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Aluchips zu Bierdosen: DDR-Kleingeld nach 1990 massenhaft eingeschmolzen

Ende der 1980er Jahre war es nur noch eine Frage der Zeit, dass die SED-Herrschaft in der DDR überwunden und die Teilung Deutschlands aufgehoben wurde. Aus dem massenhaften Ruf „Wir sind das Volk“ wurde nach dem überraschenden Fall der Berliner Mauer und der innerdeutschen Grenze am 9. November 1989 die Parole „Wir sind ein Volk“. Bis es jedoch so weit war, mussten Vorbehalte der ehemaligen Siegermächte, aber auch Widerstände beiderseits der bisherigen Grenze überwunden werden. Viele Menschen mögen sich den Vereinigungsprozess leichter vorgestellt haben, zumal ihnen vom damaligen Bundeskanzler Helmut Kohl „blühende Landschaften“ und schnelle Angleichung der Lebensverhältnisse versprochen wurden.

Münzen der DDR wie diese Pfennige und Markstücke aus Aluminium avancierten zu interessanten Sammlerstücken.


In den Tagen vor der Wirtschafts- und Währungsunion am 1. Juli 1990 und dem Umtauschtermin für die DDR-Mark bildeten sich an den ostdeutschen Banken und Sparkassen lange Schlangen von Menschen, die ihre Anträge zur Umstellung von DDR-Mark auf Deutsche Mark abgaben und ein eigenes Konto eröffneten. Schnell deckte man sich für die nur noch wenige Tage gültigen Münzen mit Hammer, Zirkel und Ährenkranz sowie DDR-Geldscheine mit Lebensmitteln, Treibstoff und anderen Dingen des täglichen Bedarfs ein und beglich Schulden. Irgendwie versuchte jeder, sein Ostgeld schnell noch anzulegen, und so waren die Kaufhäuser und Läden wie leer gefegt. Geldhändler tauschten unter freiem Himmel stapelweise Ost gegen West und machten damit gute Geschäfte, ohne von der Polizei behelligt zu werden.

Für DDR-Sammler war es nicht einfach, die Gedenkmünzen des eigenen Landes zu bekommen. Arbeit in den Numismatischen Fachgruppen des Kulturbundes konnte dabei hilfreich sein.


Nach dem Stichtag 1. Juli 1990 drängelten sich die Leute stundenlang im Ostteil Berlins und in der Noch-DDR vor den Umtauschstellen, deren Mitarbeiter angesichts mangelhafter EDV-Technik viel Schreibarbeit hatten. Zwar wurden Löhne, Gehälter, Stipendien, Mieten, Pachten sowie Sparguthaben bis zu 2000 DDR-Mark 1:1 umgestellt. Darüber hinausgehende Kontenwurden hingegen mit 2:1 bewertet. Personen ab dem 60. Lebensjahr hatten Sonderkonditionen: Sie konnten bis zu 6000 DDR-Mark 1:1 tauschen. Wer 1990 clever war, gab nicht alle seine DDR-Münzen weg, sondern behielt welche. Es dauerte nicht lange, bis sie zu interessanten Sammlerstücken zumal dann avancierten, wenn es sich um exzellente Erhaltungen und seltene Ausgaben handelte. Davon gab es viele Stücke, denken wir an die von 1966 bis 1990 geprägten Gedenkmünzen und die Material- und Motivproben, von denen jeweils nur wenige hundert Exemplare angefertigt wurden.

Die offiziell im DDR-Gesetzblatt angegebenen Prägezahlen stimmen in vielen Fällen nicht, denn sie wurden unter- oder überschritten. Außerdem hat man große, nicht ausgegebene Geldstücke wieder eingeschmolzen.


Nach Öffnung der Archive wurde bekannt, dass verschiedene im DDR-Gesetzblatt veröffentlichten Prägezahlen über die Gedenkmünzen nicht stimmen: Vielfach wurden im VEB Münze der DDR am Berliner Molkenmarkt geprägte Stücke wieder eingeschmolzen, um Material für neue Ausgaben zu gewinnen oder weil sie nicht das erwartete Echo in der Bevölkerung fanden. Dergleichen war nicht neu, auch in der Vergangenheit hat man aus diesem Grund Münzen immer wieder vernichtet. In den nach 1990 veröffentlichten Katalogen und Münzbüchern finden sich Angaben über die wirklichen Prägezahlen, aber auch über Probeprägungen aller Art. Viele Sammler setzen ihren Ehrgeiz darein, die Kursmünzen der DDR sowie die Gedenkmünzen in exzellenter Erhaltung zu bekommen, und werden darin vom Münzhandel gern unterstützt. Als Sammelobjekte interessant sind die in kleinen Auflagen ausgegebenen offiziellen DDR-Kursmünzensätze sowie die verplombten DDR-PP-Ausgaben. Sie waren in DDR-Zeiten nur für Westgeld im Intershop zu haben oder wurden als „Prämie“ an Funktionäre und andere um Partei und Staat verdiente Personen, wie das damals hieß, abgegeben.


Probeweise hergestellte Gedenkmünzen gehören zu den Raritäten ostdeutschen Geldgeschichte, im Münzhandel werden sie regelmäßig zu erheblichen Preisen angeboten.


Als Sammelstücke beliebt sind die seinerzeit wegen ihres leichten Gewichts verachteten „Alu-Chips“, also die Pfennige und Markstücke des zweiten deutschen Staates. Sie verschwanden 1990 von der Bildfläche und wurden alsbald in riesigen Mengen zur Gewinnung von Bierdosen, Autofelgen und anderen Erzeugnissen aus Leichtmetall eingeschmolzen. Die Aluminiummünzen der frühen DDR zeigen Symbole für den Zwei- und den Fünf-Jahr-Plan, die aus Hammer und Ähre gebildet wurde, ergänzt durch den Zirkel. Das Wappen der Arbeiter-und-Bauern-Macht erhielt erst in den 1950er Jahren seine endgültige Form und wurde 1959 offiziell der schwarz-rot-gold gestreiften Fahne hinzugefügt. Dass die SED- und DDR-Führung lange gesamtdeutsche Visionen pflegte, kommt unter anderem in der Inschrift DEUTSCHLAND auf dem zwischen 1948 und 1953 geprägten Kleingeld zum Ausdruck, aber auch in Alleinvertretungsansprüchen der ostdeutschen Kommunisten, die ihr Regime für die einzig wahre Alternative zum „imperialistischen Westdeutschland“ lobten und davon träumten, der Bundesrepublik Deutschland eines Tages ihr Herrschaftssystem überstülpen zu können.


Abb.: Helmut Caspar

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