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Die Frauen-Porträts auf den Münzen von Metapontion

Das unweit von Herakleia in Lukanien gelegene Metapontion (s. Karte), wurde bereits um 700 v. Chr. von Achaiern unter Beteiligung von Sybaris gegründet. Als Gründerheroen gelten Metabos und Leukippos. Eine Silbermünzprägung setzte in dieser Polis bereits ab der Mitte des 5. Jahrhunderts v. Chr. ein, allerdings wurden zwischen 540 und 440 v. Chr. nur große Mengen an inkusen Nomoi geprägt, die vorderseitig eine erhabene Gerstenähre und rückseitig eine inkuse Gerstenähre tragen.


Die Kolonisierungsbewegung der Achaier. Bildquelle: Asia - Own work, CC BY-SA 4.0, https://commons.wikimedia.org/w/index.php?curid=57780810.


Die Ähre war das Attribut der Ackerbaugöttin Demeter und das Wappen Metaponts, da diese Polis ein reiches landwirtschaftliches Hinterland besaß. Zwar blieb dies Wappen auch nach 440 v. Chr. erhalten, doch trat in klassischer und frühhellenistischer Zeit, d.h. ab 440 v. Chr., ein großes Repertoire an Götter- und Heroenbilder hinzu. Doch wenngleich auch Gottheiten wie Zeus, Apollon, Athena, Dionysos oder Pan und Heroen wie Leukippos oder Herakles die Vorderseiten zahlreicher Nomoi schmückten, so war Demeter doch die Gottheit, die die meisten Nomoi zierte (Abb. 1 und 2).


Abb. 1: Metapontion (Lukanien). Nomos/Tridrachmon im achaiischen Münzfuß (um 340–330 v. Chr.). Silber, 7,31 g, Ø Höhe Vs. 22 mm, Münzstätte Metapontion. Foto: Leu Numismatik AG, Auktion 13 (27. Mai 2023), Los 7.


Abb. 2: Metapontion (Lukanien). Nomos/Tridrachmon im achaiischen Münzfuß (um 330–290 v. Chr.). Silber, 7,97 g, Ø Höhe Rs. 20 mm, Münzstätte Metapontion. Foto: Leu Numismatik AG, Web Auction 19 (26. Februar 2022), Los 63.


Vergleicht man diese Demeterporträts etwas eingehender miteinander, so lassen sich trotz Motivgleichheit – in beiden Fällen trägt Demeter einen Ährenkranz im Haar, dreifaches Ohrgehänge und Perlenhalskette – Unterschiede ausmachen. Unterschiede, die zum einen stilistischer Natur sind, zum anderen aber auch darauf zurückzuführen sind, dass der Name der Göttin beispielsweise bei der Münze aus Abb. 1 vor dem Gesicht als Umschrift "ΔΑΜΑΤΗΡ" erscheint und in Abb. 2 völlig fehlt. Aus diesen beiden Demeterdarstellungen nun aber zu schließen, alle Nomoi mit Demeter hätten so ausgeschaut, wäre irrig, denn es gab in Metapontion tatsächlich auch andere Porträts dieser Göttin. Porträts auf denen sich nicht nur die Länge der Haare oder die Größe der Kränze unterschieden, sondern auch solche auf denen die ährenbekränzten Haare im Nacken hochgenommen oder eingerollt sind und ebenso solche auf denen die unbekränzten Haare durch eine Sphendone (Abb. 3) oder durch eine sternengeschmückte Ampyx (Abb. 4) festgehalten werden.


Abb. 3: Metapontion (Lukanien). Nomos/Tridrachmon im achaiischen Münzfuß (um 400–340 v. Chr.). Silber, 7,92 g, Ø Höhe Vs. 21 mm, Münzstätte Metapontion. Foto: MA-Shops, Munthandel G. Henzen, NL (April 2024).


Abb. 4: Metapontion (Lukanien). Nomos/Tridrachmon im achaiischen Münzfuß (um 375–350 v. Chr.). Silber, 7,74 g, Ø Höhe Vs. 19 mm, Münzstätte Metapontion. Foto: MA-Shops, Munthandel G. Henzen, NL (April 2024).


Diese kranzlosen Porträts, die sich so gar nicht in das Repertoire der unzähligen übrigen bekränzten Demeter-Abbildungen einfügen wollen, und heute sehr selten bis äußerst selten sind, verdanken ihre Existenz der Tatsache, dass sie keine originalen metapontischen Schöpfungen sind, sondern von syrakusanischen Tetradrachmen entlehnt wurden. Bedenkt man, dass die syrakusanischen Münzen die Quellnymphe Arethusa darstellen, dann wirkt es nicht unbedingt schlüssig, in diesen metapontischen Nomoi nun Demeter erkennen zu wollen, zumal das Hauptattribut der Getreidegöttin, die Ähre, in Metapontion die Gerstenähre, auf diesen Göttinnenköpfen fehlt. Wenn das Gros der Numismatiker hierin aber dennoch Demeter sieht, dann vermutlich deshalb, weil sie die Gottheit war, die in Metapontion die größte Verehrung genoss bzw. Hauptgottheit galt.


Ein stilistisch herausragender Nomoi, der ebenfalls etwas aus der Reihe fällt, zeigt Demeter zwar mit Ährenkranz im Haar, bildet sie aber zusätzlich mit einem zarten durchsichtigen Schleier am Hinterhaupt ab. (Abb. 5) Da ein solcher Hinterhauptschleier allerdings sehr häufig auch das Attribut der Göttin Hera ist, auf den Goldstateren von Taras erscheint sie beispielsweise mit einem solchen Schleier und einer Stephane im Haar, wird klar, dass auch diese Münze, wenn man vom Ährenkranz absieht, ikonographisch entlehnt wurde. Vergegenwärtigt man sich zudem, dass auch der Stil des Porträts große Ähnlichkeit mit jenem der tarentinischen Goldstatere aufweist, dann könnte man sogar von einer ikonographisch-stilistischen Entlehnung sprechen. Über den Ährenkranz ist die Dargestellte aber dennoch ganz klar als Demeter definiert, da ein solcher Kranz zu Hera ganz und gar nicht passen würde.


Abb. 5: Metapontion (Lukanien). Nomos/Tridrachmon im achaiischen Münzfuß (um 340–330 v. Chr.). Silber, 7,74 g, Ø Höhe Rs. 21,5 mm, Münzstätte Metapontion. Foto: MA-Shops, Comptoir des Monnaies, F (April 2024).


Darüber hinaus erschienen in Metapontion zwischen 400–340 und 330–290 v. Chr. silberne Nomoi, die auf ihren Vorderseiten u. a. die Göttinnen Hygieia bzw. Demeter-Hygieia, Nike, Athena oder die Personifikation der Demokratie (die Damokratia) zeigen. Während sich Hygieia (Abb. 6) durch die Aufschrift "ΥΓΙΕΙΑ" am Halsabschnitt und ein Haarband und Athena durch einen Korinthischen Helm zu erkennen geben, lassen sich Nike (Abb. 7) an Hand der Aufschrift "ΝΙΚΑ" am Halsabschnitt und einer Tänie (Diadem) im Haar und die Personifikation der Demokratie (Abb. 8) an der vor ihrem Gesicht verlaufenden Umschrift "ΔΑΜΟΚΡΑΤΙΑ", einem Lorbeerkranz und einem durchsichtigen Hinterhauptschleier identifizieren.


Abb. 6: Metapontion (Lukanien). Nomos/Tridrachmon im achaiischen Münzfuß (um 400–340 v. Chr.). Silber, 7,73 g, Ø Höhe Vs. 21 mm, Münzstätte Metapontion. Foto: Roma Numismatics Ltd, Auction 7 (22. März 2014), Los 22.


Abb. 7: Metapontion (Lukanien). Nomos/Tridrachmon im achaiischen Münzfuß (um 340–330 v. Chr.). Silber, 7,60 g, Ø Höhe Rs. 21 mm, Münzstätte Metapontion. Foto: Classical Numismatic Group, Mail Bid Sale 82 (16. September 2009), Los 198.


Abb. 8: Metapontion (Lukanien). Nomos/Tridrachmon im achaiischen Münzfuß (um 340–330 v. Chr.). Silber, 7,76 g, Ø Höhe Vs. 20 mm, Münzstätte Metapontion. Foto: Classical Numismatic Group, Triton VIII  (11. Januar 2005), Los 34.


Nun wurden in dieser süditalischen Stadt zwar auch Goldmünzen, genauer gesagt Drittel- und Sechstel-Statere, geschlagen, jedoch waren dies keine regulären Ausgaben, sondern „Notmünzen“, die man emittierte, um beispielsweise die Feldzüge Alexanders I. des Molossers (333/32–331 v. Chr.), jene des Spartaners Kleonymos (302 v. Chr.) oder die des Pyrrhos von Epeiros (280– 278 v. Chr.) gegen die Lukaner, Brettier und Römer zu finanzieren, die Metapontion bedrohten. Diese Goldstücke zieren vorderseitig die göttlichen Porträts von Hera oder Nike. (Abb. 9 und 10)


Abb. 9: Metapontion (Lukanien). Drittel-Stater im achaiischen Münzfuß (um 340-330 v. Chr.). Gold, 2,64 g, Ø Höhe Vs. 13,5 mm, Münzstätte Metapontion. Foto: Numismatica Ars Classica, Auktion 124 (23. Juni 2021), Los 29.


Abb. 10: Metapontion (Lukanien). Drittel-Stater im achaiischen Münzfuß (um 302 v. Chr.). Gold, 2,61 g, Ø Höhe Vs. 12,8 mm, Münzstätte Metapontion. Foto: Numismatica Ars Classica, Auktion 132 (30. Mai 2022), Los 164.


Schaut man sich das weibliche Porträt aus Abb. 9 etwas genauer an, so erkennt man an Hand der Stephane im Haar die Göttin Hera, da die Stephane das Attribut dieser Göttin war. Auf der Vorderseite von Abb. 10 begegnet uns stattdessen die Göttin Nike in Dreiviertelansicht. Dass es sich hierbei um Nike handelt, wissen wir, weil sich im rechten Feld neben dem Gesicht der Göttin die Auschrift "NIKA" findet, die auf dem abgebildeten Exemplar allerdings außerhalb des Schrötlings liegt, da die Münzvorderseite nicht perfekt zentriert wurde.


Die Rückseiten aller Münzen aus Metapontion zeigen eine Gerstenähre mit Seitenblatt als Stadtwappen und nennen die Legende "ΜΕΤΑΠΟΝΤΙΝΩΝ" oder "ΜΕΤΑ" oder "ΜΕΤΑΠΟΝ" ([Münze] der Metapontier).


Michael Kurt Sonntag

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