Rückseite beibehielten und lediglich die Vorderseite völlig neu gestaltet wurde.

Aber was bezweckte Ptolemaios mit dem veränderten Aussehen der Münzen? Wollte er damit etwa Alexander so schnell wie möglich aus dem Gedächtnis seiner Untertanen tilgen? Nein, im Gegenteil, was er damit erreichen wollte, war im Prinzip dasselbe wie mit der „Entführung“ des Leichnams von Alexander (321 v. Chr.), nämlich eine noch glaubhaftere Legitimierung seiner Herrschaft durch die „Anbindung“ an die „Person“ Alexanders. Betrachtet man die Vorderseite dieser neuen Münzen etwas eindringlicher, so erkennt man sehr leicht, dass es sich bei dem Abgebildeten um niemand Geringeren handelt, als um den „vergöttlichten Alexander“. Allerdings trägt Alexander, der sich uns hier an Hand der kleinen Widderhörnchen als Sohn des Zeus Ammon bzw. des Amun-Re offenbart, eine Elefanten-Exuvie und eine Ägis. Zusätzlich trägt der große König über der Stirn die Binde des Dionysos. Denn dem Mythos nach galten beide, sowohl Alexander als auch Dionysos, als die Eroberer Indiens. Neben Alexander und Dionysos kannte die Antike auch noch den ägyptischen Gott Osiris als Indien-Sieger. „Nach Diodors Lesart drang Osiris als erster bis nach Indien vor und zivilisierte den Subkontinent“ (Michael Pfrommer, Alexandria: Im Schatten der Pyramiden, Mainz 1999, S. 51). Jahrtausende danach eroberte dann Dionysos Indien und in historischer Zeit schließlich Alexander. Da Alexander, zu dem Zeitpunkt als er Indien erreichte, bereits ägyptischer Pharao, also bereits Sohn des Osiris war, wiederholte er mit seinem Indien-Sieg nur die früheren Triumphe von Osiris und Dionysos. „Die Geschichte hatte den Mythos eingeholt. Zugleich verdeutlicht der Gleichklang Osiris-Dionysos-Alexander, auf welch überzeitliche Ebene man die Alexandersiege stellte.“ (Pfrommer, ebenda). Vergegenwärtigt man sich zudem, dass die Münze auch einen eindeutigen Bezug zum ägyptischen Amun-Re herstellt, dann ließe sich der erwähnte Gleichklang sogar auf die Formel Osiris-Dionysos-Zeus-Amun-Re-Alexander bringen. Die so betriebene Apotheose Alexanders seitens des Ptolemaios hatte also Methode und gehörte zum Kern der ptolemaiischen Propaganda. Denn je weiter Alexander in den Augen der ptolemaiischen Untertanen vom Menschen zum Gott entrückte, um so größer das Ansehen des Ptolemaios und die Akzeptanz seiner Herrschaft. War er doch dann sowohl Freund, General, Leibwächter und Hofmarschall eines „Gottes“ gewesen, als auch legitimer Nachfolger dieses Gottes. Später, nach Catharine C. Lorber um 312/11 v. Chr., gestaltete man auch die Rückseite dieser Münze so um, dass bis auf den Namenszug ALEXANDROU, den man nach wie vor beibehielt und der ([Münze] des Alexander) bedeutet, nichts mehr an ihr dem ehemaligen Vorbild entsprach.

Was diese Änderung des Rückseitenbilds angeht, so diente auch sie indirekt der weiteren Festigung der ptolemaiischen Herrscherlegitimität. Die dort Dargestellte, war nämlich „Athena Alkidemos“, die den Staat schützende Athena bzw. „Athena Promachos“, die vorkämpfende Athena, die sowohl in Makedonien als auch in Ägypten verehrt wurde. In Ägypten wurde diese mit der ägyptischen Göttin Neith gleichgesetzt. „Und da Neith als Schutzherrin des Pharao fungierte, war das Athena-Neith-Motiv auch aus dem Blickwinkel eines Ägypters durchaus plausibel, schützte sie doch den König auf der Vorderseite“ (Pfrommer, ebenda, S. 52). Nach der Niederlage des Ptolemaios in der Schlacht bei Salamis auf Zypern (306 v. Chr.) und dem Verlust Zyperns, wurde der Gewichtsstandard der Tetradrachmen von 17,20 g auf 15,70 g reduziert. „Following his defeat in the battle of Salamis and his loss of Cyprus with most of his fleet, Ptolemy … reduced the weight standard of his tetradrachms … from 17,20 g to 15,70 g.“ (Catharine C. Lorber, Coins of the Ptolemaic Empire, Part I, Volume I, New York 2018, S. 260). Die Bildmotive der Vorder- und Rückseite behielt man, von minimalsten Veränderungen abgesehen, aber bei.

Im Anschluss an den Sieg bei Salamis hatten sich der Satrap Antigonos Monophthalmos und sein Sohn Demetrios Poliorketes, der Sieger von Salamis, das Diadem umgebunden und sich zu Königen erklärt. Dass der Satrap Ägyptens dasselbe tat, um aller Welt zu beweisen, dass er diese Könige nicht als eine ihm übergeordnete Instanz anerkannte und schon gar nicht als die rechtmäßigen Erben Alexanders des Großen, entspricht ganz eindeutig den historischen Fakten. Weniger eindeutig geklärt ist jedoch die Frage, wann sich Ptolemaios seinerseits das Diadem umband und sich in Memphis als Ptolemaios I. zum Pharao krönen ließ. „Vielleicht – à la mode grecque – im J[ahr] 306, wie anscheinend aus zenonischen (?), diodorischen, plutarchischen und appianischen Texten zu ersehen ist. Vielleicht – à la mode égyptienne – erst zu Beginn des Jahres 304, wie aus urkundlichen Texten zu erschließen sein dürfte.“ (Werner Huß, Ägypten in hellenistischer Zeit: 332-30 v. Chr., München 2001, S. 191). Da die meisten Historiker in dieser Frage anscheinend griechischer und nicht ägyptischer Chronologie gefolgt sind, findet sich auch bei den meisten von ihnen das Jahr 306/305 v. Chr. als das Jahr, in dem sich Ptolemaios das Diadem umband und sich zum Pharao krönen ließ. Um 294 v. Chr. oder kurz darauf, so Catharine C. Lorber, verausgabte König Ptolemaios I. Soter erstmals Tetradrachmen mit seinem diademierten Porträt auf der Vorderseite und dem auf einem Blitzbündel stehenden Adler des Zeus, der bis dahin nur Beizeichen gewesen war, auf der Rückseite.

Gleichzeitig senkte er den Gewichtsstandard der Tetradrachmen von 15,70 g auf 14,90 g und dann nur kurze Zeit später noch einmal auf 14,26 g. Dass Ptolemaios sein Geld durch die erwähnten Gewichtsreduktionen vom attischen Standard abkoppelte, der seit der Zeit Alexanders des Großen im gesamten ehemaligen Alexanderreich im Gebrauch war, ist offensichtlich. Auf die Frage warum er dies tat, ist unterschiedlich geantwortet worden. So nahm man vielfach an, Ptolemaios habe sich mit den Änderungen den rhodischen und den phönikischen Markt erschließen wollen; deshalb die Reduktionen auf ca. 15,70 g (sogenannter rhodischer Standard) und auf 14,26 g (sogenannter phönikischer Standard). Aber diese These ist aus mehreren Gründen nicht überzeugend: 1. entsprachen die ptolemaiischen Standards nie exakt den beiden anderen, sondern nur annähernd – „und annähernd gleiche Standards sind in der Parxis des Handels eher noch hinderlicher als deutlich verschiedene Standards“ (Huß, ebenda, S. 219); 2. kennen wir im damaligen Wirtschafts- und Handelsraum keinen Münzfuß von 14,90 g und damit auch keinen Standard, dem man sich mit diesem Gewicht hätte annähern wollen und 3. besaß man ja im gesamten ehemaligen Alexanderreich also auch in Phönikien und dem Seleukidenreich schon lange ein und denselben Standard – den attischen. Hätte Ptolemaios folglich den Handel mit diesen Regionen erleichtern und intensivieren wollen, dann hätte er ganz einfach nur beim attischen Standard bleiben müssen. Eine andere These zur Erklärung der Gewichtsabsenkungen bei ptolemaiischen Münzen stützt sich auf die Beobachtung, dass der Wert des Goldes zwischen ca. 310 und ca. 260 v. Chr. im Vergleich zu dem des Silbers kontinuierlich gestiegen sei. Während dieser Zeit habe sich das Wertverhältnis zwischen Gold und Silber von 10 : 1 bis auf 13 : 1 verändert. Eine Gewichtsreduktion bei den Silbermünzen habe nur dieser Entwicklung Rechnung tragen sollen. Bleibt allerdings die Frage, warum die übrigen hellenistischen Monarchien auf die veränderte Gold- und Silberrelation nicht in der gleichen Weise reagierten und alles beim alten – sprich beim attischen Standard beließen? Die überzeugendste Erklärung für die Gewichtsreduktion der ptolemaiischen Münzen scheint der Historiker und Hellenismus-Experte Werner Huß zu liefern, der die Ursachen hierfür in der Wirtschaftspolitik des ptolemaiischen Königreichs sieht. Verweist er doch auf einen schriftlichen Beleg aus dem Jahre 258 v. Chr. (einen Brief des Münzdirektors Demetrios von Alexandria an Apollonios, den dioiketes des Reichs) aus dem ganz eindeutig hervorgeht, „daß zu dieser Zeit ausländische Kaufleute nur gegen ptolemaiisches Geld in Alexandria oder in Ägypten Waren kaufen konnten“ (Huß, ebenda, S. 220). Aber verfolgte bereits Ptolemaios I. eine solch rigorose monopolistische und merkantilistische Wirtschafts- und Handelspolitik, die nur darauf ausgerichtet war, möglichst viel Gold aus dem Ausland in die Kassen des Königs zu bringen? Huß dazu wörtlich: „Es scheint so; denn wir müssen feststellen, daß nach dem letzten Jahrzehnt des 4. Jh. anscheinend keine ausländischen Silbermünzen mehr ins Land gekommen sind. ... Der König erzielte bei diesem Verfahren ein beträchtliches Agio. Der Kaufmann, der beispielsweise in der Zeit nach der dritten Reduktion für 1 attische Tetradrachme (17,15 g) 1 ptolemaiische Tetradrachme (14,25 g) eintauschte, ja eintauschen mußte, verlor bei diesem Geschäft 2,90 g (=16,91 %) – 2,90 g, die in der Kasse des Königs einen hellen Klang gaben!“ (Huß, ebenda, S. 220 f.).

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