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Die „Falschgeldaffäre“ von Karlsruhe

Im Januar 1975 meldete ein großes deutsches Nachrichtenmagazin, dass einem Numismatiker „falsche Fuffziger“ aus der Staatlichen Münze Karlsruhe aufgefallen seien. Bei dem zitierten Experten handelte es sich um Philipp Kaplan, Herausgeber der Monats-Fachzeitschrift „Der Münzensammler“. Sein Magazin veröffentlichte neben diversen Fachartikeln auch regelmäßig Preislisten zum aktuellen Münzenmarkt:


„Dem Münzenmarkt-Beobachter Kaplan war im Herbst 1974 aufgefallen, daß allzu häufig seltene deutsche Münzprägungen der Nachkriegszeit kursierten. Sammler und Händler wollten bei ihm vor allem 50-Pfennig-Stücke des Jahres 1950 und Zwei-Pfennig-Stücke des Prägejahrgangs 1967 begutachtet wissen. Am 21. November 1974 gab Kaplan, seit Jahrzehnten auf Fälschungsfahndung spezialisiert, der Bundesbank den Tipp zur Aufdeckung eines Münzskandals, der in der letzten Woche zur Verhaftung des Vizedirektors und eines Technikers der staatlichen Münze in Karlsruhe führte. Die Münz-Vergehen, die dem Regierungsamtmann Stefan Heiling, 59, und dem Münzfacharbeiter Klaus Fetzner, 40, vorgeworfen werden, sind ohne Beispiel, und sie offenbarten Lücken im Kontrollsystem der deutschen Münzanstalten, legten Versäumnisse bei Aufsichtsbehörden und bei der Bundesbank bloß.“(1)

In Karlsruhe waren seltene bundesdeutsche Kursmünzen nachgeprägt worden! Zum Zeitpunkt des ersten Berichts wurde gegen Heiling und Fetzner nach § 146f. StGB wegen Falschmünzerei, Münzverfälschung und Münzbetrug ermittelt.


Staatliche Münze Karlsruhe – Bildquelle: Wikimedia, Non-est-numerus

Am 27. September 1976 fand vor der Dritten Großen Strafkammer des Landgerichts Karlsruhe der erste Prozess gegen Ott, Heiling und Fetzner statt. Dabei wurde aufgerollt, wie es zu der groß angelegten Nachprägung von Kursmünzen gekommen war. Die Affäre hatte eher unschuldig begonnen. Im Jahr 1973 fragte Regierungsdirektor Dr. Walter Haak vom Bundesfinanzministerium bei Willy Ott, Direktor der Staatlichen Münze Karlsruhe an, ob er aus Altbeständen einige Fehlstellen in seiner privaten Münzsammlung schließen könne. Altbestände waren jedoch nicht aufzufinden. Der Direktor wollte sich dem Kollegen aus der vorgesetzten Behörde aber erkenntlich zeigen:


„Ott beauftragte Fetzner, die gewünschten Stücke in Spiegelglanz nachzuprägen. Fetzner, hier noch völlig unschuldig, führt die Weisung des Chefs aus. Indes war diese Weisung bereits ein klarer Verstoß gegen das Gesetz. Die alten Prägeaufträge des Bundesfinanzministeriums waren längst erledigt und abgearbeitet."(2)

Einige Wochen später händigte Ott dem Regierungsdirektor die gewünschten Münzen aus, darunter ein seltenes Karlsruher 50-Pfennig-Stück von 1950 mit der Aufschrift „Bank deutscher Länder“ und ein Zwei-Pfennig-Stück aus Karlsruhe von 1967, der sogenannte „magnetische Zweier“. Haak bezahlte ihm dafür „ordnungsgemäß“ den Nennwert von 13,86 DM.


50 Pfennig (Originalprägung, Karlsruhe, 1950, Kupfer-Nickel, 3,5 Gramm, 20 mm) – Bildquelle: MA-Shops, Kohlross.

Vor Gericht kam bei dieser Gelegenheit eine weitere Unregelmäßigkeit zur Sprache, die bereits lange zurücklag:

„Direktor Ott hatte im Jahre 1968 angeordnet, für den Bedarf des Geldmuseums der Bundesbank alle bis dahin in Karlsruhe gefertigten Umlaufmünzen zu je 20 Stück in Spiegelglanzausführung nachzuprägen. Heiling gegenüber erklärte er, daß das Bundesfinanzministerium ihn zunächst mündlich damit beauftragt habe. Heiling behauptete vor Gericht, Bedenken gegen diese Verfahrensweise geäußert zu haben, doch habe ihm Ott versichert, der schriftliche Auftrag werde bald folgen.“(3)

Der vermeintliche Auftrag umfasste 73 Typen im Nennwert von 2.020 DM:


„Da nicht alle Stempel vorhanden waren, wurde ein junger Praktikant angewiesen, die fehlenden nachzufertigen. Der junge Mann erledigte seinen Auftrag zu allgemeiner Zufriedenheit."(4)

Der angekündigte schriftliche Auftrag traf jedoch nie ein. Die Münzen wurden daraufhin in einen Karton gepackt und in einem Tresor verschlossen. Als sich im Dezember 1974 endgültig herausstellte, dass die Münzen vom Finanzministerium nicht benötigt wurden, verwertete Klaus Fetzner, der stellvertretende Direktor der Prägestätte, den Inhalt gewinnbringend. Und nicht nur das:

„Fortan werden die in Sammlerkreisen so begehrten Münzen lustig nachgeprägt, und es findet sich auch ein Dealer, der das kostbare Gut auf den Markt bringt – der 39-jährige Reisemonteur Mauritsch. Er zahlt für den Satz Münzen ‚1967 G‘ mit der Zwei-Pfennig-Eisenkernmünze 1.300 DM, für die 50-Pfennig-Stücke 300 DM, für die Fünf-DM-Stücke von 1951 an Fetzner 300 und an Heilig 400 DM.“(5)

Insgesamt nahm Mauritsch etwa 500 Münzen ab und zahlte 63.000 DM.


2 Pfennig (Originalprägung mit magnetischem Eisenkern, Karlsruhe, 1967, 2,9 Gramm, 19 mm), Bildquelle: MA-Shops, Beutler.

Vielleicht wären die Nachprägungen nie aufgefallen. Es gab jedoch drei Fehler. Zwei-Mark-Stücke mit dem Kennzeichen „M.P. 1959 G“ hatte es nie gegeben. Für das 50-Pfennig-Stück von 1950 mit der Umschrift „Bank deutscher Länder“ war ein neuerer Rückseiten-Stempel benutzt worden. Durchweg in Spiegelglanz gefertigte Münzen wurden zudem erst seit 1952 produziert.


Im Jahr 1976 berichtet das oben genannte Nachrichtenmagazin vom Prozess in Karlsruhe.

Das Gericht hatte darüber zu befinden, ob Nachprägungen in einer staatlichen Münzstätte strafbare Fälschungen sind, also echte Münzen gleichwohl falsch sein könnten. Betrogen im eigentlichen Sinne wurde ja niemand:

„Offenbar gab es nur Gewinner, nämlich die beiden Verkäufer in der Münze ebenso wie die Sammler. Betroffen wäre allenfalls das Bundesfinanzministerium, das wiederum schwerlich betrogen worden ist. Denn für jeden nachgeprägten neuen Münzensatz wurde der Nominalwert in gebrauchtem Geld anderer Jahrgänge eingezahlt, Fünfziger für Fünfziger; die Summe von Münzengewicht und kursierender Geldmenge stimmte immer. Der im Finanzministerium für Präge-Aufträge zuständige Regierungsdirektor Walter Haak, der sich selber mit Karlsruher Münzen versehen ließ, bezeugte denn auch: Offiziell ist kein Schaden entstanden.“(6)

Titelblatt des endgültigen Urteils am Landgericht Karlsruhe - Bildquelle: emuenze.de, jjjaaade.

Am 11. Oktober 1976 verurteilte das Landgericht Karlsruhe die drei Angeklagten zu Bewährungs- und Geldstrafen. Nach der Berufung beim Bundesgerichtshof im Jahr 1977 und einer weiteren Verhandlung vor dem Landgericht Karlsruhe im Juni 1978 wurde das endgültige Strafmaß festgesetzt: Stephan Heiling musste für 18 Monate ins Gefängnis, außerdem eine Geldstrafe von 3.600 DM entrichten. Für die beiden anderen Angeklagten blieb es bei Bewährungsstrafen sowie Geldbußen von bis zu 10.000 DM.


Dietmar Kreutzer


Quellenangaben:

(1) Fälschungen: Was einfallen lassen; aus: Der Spiegel, Heft 5/1975, 26.01.1975

(2) Günter Wermusch: Falschgeldaffären; Berlin 1988, S. 245

(3) Ebenda, S. 247

(4) Ebenda

(5) Ebenda, S. 249

(6) Münzen: Einmalige Sache; in: Der Spiegel, Heft 41/1976, 03.10.1976

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