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Kluge Frauen, eine Ausstellung in Berlin


Ausstellungseröffnung am 3. Mai 2018 um 18 Uhr im Lichthof des Hauptgebäudes der Humboldt-Universität zu Berlin, Unter den Linden 6, 10117 Berlin

Sappho auf der Rückseite einer Bronzemünze der Stadt Eresos auf Lesbos, 2. Jh. n. Chr., 13-16 mm, 1,37 g

Die lesbische Stadt Eresos war stolz, Geburtsstätte der Sappho zu sein. Münzkabinett der Staatlichen Museen zu Berlin, Objektnr. 18262313. (Foto: BW)

Marianne Dietz: Die Mathematikerin Maryam Mizakhadi (2017) Bronze, 68 mm (Foto: BW)

Sappho ist die erste Frau, die, ohne Angehörige eines Herrscherhauses zu sein, allein aufgrund ihrer geistigen Leistung ihren Platz auf einer Münze fand. Es ist eine zugegeben kleine und eher unscheinbare Bronzemünze, die die Stadt Eresos auf der griechischen Insel Lesbos im 2. Jh. n. Chr. herausgab. Aber sie ist im Gegensatz zu all den Vasenbildern und anderen Bildträgern, die Sappho zuvor darstellten, ein offizielles Medium und damit ein kleines Denkmal der Stadt für ihre berühmte Bürgerin. Sappho lebte um 600 v. Chr. und hat sich mit ihren zahlreich überlieferten Liedern einen Platz in der Geschichte gesichert. Sie ist auf der Münze als Sängerin mit Lyra dargestellt. Ihre Lyrik ist naturverbunden, persönlich und emotional. Sappho schuf Hochzeitslieder (Epithalamien) und Götterhymnen, etwa auf Hera und vor allem auf Aphrodite. Ihre Lieder sprachen die Zeitgenossen unmittelbar an. Sie wurden aufgeschrieben und von Generation zu Generation weitergereicht. Schon in klassischer Zeit gehörten ihre Schriften zu dem Kanon der Literatur, die man kennen musste. In die Bibliothek von Alexandria wurde diese aufgenommen, und bis heute werden neue Fragmente ihrer Schriften gefunden, die sich auf Papyri im Wüstensand Ägyptens erhalten haben. Sappho war aber auch Pädagogin und Theologin. Sie unterrichtete junge Frauen der führenden Familien, die von weit her zu ihr kamen, umfassend in Poesie, Musik und Gesang. Sie bereitete sie auf Gottesdienste zu Ehren der Götter vor, aber vor allem auch darauf, eine erfolgreiche Rolle im Sinne des archaischen Familienverbandes zu spielen. Sappho war eine Ausnahmeerscheinung, aber im archaischen Griechenland immerhin möglich, was sich von anderen historischen Perioden nicht sagen lässt. In der weiteren Rezeption wurde sie mystifiziert und seit Martial als impudiciaherabgewürdigt. All dies überstand sie, und nun reiht sie sich in Porträtgalerien und Medaillensuiten als wichtige Vertreterin antiker Literatur ein.

Von der griechischen Sappho zu der 1977 geborenen Maryam Mizakhadi ist es ein weiter Sprung. Der Mathematikerin und ersten weiblichen Trägerin der renommierten Fields-Medaille ein ehernes Denkmal zu setzen: dies ist das Anliegen von Marianne Dietz und Rossen Andreev. Sie ist eine von achtundvierzig ‚klugen Frauen‘, um die es in der Ausstellung von Angelika Keune und Anna Franziska Schwarzbach ab 4. Mai geht. Der Mangel an Denkmälern für Wissenschaftlerinnen im Archiv der Humboldt-Universität ist evident und mit der Interesselosigkeit unserer Tage an der Porträtplastik nur unzureichend zu erklären. Vor einigen Jahren gab es allerdings schon eine erste Veränderung, als nach einem Wettbewerb die Statue von Lise Meitner auf dem Ehrenhof der Humboldt-Universität aufgestellt werden konnte. Anna Franziska Schwarzbach, die damals mit dem Phänomen konfrontiert wurde, wunderte sich und überlegte, was zu tun sei. Sie zeichnet aus, dass sie den guten Ideen auch Taten folgen lässt. Klug sind viele, sie selbst lobt die Schlauheit der Hildegard von Bingen, aber zum Erfolg gehört auch eine Beharrlichkeit in der Verfolgung der Ziele. Dem Aufruf der Berliner Bildhauerin sind viele Mitglieder der Deutschen Gesellschaft für Medaillenkunst (DGMK) gefolgt, aber auch andere Künstlerinnen und Künstler, die sich weder der Idee noch dem charmanten Drängen entziehen wollten. Für die DGMK ist es nach der Edition MUSE MACHT MONETEN von 2016 im Bode-Museum die nächste große gemeinsame Aktivität. Die DGMK und auch die Numismatische Kommission der Länder haben gerne den Katalog unterstützt [Keune 2018]. Am Ende sind es 38 Künstlerinnen und Künstler geworden, die Porträts kluger Frauen in Skulptur, Malerei, Zeichnung und Medaille präsentieren. Der Dank für das Entstehen in kurzer Zeit gebührt in allererster Linie Anna Franziska Schwarzbach und Lisa Lobeck, und nur, wer einmal eine Gruppenausstellung selbst zu verantworten hatte, weiß, wie viel ungeplante Extra-Kraft die Koordination kostet. Die Ausstellung ist, soweit ich es sehe, die erste Zusammenstellung von künstlerischen Arbeiten auf Wissenschaftlerinnen und Intellektuelle mit einem gewissen Berliner Schwerpunkt: nicht mit dem Ziel einer lexikalischen Vollständigkeit, sondern als eine erste und subjektive Zusammenschau dessen, was es gibt, und verbunden mit der Hoffnung auf weitere Impulse in diese Richtung von den Künstlern selbst, aber auch von den Kunstsammlern und den sammelnden Institutionen. Die Ausstellung ist vom 4.5.-2.6.2018 im Lichthof des Hauptgebäudes der Humboldt-Universität zu Berlin, Unter den Linden 6, 10117 Berlin, zu sehen.

DGMK = Website der Deutschen Gesellschaft für Medaillenkunst: www.medaillenkunst.de

Keune 2018 = Keune, Angelika (Hrsg.): Kluge Frauen. Berlin 2018. Ca. 70 S., zahlreiche Abb.

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