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Kopf oder Wappen – Die Anfänge der australischen Währung


„Da stand er nun in der Mitte eines großen, kahlen Schlafsaals, und vierzig wilde, mitleidlose Augen waren auf ihn gerichtet. Nackt bis zu den Hüften, stellte er ein Musterexemplar eines wohlgenährten jungen Engländers der Mittelklasse im Alter von neunzehn oder zwanzig Jahren dar.“ Die meuternden Sträflinge nötigten Leutnant Darrell in ein Spiel einzuwilligen, in der sein Leben von einer Münze abhing, die er zu werfen hatte. Der jugendliche Offizier ergab sich in sein Schicksal: „Er balancierte eine Guinee auf dem Daumennagel und war allem Anschein nach bereit, sie mit all ihrer schicksalsschweren Last auf der glänzenden Oberfläche in die Luft zu werfen.“ Er holte mit dem Arm aus, um die Münze in die Luft werfen. Dabei neigte er sich ein wenig nach hinten. „Die Münze stieg hoch, für einen Augenblick blitzte sie im Blickfeld auf wie ein goldener Ring, dann fiel sie gesetzmäßig auf den Boden zurück. Die buntscheckigen Gestalten (…) beugten sich darüber, und der Schrei erklang: ,Kopf! Zur linken Tür raus!‘ “ (Price Warung: Leutnant Darrells gefährliche Lage; Historische Erzählung aus der australischen Zeitschrift „The Bulletin“, Nachdruck: Australische Erzähler von Marcus Clarke bis Patrick White, Berlin 1984, Seite 16, Kf.)

Letzter Jahrgang der Guineen (Militär-Guinea), Durchmesser: 25 mm. Bildquelle: Baldwin‘s of St. James’s

Die ersten britischen Zuwanderer in Australien waren 1788 einige hundert Sträflinge, begleitet von Soldaten und Seeleuten. Die Ankömmlinge hatten nicht mehr als einige Münzen in den Taschen. Eine goldene Guinee galt als Vermögen. Für ein paar Schillinge brachte man sich um. So entwickelte sich ein Tauschhandel auf der Basis von Rum. Die britischen Soldaten, die am anderen Ende der Welt ihren Dienst taten, erhielten den wenig schmeichelhaften Spitznamen „Rum Corps“.

Um dem Mangel an Bargeld etwas entgegenzusetzen, erließ Gouverneur Gidley im Jahr 1800 eine Verordnung, nach der zahlreiche ausländische Münzen zugelassen wurden. Die Maßnahme erwies sich als unzureichend. So entsandte die Regierung etwa 40.000 spanische Pesos de a ocho nach Australien, die vor Ort in Münzringe zu fünf Shilling und Kernstücke zu 15 Pence zerlegt wurden. Zwischen 1824 und 1825 kam es erstmals zu einer Ausstattung der Kolonie mit britischen Zahlungsmitteln im Wert von 100.000 Pfund. Nun waren nur noch Münzen aus dem Mutterland zugelassen.

Shilling aus dem Jahrgang der Erstausstattung, Durchmesser: 24 mm. Bildquelle: GB Classic Coins

Dieser Zustand spiegelt sich auch in der Literatur des jungen Agrarlandes wider: Für das Fell eines Ochsen bekam ein Farmer danach siebzehn Shilling und fünf Pence. (nach Henry Lawson: Die Frau des Viehtreibers; Erzählung aus „The Bulletin“, Nachdruck, S. 41) Zur Erläuterung heißt es an der angegeben Stelle: „Vor der Einführung der dezimalen Dollar-Währung im Jahre 1966 galten in Australien die englischen Währungseinheiten Penny (Plural: Pence), Shilling und Pfund (1 Pfund = 20 Shilling, 1 Shilling = 12 Pence).“ Eigene Münzen erhielt das Land erst infolge der Goldfunde von 1851. Zunächst wurde das Gold zu „Wertmarken“ verprägt. Im Jahr 1855 ging in Sydney die erste Zweigstelle der Royal Mint in Betrieb.

Erster australischer Jahrgang des Sovereigns, Durchmesser: 22 mm. Bildquelle: Numismatic Guaranty Corp.

Die anfangs nacherzählte Geschichte um den von Sträflingen überwältigten Offizier endet übrigens mysteriös. Die Rebellen hatten eine Münze über das Leben eines Mannes entscheiden lassen. Der Rädelsführer erklärte Darrell, dass hinter einer Tür des Schlafsaales zwei Männer warteten, um ihn mit Äxten hinzurichten. Hinter der zweiten Tür warte die Freiheit. Doch niemand im Raum wisse, hinter welcher Tür die Scharfrichter lauerten: „Nun lose, zu welcher Tür du hinaus willst“, höhnte der Verbrecher. „Kopf, linke Tür, nach Westen“, rief er laut. „Wappen, die nach Osten!“ Die Münze wirbelte durch die Luft: „Darrell ging ganz langsam auf die linke Tür zu und öffnete sie …“

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