Dem mykenischen König Eurystheus die goldenen Äpfel der Hesperiden zu holen, war die 11. Arbeit des Herakles. Folgt man dem antiken Autor Hesiod, dann gebar die Nacht u. a. „… den Schlaf und die Scharen der Träume, … ferner die Hesperiden, die jenseits des ruhmvollen Ringstroms goldene Äpfel und Bäume, von Früchten prangend, bewachen.“ (Albert von Schirnding [Hrsg. u. Übers.], Hesiod, Theogonie, 212 ff.). Der Baum mit den goldenen Äpfeln war das Hochzeitsgeschenk der Gaia (der Mutter Erde) an die Götterkönigin Hera gewesen. „Den Hüter [dieses Apfelbaums] hatte Hera selbst eingesetzt: die Schlange Ladon, ein Wesen, das nie die Augen schloss … “ (Karl Kerényi, Die Mythologie der Griechen, Teil II, Die Heroengeschichten, S. 141).
Um allerdings zu den Hesperiden und dem Baum mit den goldenen Äpfeln zu gelangen, musste Herakles erst die Moiren, die Töchter des Zeus und der Themis aufsuchen, die ihm rieten, den Meergreis Nereus zu suchen und ihn so lange zu bedrängen, bis er ihm den Weg weise. Den Weg, den Nereus ihm wies, nachdem Herakles ihn im Ringkampf besiegt hatte, führte ihn zunächst gen Süden an Arabien und dem Roten Meer vorbei ehe er schließlich in den Kaukasus zu Prometheus gelangte. Bei Prometheus angekommen, erschoss Herakles den Adler, der täglich an der Leber des Prometheus hackte und befreite den Titanen auf diese Weise von seinen unendlichen Qualen. „Prometheus indessen schickte den Heros zu Atlas, dem Nachbarn der Hesperiden, und gab ihm den Rat, nicht selber in den Garten einzudringen, sondern die goldenen Äpfel von diesem zu erbitten.“ (Ebenda, S. 140).
Als Herakles den Atlas dann nach längerer Nordwärtswanderung erreicht hatte, willigte der mit dem Tragen des Himmelsgewölbes bestrafte Atlas ein, für Herakles die Äpfel zu holen, bat Herakles aber darum, das Himmelsgewölbe solange an seiner Stelle zu tragen, in der Absicht das Gewölbe hinterher nicht mehr zu übernehmen. Herakles willigte ein und übernahm das Himmelsgewölbe, doch als Atlas mit den Äpfeln kam, bat er diesen, das Gewölbe nur kurz zu halten, bis er sich ein Tragekissen dafür hergerichtet habe. Atlas legte die Äpfel zu Boden und übernahm das Gewölbe, woraufhin sich Herakes die goldenen Äpfel schnappte und verschwand.
Einer anderen Version zufolge drang Herakles jedoch selbst in den Garten der Hesperiden ein, griff die hütende Schlange an, tötete sie und bemächtigte sich der Äpfel. Einer weiteren Überlieferung nach soll die Schlange mit einem Zaubertrank oder einer Schale Wein abgelenkt worden sein, und so den Diebstahl der Äpfel, an dem sich auch die Hesperiden beteiligt hätten, nicht bemerkt haben. Da die goldenen Äpfel allerdings das Eigentum von Zeus und Hera waren, soll sie Herakles dem mykenischen König Eurystheus nur gezeigt und dann Zeus und Hera übergeben haben. Einer anderen Version zufolge soll sie Eurystheus dem Herakles geschenkt haben, da er um die Eigentumsverhältnisse der goldenen Äpfel sehr wohl Bescheid wusste und den Zorn des Götterpaares bei Zuwiderhandlung fürchtete.
Doch so beliebt und bekannt diese 11. Arbeit des Herakles bei den antiken Griechen auch gewesen sein mag, numismatisch fand sie ihren Niederschlag nur im kretischen Phaistos. Auf der Vorderseite eines Silberstaters von Phaistos erscheint nämlich der große Held Herakles mit Keule in seiner Rechten, Bogen in seiner Linken und Löwenfell über dem linken Unterarm von vorn, flankiert von der mächtigen Schlange Ladon links und dem Baum mit den goldenen Äpfeln rechts. Gekoppelt ist die besagte Vorderseite mit dem Rückseitenmotiv eines in einem Kranz nach links stehenden Stieres.
Münzen auf Herakles und seine 11. Arbeit erschienen dann erst wieder 4½ Jahrhunderte später in der römischen Kaiserzeit. So sehen wir beispielsweise auf der Rückseite eines Bronzemedaillons des Kaisers Antoninus Pius (138-161) den Baum mit den goldenen Äpfeln und die Schlange Ladon in der Mitte des Bildes, links davon die drei Hesperiden und rechts davon Herakles mit Keule und Löwenfell, der seine Rechte nach einem der goldenen Äpfel ausstreckt. Die Vorderseite ziert das belorbeerte Haupt des Antoninus Pius. (Abb. 2)
Und auch auf einer bronzenen Provinzialprägung aus Dionysopolis in Moesia Inferior aus der Zeit des Kaisers Gordianus III. (238-244) erkennt man rückseitig den großen Heros Herakles mit Keule, Löwenfell und den Äpfeln der Hesperiden (Abb. 3). Vorderseitig erscheinen die drapierten Büsten des Kaisers links und des Gottes Serapis mit Modius (Getreidemaß/Scheffel) auf dem Haupt rechts, einander gegenüber stehend.
Die Rückseite eines in Köln unter Kaiser Postumus geprägten Denars vom Anfang des Jahres 268 zeigt ebenso Herakles, die drei Hesperiden und den Baum mit den goldenen Äpfeln sowie die Schlange Ladon. Allerdings ist Herakles hierbei in Rückenansicht dargestellt und die Hesperiden als nach links hineilend (Abb. 4). Auf der Vorderseite sehen wir die gestaffelten und belorbeerten Porträts des Kaisers im Vordergrund und des Herakles im Hintergrund.
Höchst interessant thematisiert wird die 11. Arbeit des Herakles allerdings auf einer Bronzeprägung des römischen Kaisers Maximianus Herculius von 295. Zeigt das Rückseitenmotiv doch Herakles und die Schlange Ladon, sich einander misstrauisch beäugend (Abb. 5). Während sich die Schlange nämlich aus dem Baum mit den goldenen Äpfeln in Richtung des Herakles herauslehnt, streckt jener ihr provokativ einen goldenen Apfel entgegen und hebt gleichzeitig seine Keule an, so als wolle er sagen: Den Apfel nehme ich jetzt mit und falls du mir in die Quere kommst, erschlage ich dich auf der Stelle.
Ganz allein, als siegreicher Held mit den Äpfeln der Hesperiden auf der Hand, so begegnet uns Herakles auf der Rückseite eines Aureus des Caesars Constantius I. Chlorus (293-305) aus dem Jahre 295 aus der Münzstätte Nicomedia in Bithynien. (Abb. 6). Passend zum Bildmotiv lautet auch die Münzumschrift auf HERCVLI – VICTORI (dem Sieger Hercules). Vorderseitig findet sich die belorbeerte Büste des Constantius I. Chlorus als Caesar. Dieser war der Adoptiv- und Schwiegersohn des Maximianus Herculius.
Doch auch in der bildenden Kunst begegnen uns die „Akteure“ aus dem Garten der Hesperiden vielfach, so z. B. auf antiken Vasenmalereien und Keramikwaren oder in diversen Gemälden späterer Jahrhunderte. Auf einer attischen rotfigurigen Pelike aus der Kyrenaika (um 380-370 v. Chr.) sehen wir, wie Herakles von den Hesperiden freundlich bewirtet wird (Abb. 7).
Ein spätrömisches Relief einer keramischen Öllampe wiederum stellt Herakles und die Schlange Ladon dar, genauer gesagt den Augenblick, in dem Herakles zum Schlag mit seiner Keule gegen die besagte Schlange ausholt.
Und zuletzt sei auch auf das Gemälde „Der Garten der Hesperiden“ (um 1892) von Frederic Leighton (1830-1896) hingewiesen, wo wir die drei Hesperiden in einer idyllischen Gartenlandschaft unter dem dicken Baum mit den goldenen Äpfeln ruhend finden, während sich die Schlange Ladon um den Baum und die in der Mitte lagernde Hesperide gewunden hat und aufmerksam wacht. (Abb. 9)
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