Als man in den frühen 270ern v. Chr. die Münzprägung in Byzantion (dem späteren Konstantinopolis und heutigen Istanbul) wieder aufnahm, war das Perserreich bereits im Alexanderreich aufgegangen, dieses wiederum unter den Diadochen, den Nachfolgern Alexanders des Großen, aufgeteilt und die 1. Generation der Diadochen tot. Antigonos I. Monophtalmos, Demetrios I. Poliorketes, Kassandros, Ptolemaios I. Soter, Lysimachos und Seleukos I. Nikator – sie alle lebten nicht mehr, als man in der Stadt am Bosporos begann postum Lysimachos-Münzen im attischen Münzfuß zu prägen.
Hauptursache für die Ausprägung dieser postumen Lysimachos-Münzen dürften die Tribut- bzw. Schutzgeldzahlungen gewesen sein, die Byzantion an das Königreich der keltischen Galater unter Komontorios zahlte, um von keltischen Überfällen, Plünderungen und Zerstörungen verschont zu bleiben. Um 277/76 v. Chr. hatten sich die Kelten nämlich im Südosten Thrakiens ein Reich mit der Hauptstadt Tyle geschaffen, von wo aus sie die Byzantier bedrohten und jedes Jahr Tributzahlungen einforderten. „Die Höhe [dieser Tribute] betrug anfangs jährlich 10 bis 33 Talente, steigerte sich im Laufe der Zeit und erreichte schließlich die beträchtliche Summe von 80 Talenten im Jahr. Dass Byzanz zunächst diese Abgaben aufbringen konnte, schließt nur auf die damalige Zahlungskraft dieser Stadt. Erst die Höhe von jährlich 80 Talenten war es, die ihre Leistungsfähigkeit überstieg, und Byzanz musste sich zur Rettung seiner finanziellen Bedrängnis nach ertragreichen Quellen umsehen.“ (Edith Schönert-Geiß, Die Münzprägung von Byzantion, Teil I: Autonome Zeit, Bd. 1, Berlin/Amsterdam 1970, S. 59).
Da die Gesandten, die man zu anderen griechischen Städten um Finanzhilfe geschickt hatte, „mit leeren Händen zurückkamen“ (W. P. Newskaja, Byzanz in der klassischen und hellenistischen Epoche, Leipzig 1955 S. 153), verfiel die Stadt 221 v. Chr. auf die Idee, von allen in den Pontos einlaufenden Schiffen hohe Zölle zu erheben, was dann 220 v. Chr. zum Handelskrieg mit Rhodos führte.
Drei Jahrzehnte zuvor hatte Byzantion allerdings den ptolemaiischen Münzfuß (etwa 14 g / Tetradrachmon) eingeführt und silberne Tetradrachmen und Neun-Obolen-Stücke emittiert. Diese Münzen sind motivgleich und zeigen auf ihren Vorderseiten den verschleierten und mit einer Ähre bekränzten Kopf der Göttin Demeter und auf ihren Rückseiten den auf einem Felsen nach rechts sitzenden Gott Poseidon, der ein Aphlaston (eine Heckzier) hält und einen Dreizack schultert.
Zwei Götterbilder, die mit Bedacht gewählt worden waren, wenn man sich vergegenwärtigt, dass Demeter die Göttin des Ackerbaus und Poseidon der Gott der Meere war und Byzantion seinen Wohlstand und Reichtum der florierenden Landwirtschaft, dem Getreidehandel und dem Fischfang verdankte. Ikonographisch betrachtet, huldigten die Byzantier mit diesen Münzen den Gottheiten, auf deren Wohlwollen sie in höchstem Maße angewiesen waren, zumal magere Getreideernten in Übersee und leere Fischerboote für die Stadt am Bosporos ebenso verhängnisvoll gewesen wären, wie sturmgepeitschte Meere, in denen die prall gefüllten Getreide- und Fischereiflotten versunken wären. So weit, so gut, aber weshalb wählte man für diese Münzausgaben den ptolemaiischen Münzfuß und nicht den attischen, der in der griechischen Welt bereits seit Alexander dem Großen der allgemein übliche war?
Nun, will man den Numismatikern Seyrig und Schönert-Geiß Glauben schenken, so beabsichtigte Byzantion damit, sich ein Münzmonopol zu schaffen, um mit dessen Hilfe zusätzliches Geld in die Kassen zu bekommen und seine durch die Galatertribute immer schlimmer werdende Finanzlage zu entspannen. Parallel zur Ausprägung der neuen Münzen im ptolemaiischen Münzfuß ab 250 v. Chr. stempelte die Stadt nämlich alle Tetradrachmen und Drachmen attischen Münzfußes, die sich in ihrem Umlauf befanden – hierzu gehörten die Münzen Alexanders des Großen und der Könige Demetrios Poliorketes, Lysimachos, Antiochos I. und II., Seleukos II., Antiochos Hierax und Attalos I. –, mit einem Schiffsbug und ihrem Kürzel gegen, erklärte sie damit zu legalem byzantischem Geld und stellte gleichzeitig die Ausprägung post-lysimachischer Münzen attischen Münzfußes ein. Danach wurden alle durch den Bosporoshandel einströmenden Münzen attischen Standards verrufen und in byzantische Münzen zwangsgetauscht. Ein für Byzantion lukratives Umtausch- bzw. Wechselgeschäft, das die Staatskasse wohl solange entlastete, bis die Galater die horrende Summe von 80 Talenten jährlich einforderten.
Laut Schönert-Geiß dürfte eine großzügige Schenkung Ptolemaios II. – zu der außer Getreide und Waffen auch ptolemaiische Münzen gehörten – der Anlass für die Übernahme des ptolemaiischen Münzfußes gewesen sein. Die Münzen Ptolemaios´ I. und II., die um 252 v. Chr. in die Stadt am Bosporos gelangten, bildeten vermutlich sogar den Grundstock des neuen byzantischen Geldes und ergänzten gleich zu Beginn die Zirkulation der Demeter-Poseidon-Münzen.
Doch nachdem Prusias von Bithynien, der Verbündete von Rhodos, die byzantischen Gebiete in Kleinasien besetzt und Rhodos den Hellespont gesperrt hatte, so dass keine Schiffe mehr ein- und ausfahren konnten und Byzantion keinen Zoll erheben konnte, griff der Galaterkönig Kavaros (230/225-218 v. Chr.), der im Falle einer Niederlage Byzantions befürchtete, leer auszugehen, ein und vermittelte den Frieden zwischen den Kriegsparteien. Byzantion hob die Schiffszölle wieder auf, erhielt seine kleinasiatischen Besitzungen zurück und brauchte sich auch um die Schutzgeldzahlungen keine Sorgen mehr zu machen, da die Thraker das keltische Reich des Kavaros bald danach vernichteten und seine Bewohner ausrotteten.
Als der Krieg mit Rhodos glücklich beendet, die keltischen Galater ausgeschaltet und ihre Tributzahlungen damit hinfällig geworden waren, atmete die Stadt nicht nur erleichtert auf, sondern gab den ptolemaiischen Münzfuß auf und kehrte bald darauf zur Ausprägung der postumen Lysimachos-Münzen im attischen Münzfuß zurück.
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