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Michael Kurt Sonntag

Apollon und Herakles auf den Tetradrachmen Antiochos I. Soter

Antiochos I. Soter war der älteste Sohn des Königs Seleukos I. Nikator und der Apama. Da Seleukos die Apama nach dem Tode Alexanders des Großen nicht verstoßen hatte, wuchs der 324/23 v. Chr. geborene Antiochos als Kronprinz auf. Im Alter von 22 oder 23 Jahren beteiligte sich Antiochos zusammen mit seinem Vater an einer der wohl bedeutendsten Schlachten der Diadochenzeit, der Schlacht von Ipsos (301 v. Chr.). Während Seleukos seine indischen Kriegselefanten ins Feld führte, kommandierte Antiochos die seleukidische Kavallerie. Da diese Schlacht für Antigonos I. Monophthalmos und seinen Sohn Demetrios Poliorketes – sie waren die Gegner von Seleukos und Antiochos – zur Katastrophe geriet und mit einer vernichtenden Niederlage und dem Tode des Antigonos endete, fiel Kleinasien bis zum Tauros an Lysimachos und Syrien und Mesopotamien an die Seleukiden. 294/93 v. Chr. trennte sich Seleukos von seiner zweiten Gemahlin Stratonike und gab diese seinem Sohn Antiochos zur Frau. Gleichzeitig oder bereits kurze Zeit danach erhob er Antiochos zum „Mitkönig“ und Stratonike zur „Mitkönigin“. Aller Wahrscheinlichkeit nach nicht allein deshalb, weil Antiochos unsterblich in Stratonike verliebt war, sondern weil das mittlerweile riesige Seleukiden-Reich nur noch so effektiv regiert werden konnte. Denn während Antiochos die „Oberen Satrapien“ (d. h. die Gebiete jenseits des Euphrat) von Seleukeia am Tigris aus regierte, sah Seleukos von Antiocheia am Orontes nach dem Rechten. Antiochos gründete in seinem Reichsgebiet zahlreiche Städte, besiedelte diese, stellte die seleukidische Präsenz in der Persis wieder her und konsolidierte die Herrschaft in den Oberen Satrapien. Nachdem der Diadoche Lysimachos 281 v. Chr. bei Kurupedion sowohl die Schlacht als auch sein Leben verloren hatte, betrachtete der Sieger Seleukos das gesamte lysimachische Territorium als speergewonnenes Land und verleibte es seinem eigenen Reich ein. Doch als er ein paar Monate später auch das europäische Gebiet des Lysimachos in Besitz nehmen wollte, wurde er von Ptolemaios Keraunos, bei Lysimacheia heimtückisch ermordet. Auf diese Weise war Antiochos quasi über Nacht zum Alleinherrscher des riesigen Seleukidenreiches geworden, welches er dann bis zu seinem Tode, 261 v. Chr., regierte.

In Seleukeia am Tigris oder in Ekbatana begann Antiochos seine Alleinherrschaft allerdings nicht mit einer Gedenkemission zu Ehren des Seleukos wie in Ai Khanoum, Baktra oder Sardeis, sondern führte gleich zu Beginn einen neuen Münztypus ein, der auf der Vorderseite sein nach rechts gewandtes Porträt und auf der Rückseite den auf dem Omphalos sitzenden Gott Apollon zeigt.

Bis 269/68 v. Chr. wurde dieser neue Münztypus dann in nahezu allen großen und bedeutenden Münzstätten des Seleukiden-Reichs übernommen. Studiert man die Darstellungen des Antiochos etwas genauer, so fällt auf, dass das Porträt zwar individuelle Züge, wie eine lange Nase, starke Brauen und eine betonte Mund-Kinn-Partie aufweist, gleichzeitig aber auch Pathos zeigt. Interessanterweise wirkt das Porträt auf den früheren Münzen älter und realistischer als auf den späteren, die einen deutlich jüngeren und stark idealisierten König zeigen. Was das Rückseitenmotiv dieses neuen Münztyps angeht, so zeigt es den Delphischen Gott Apollon auf dem Omphalos nach links sitzend. Der Omphalos ist mit einem kunstvoll geflochtenen Netz bespannt. Auf ihm liegt der Tuchmantel (Himation) Apollons, der nur den rechten Oberschenkel des ansonsten völlig nackten Gottes bedeckt. Apollon stützt sich mit der Linken auf seinen Bogen und hält in der Rechten einen Pfeil, den er mit seinem Blick prüft. Auf den Münzen aus Sardeis hielt er zunächst einen Bogen statt des Pfeils, auf Prägungen aus Smyrna waren es ein bis drei Pfeile (3. Abb.) und auf den Münzen aus Ekbatana hält er immer drei Pfeile (1. Abb.). Nach Houghton und Lorber waren dies lokale Abweichungen eines Münztyps, der zu Beginn noch nicht ganz standardisiert war. Vergegenwärtigt man sich, dass Seleukos I. Nikator Apollon zu seinem Stammvater erklärt und zum Schutzpatron des Herrscherhauses erkoren hatte und ihm im Wäldchen der Daphne, außerhalb von Antiocheia am Orontes, einen Tempel errichtet und mit einer Gold-Elfenbeinstatue Apollons ausgestattet hatte, dann wird verständlich, weshalb Antiochos I. ausgerechnet diesen Gott auf die Rückseite seiner neuen Münzen setzte. Ob die erwähnte Gold-Elfenbeinstatue, die der berühmte Bildhauer Bryaxis von Athen für Seleukos schuf, allerdings das Vorbild für die Gestaltung der Münzrückseite war, kann heute niemand mehr sagen, da sich die besagte Statue weder im Original noch in einer Kopie erhalten hat. Denkbar wäre es natürlich, zumal diese Rückseite, wie Otto Morkholm betonte, zum Wappen der Seleukiden-Dynastie wurde – wenn man mal von den Münzen Seleukos II. absieht – und bis weit ins zweite vorchristliche Jahrhundert hinein alle Gold- und Silbermünzen und auch ein paar Bronzemünzen zierte.

Gegen Ende der Regierungszeit Antiochos’ I. wurden im westlichen Kleinasien, genauer gesagt in Sardeis oder Smyrna und in Magnesia am Sipylos, Tetradrachmen geprägt, deren Rückseiten Herakles und nicht mehr Apollon zeigen.

Wie diese Abbildung veranschaulicht, sitzt Herakles nackt auf einem Felsen auf dem Fell des Nemeischen Löwen und ruht sich, auf seine Keule gestützt, von seinen Arbeiten aus. Führenden Numismatikern zufolge wählte Antiochos dies Rückseitenmotiv, um damit seine Taten als Retter in Analogie zu den Arbeiten des Herakles zu unterstreichen. Denn so wie Herakles durch seine mythischen Arbeiten Gefahren abgewendet, das Böse besiegt und die Menschen gerettet habe, so habe auch Antiochos die Menschen durch seine Taten und Kämpfe gerettet. Die ikonografische Botschaft dieser Tetradrachmen lautet also: Der mythische Retter Herakles ist das Pendant zum irdischen Retter Antiochos.

Sollten diese Herakles-Münzen tatsächlich zwischen dem Regierungsantritt Eumenes’ I. von Pergamon und dem Tod Antiochos´ I. (263-261 v. Chr.) geprägt worden sein, wie E. T. Newell annahm, dann wäre ihre Botschaft an die Zeitgenossen wohl auch dahingehend zu verstehen, dass Antiochos in Analogie zu Herakles seine Feinde besiegen und die ihm Wohlgesonnenen retten wird. Dass ihm ausgerechnet dies letztlich nicht mehr gelang – Antiochos unterlag Eumenes I. 262 v. Chr. in der Schlacht bei Sardeis –, war historische Realität. Wie Houghton und Lorber nachweisen konnten, wurden die Herakles-Tetradrachmen auch nach dem Tode Antiochos’ I. nicht aufgegeben, sondern noch einige Jahre in Temnos, Myrina, Kyme, Phokaia und Smyrna mit dem Porträt Antiochos’ I. weitergeprägt. Prägeherr war nun aber sein Sohn Antiochos II. Theos.

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