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Karsten Dahmen, Alexa Küter

Der Mensch im Mittelpunkt:


Sonderausstellung „Menschenbilder – Wege zum Porträt von der Antike bis zur Gegenwart“

Das Porträt in Münze und Medaille

Die Ausstellung des Münzkabinetts im Bode-Museum, Berlin, widmet sich einem der faszinierendsten ikonographischen Themen der Numismatik: dem Porträt. „Das Gesicht ist ein Hohlspiegel, es sammelt das Licht des Geistes“, fasste der Bildhauer und Medailleur Ludwig Gies einmal prägnant zusammen: Im Porträt erhält der Mensch seine höchste Würdigung. Doch nur selten dienten Münz- und Medaillenporträts dazu, das möglichst getreue Abbild eines Menschen zu schaffen. Vielmehr wurde schon früh das vielfältige Wirkspektrum dieses Mediums wahrgenommen und ausgeschöpft. Das Porträt ermöglicht, Menschen zu kategorisieren, hierarchisieren, inszenieren, idealisieren, psychologisieren, stilisieren oder gar zu karikieren. Das bewusst angelegte, künstlerische Porträt ermöglicht Verschiebungen der Realität zugunsten angestrebter Wirkungen. Gesichts- oder Körperpartien treten in der Vorder- oder Hintergrund, je nachdem, welche sozialen oder politischen Aspekte jeweils damit verbunden sind. Mund, Auge, Oberkörper oder Attribute werden hervorgehoben und mit Bedeutung aufgeladen. Durch die Herausarbeitung und Zuspitzung signifikanter Partien oder aber durch den Abschliff individueller Merkmale zugunsten generischer Typen wird das Porträt zum Träger von Botschaften derer, die es in Auftrag geben oder erschaffen. Es ist nicht nur Reflektion eines Individuums, sondern auch einer Rolle, eines Typs oder Symbols. Fast immer übt ein Porträt Funktionen und bewusste Wirkungen denjenigen gegenüber aus, die sie betrachten. Gut gemachte Porträts sind damit selten nur bloße Spiegel der äußerlichen Merkmale; vielmehr sind sie Kunstwerke hohen Ranges. Die Porträtmünze und die Bildnismedaille können damit als unmittelbares Kommunikationsmittel über örtliche, zeitliche, soziale und gesellschaftliche Grenzen hinweg begriffen werden: Sie können sachlich informieren – daneben aber auch geschickt die Wahrnehmung und Meinung des Rezipienten manipulieren.

„Menschenbilder – Wege zum Porträt von der Antike bis zur Gegenwart“ im Bode-Museum, Berlin

Die Ausstellung begegnet dem Thema Porträt mit einem universellen Ansatz und beleuchtet die Bildnisse von Männern und Frauen von der Antike bis zur Gegenwart auf Münzen und Medaillen. Der Streifzug durch die Geschichte des Porträts beginnt mit der Darstellung von Götterbildern in Menschengestalt. Als die Perser im 5. Jh. v. Chr. mit den Griechen in Kontakt traten, präsentierten sie auf ihrer Münzprägung die Großkönige als entindividualisierte und unnahbare Herrscher. Sie betonten damit deren Funktion als Monarch – nicht ihre Individualität, die in diesen Porträts beinahe vollständig übergangen wurde. Doch als sich innerhalb der Münzprägung der Avers als „Autoritätsseite“ herausbildete, in der sich die Auftraggeber als Wertgarant zu erkennen gab, entwickelten sich auch die Herrscherporträts. Mit dem Hellenismus beginnt die Abbildung des menschlichen Gesichtes, verschiedenen sozialen, öfter aber politischen Funktionen zu unterliegen. Das Herrscherbildnis tritt als echter Spiegel der hinter ihm stehenden Person in Erscheinung. Distanz zum Betrachter schaffen hier sorgsam ausgewählte Attribute, welche den Dargestellten in göttliche Sphären heben. Die Sonderausstellung zeigt auch, wie sich „VIPs“ der antiken griechisch-römischen Gesellschaften darstellen ließen: etwa jene Magistrate und Beamte, die als Vorsteher von Provinzen oder als Träger bedeutender Ämter über die Münzprägung dem Volk in Namen und Bildnis bekannt gemacht wurden. Identitätsstiftende Persönlichkeiten der Vergangenheit, berühmte Philosophen und Geistesgrößen, erschienen ebenfalls in der städtischen Münzprägung, und auch für sie galten bestimmte Darstellungskonventionen.

Eine interessante Sonderform des Porträts sind die erfundenen Bildnisdarstellungen, beispielsweise römische Ahnenportäts (Abb. 1). Hier spiegeln sich besonders intensiv die hinter diesen Bildnisentwürfen stehenden Aufgaben und Funktionen von Menschenbildern wider. Scheinbar individuelle Kennzeichen wie Barttracht oder Wangenfalten werden mit Porträtzügen kombiniert, welche im Grunde genommen Chiffren für bestimmte Eigenschaften und Tugenden sind.

Abb. 1: Gnaeus Cornelius Lentulus Marcellinus, Denar, Rom, 50 v. Chr., Münzkabinett, Staatliche Museen zu Berlin, 18259112 (Aufnahme K. Dahmen) . Vielleicht nach einer Totenmaske geschaffen, entstand dieses Bildnis wenige Jahre nach dem Tod des Marcellinus. Sein zerfurchtes, knochiges Gesicht, die Stirnglatze und der sehnige Hals repräsentieren Altersweisheit, Durchsetzungsvermögen und ein entbehrungsreiches Leben und spiegeln damit Ideale der römischen Republik.

Auch regionale und zeittypische Moden des Bildniskonzeptes, die zwischen veristischen Darstellungen und „Volks-“ oder „Zeitgesichtern“ changieren, werden in der Sonderausstellung aufgearbeitet. Über die verschiedenen Aspekte des römischen Kaiser- und Privatbildnisses in Kaiserzeit und Spätantike lässt sich die Brücke zu Byzanz und dem sichtbaren Bruch von Menschen- und Herrscherdarstellungen im Mittelalter schlagen. Hier repräsentieren schemen- und schablonenhafte Bilder Distanz.

Eine Revolution stellt dann das Porträt der Renaissance dar und zeigt par excellence, wie Menschenbilder als Spiegel gesellschaftlicher und kultureller Umwälzung dienen. Das Individuum rückt wieder in den Vordergrund, was sich auch an den in dieser Zeit aufkommenden Privatmedaillen (d. h. für Privatleute, nicht für Herrscher geschaffenen Arbeiten) ablesen lässt. Das neue Menschenbild und Selbstverständnis der Einzelpersonen findet im Porträt der Renaissance und des Barock einen einzigartigen Ausdruck (Abb. 2).

Abb. 2: Medaille auf Artemisia Gentileschi (1597–um 1653). Bronze, 54 mm, Münzkabinett, Staatliche Museen zu Berlin, 18252279 (Aufnahme R. Saczewski). Diese barocke Medaille aus unbekannter Hand zeigt Artemisia Gentileschi, die als Malerin in Rom, Florenz und Neapel wirkte. Neben Doppelkinn und teigigem Inkarnat als Merkmale ihrer Physiognomie fällt vor allem der kraftvolle Ausdruck ihres Gesichts auf: Selbstbewusst und energisch blickt die Künstlerin nach vorn. Tatsächlich hat diese Frau zeit ihres Lebens Widerstände überwunden und ihr Schicksal selbst in die Hand genommen. So schaffte sie die gesellschaftliche Rehabilitation nach Vergewaltigung und Misshandlung, die Anerkennung als Künstlerin – und schließlich als erste Frau, schon zu allgemeiner Berühmtheit gelangt, die Aufnahme in die florentinische Accademia dell’Arte del Disegno.

In der Neuzeit schließlich können mehrere Porträtströmungen nebeneinander auftreten, bleiben aber an Normen und herrscherliche Vorbilder gebunden.

Spannend ist der Diskurs der Porträtkonzepte seit dem beginnenden 20. Jahrhundert, wobei weiter die Elemente typologischer Schemata, Natürlichkeit und Individualität wichtig bleiben (Abb. 3). Die Medaille bleibt lange ein konservatives Medium, da öffentliche oder private Auftraggeber meist bereits etablierten Porträtkonzepten anhängen. Doch konventionelle, staatstragende oder bürgerliche Perspektiven brechen langsam auf. Ein Paradigmenwechsel ergibt sich im 20. Jahrhundert aufgrund der stärkeren Betonung künstlerischer Unabhängigkeit, dem eine ungekannte Formenvielfalt in der Medaille folgt.

Abb. 3: Wilhelm von Bode, Medaille (Gipsmodell) von Ludwig Gies, 1920, Münzkabinett, Staatliche Museen zu Berlin, 18209086 (Aufnahme Lutz-Jürgen Lübke/Lübke und Wiedemann). Ludwig Gies unterteilt das Gesicht des Kunsthistorikers und Namengebers des heutigen Bode-Museums in Partien, modelliert diese neu und setzt sie schließlich zu einem facettenreichen „neuen“ Gesicht zusammen. Die unerwartete, einem ‚offiziellen‘ Bildnis widersprechende Porträtgestaltung ist dem privaten Hintergrund der Entstehung dieser Medaille geschuldet: Gies ‚bedankt‘ sich mittels einer privaten Medaillengabe bei Bode, der ihm durch seine Fürsprache seine Anstellung gesichert hatte.

Ausstellungsinfos:

zur Sonderausstellung „Menschenbilder – Wege zum Porträt von der Antike bis zur Gegenwart“

Bode-Museum, Staatliche Museen zu Berlin

Laufzeit bis 7. Oktober 2018

Öffnungszeiten: Di–Mi und Fr–So 11–18 Uhr, Do 11–20 Uhr.


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