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Dietmar Kreutzer

Die Münzen und Medaillen von Adolph Weinman

Die Skulpturengruppe „Riders of the Dawn“ (1942) von Adolph Weinman in den Bookgreen Gardens (US-Bundesstaat South Carolina) steckt voller Dramatik. Zwei Pferde richten sich in einer Welle flachen Wasser auf, stürmen mit gespannten Vorderläufen voran. Mit wehendem Schweif und aufgerissenem Maul sie setzen sich gegen die Elemente zur Wehr. Der Reiter des linken Tieres lehnt sich zurück, um den Bogen für einen Pfeil zu spannen. Der andere wendet sich zur Seite, setzt eine Fanfare an. Die „Reiter der Morgenröte“ wirken wie eine Figurengruppe aus dem Barock. Sie strotzen vor Kraft und Leidenschaft. Ganz anders die Skulptur von Abraham Lincoln (1909) in Hodgenville (Kentucky). Auch sie hat Adolph Weinman geschaffen. Der Präsident sitzt in einem Sessel, wirkt ruhig und kraftvoll. Eine Hand greift nach der Armlehne des Stuhls, während die andere lässig ruht.


Anhand der beiden überdimensionalen Plastiken wird klar, dass sich Weinman (1870-1952) vor allem als Bildhauer sah. Der Künstler wurde in Durmersheim bei Karlsruhe geboren. Im Alter von 14 Jahren kam er mit seiner Mutter in die USA. Kurz darauf besuchte der Junge erste Kurse an der Kunstschule, studierte später in der Art Students League in New York bei den Bildhauern Augustus Saint-Gaudens und Philip Martiny. Nach einer Zeit der Assistenz bei verschiedenen namhaften Bildhauern eröffnete Weinman 1904 ein eigenes Studio. Plastiken und plastische Bildwerke von seiner Hand finden sich an mehreren Regierungsgebäuden der US-Bundesstaaten, am Jefferson Memorial und im Inneren des Obersten Gerichtshofs der USA in Washington. Auch am Elks National Veterans Memorial in Chicago war er beteiligt.


Der Verkauf kleiner Bronzekopien seiner Plastiken verschaffte dem Künstler ein regelmäßiges Einkommen. Stilistisch verstand er sich als Neoklassizist, der sich aber gern von modernen Stilrichtungen beeinflussen ließ. So zeigt die Bronzestatuette „The Nude Golfer“ (1901) schon Anklänge des Art Deco. Seine Aktstatuen von Athleten, darunter auch die Skulpturengruppe „Riders of the Dawn“, lassen auf ein genaues Studium von Anatomie und Bewegung schließen.


Für das Medium der Medaille erwärmte sich Weinman infolge der World’s Colombian Exposition von 1893 in Chicago. Dort sah er einen ganzen Raum mit Arbeiten europäischer Medailleure. Im Jahre 1896 porträtierte er seine Mutter, danach entstanden zwei Kinderporträts. Einer seiner frühesten Medaillenaufträge war der für die Louisiana Purchase Exposition von 1904. Das Stück zeigt auf der Vorderseite die Columbia als Symbol für die Vereinigten Staaten und neben ihr eine Jungfrau für das Louisiana Purchase Territory. Auf der Rückseite prangt ein Adler, der eine Schrifttafel hält.

Ein besonders gelungenes Exemplar ist die Verdienstmedaille der Kommunikationsgesellschaft AT&T von 1922. Drei plastische Figuren auf der Vorderseite stehen für die verbindende Bedeutung des Telefons. Die bekleidete Frau in der Mitte repräsentiert den Dienst selbst. Der nackte Recke zu ihrer Rechten ist ein Symbol für die Loyalität und ein weiterer zur Linken für die Hingabe an den Dienst. Alle drei halten ein Telefonkabel. So verdeutlichen sie Kommunikation. Die Medaillen in Gold, Silber und Bronze wurden von regionalen Telefongesellschaften verliehen. Weinman entwarf viele derartige Medaillen. Über 40 Jahre lang blieb er einer der führenden Medailleure der Vereinigten Staaten. Eine seiner letzten Werke: „Genesis“ – die 39. Medaille der Society of Medalists (1949).

Die größte Breitenwirkung erzielten jedoch die Münzen, die Weinman entwarf. Im Jahr 1915 hatte Robert Woolley, der Direktor der United States Mint einen Wettbewerb zur Neugestaltung silberner Kursmünzen zu 10, 25 und 50 Cent ausgeschrieben. Eine mit der Auswahl beauftragte Kommission lud Adolph Weinman, Hermon McNeal und Albin Polasek ein, ihre Entwürfe vorzulegen. Weinman setzte sich beim „Dime“ zu 10 Cents mit einem geflügelten Porträt und beim „Half Dollar“ mit einer schreitenden Frauenfigur durch. Den Ausscheid für den Vierteldollar entschied Hermon McNeal für sich.

Die Vorlagen für die Motive von Weinman sind durch eine reale Person inspiriert: Elsie Kachel Stevens. Der Dichter Wallace Stevens und seine Frau Elsie waren Mieter von Adolph Weinman in der West 21st Street in New York City. Im Jahr 1913 modellierte Weinman die attraktive Frau. Die Münze zu 10 Cent zeigt ein Porträt von Elsie mit einer phrygischen Mütze als Symbol für die Freiheit. Wegen der Ähnlichkeit mit einer Darstellung des Gottes Merkur bürgerte sich allerdings der Begriff „Mercury Dime“ ein. Die schreitende Frauenfigur auf dem Half Dollar ist ebenfalls der schönen Elsie Kachel Stevens nachempfunden. Das Motiv wurde über 30 Jahre eingesetzt. Von Kunsthistorikerinnen und Kunsthistorikern als eines der schönsten US-Münzmotive gerühmt, erlebte es 1986 eine Renaissance: Der Silver Eagle, eine Anlagemünze mit dem Gewicht einer Feinunze Silber wurde mit dem Motiv versehen.



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