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Die Doppelaurei der römischen Kaiserzeit


Seit republikanischer Zeit verkörperte der Aureus die römische Goldmünze. Sie wurde auch von Augustus, dem ersten römischen Kaiser, übernommen und gehörte seither zum numismatischen Repertoire Roms. Die Aurei (auch die Denare und sogar die Scheidemünzen) wurden im Rahmen der allgemein fortschreitenden Münzverschlechterung, beginnend schon mit Nero, im Gewicht und Feingehalt ständig verringert. Dabei entsprach ein Aureus in der Kaiserzeit 25 Denaren. Während der Regierungszeit Caracallas (211–217 n. Chr.) kam es zu einer grundlegenden Reform des römischen Münzwesens, die auch den Hauptpunkt, nämlich die Einführung neuer Nominale (Biniones und Antoniniane), des vorliegenden Beitrages betraf.

Der Weg in die „Reichskrise“

Caracallas Herrschaft war nicht unumstritten; er schuf sich durch seinen Terror unzählige Feinde, besonders in der Oberschicht, wodurch er zur Erhaltung seiner Macht ganz auf das Heer angewiesen war und für seine persönliche Sicherheit auf seine skythischen und germanischen Leibwächter. Die Unterstützung der Soldaten gewann er, indem er ihren Sold stark erhöhte und sie mit häufigen üppigen Sonderzuwendungen beschenkte. Das Ausmaß der Solderhöhung betrug 50 Prozent, wobei der schon von Septimius Severus (193–211 n. Chr.), dem Vater Caracallas, deutlich erhöhte Sold die Berechnungsgrundlage bildete. Nach einer von Cassius Dio mitgeteilten Schätzung betrug der dafür erforderliche jährliche Mehraufwand 280 Millionen Sesterzen (70 Millionen Denare). Diese Steigerung der militärischen Personalkosten war jedoch finanzpolitisch verhängnisvoll. Die Bevorzugung des Militärs war nur auf Kosten des wirtschaftlich produktiven Teils der Bevölkerung und der Geldwertstabilität möglich und erzeugte bei den so verwöhnten Soldaten maßlose Erwartungen. Spätere Herrscher konnten diese Entwicklung nicht mehr umkehren, ohne ihren sofortigen Sturz zu riskieren. Somit stellte Caracalla die Weichen für das künftige Soldatenkaisertum. Seine Politik trug dazu bei, dass später die mit dem modernen Schlagwort „Reichskrise des 3. Jahrhunderts“ bezeichneten Entwicklungen eintraten. Unter ihm verstärkten sich problematische Faktoren, welche die Wirtschaft im weiteren Verlauf des 3. Jahrhunderts stark belasteten. Allerdings bestanden schon vor seinem Regierungsantritt gravierende strukturelle Probleme. Dieser Umstand scheint typisch für die politischen Impulse zu sein, welche die Herrschaft der severischen Dynastie (193–235 n. Chr.) initiierte. Akut auftretende Probleme wurden kurzfristig gelöst (meist durch erhöhte Geldaufwendungen), doch diese Maßnahmen evozierten mittel- bis langfristig neue Herausforderungen, denen sich künftige Kaiser stellen mussten.

Die Münzreform Caracallas

Caracalla führte 214/215 n. Chr. eine Münzreform durch, die der Finanzierung des geplanten Partherkriegs dienen sollte. Er schuf eine neue Silbermünze, die später nach seinem offiziellen Namen Antoninus als Antoninian bezeichnet wurde. Der Antoninian, der im 3. Jahrhundert zur geläufigsten römischen Münze wurde, entsprach zwei Denaren, sein Gewicht jedoch nur etwa dem von anderthalb Denaren. Faktisch handelte es sich also um eine Geldverschlechterung. Diese führte zur Hortung des alten Geldes, die aus zahlreichen Schatzfunden ersichtlich ist. Außerdem wurde das Gewicht der Goldmünze Aureus um rund 9 Prozent reduziert (von 7,20 auf 6,55 g). Schon 212 hatte Caracalla den Silbergehalt des Denars um rund 8 Prozent verringert (von 1,85 g auf 1,70 g), offenbar wegen der Kosten der Solderhöhungen nach dem Mord an seinem Bruder Geta. Noch drastischer war die Geldverschlechterung im Osten des Reichs, wo die syrische Drachme und die Tetradrachme die Hälfte ihres Silbergehalts einbüßten (Verringerung von 2 g Silber im Jahr 213 n. Chr. auf 0,94 g im Jahr 217 n. Chr.). Dies bewirkte einen massiven Verlust an Vertrauen in den Geldwert. Trotz der Härte, mit der Caracalla gegen jede Kritik vorging, soll die Steuerlast zu einer deutlichen Unmutsbekundung der Menge bei einem Pferderennen geführt haben.

In diesem wirtschaftsgeschichtlichen Kontext kam es auch zur Einführung des Doppelaureus (Binio), den man – analog zum Antoninian – an der Strahlenkrone erkennt, den der Kaiser auf der Vorderseite der Prägung trägt.

In der Vita des Severus Alexander der Historia Augusta, einer spätantiken Sammlung römischer Kaiserbiographien, findet man den (Elagabal-kritischen) Hinweis auf das Vorhandensein von Goldmultipla, d. h. mehrfachen Aurei (Goldmedaillons) (SHA Sev. Alex. 39, 9–10; Übersetzung von E. Hohl): „Doppelte, dreifache, vierfache, zehnfache und darüber hinaus sogar Pfund- und Hundertstücke, die Heliogabal [Elagabal; Anm. des Verf.] erfunden hatte, ließ er einschmelzen und völlig aus dem Verkehr ziehen; und seitdem wurde den von ihm ausgegebenen Goldmünzen der Name des Metalls, aus dem sie bestanden, beigelegt [...].“

Der Autor der oben zitierten Kaiserbiographie vermittelt ein positives Bild der Herrschaft des als konservativ und sparsam geltenden jungen Severus Alexander (222–235 n. Chr.), daher wird die Regierung Elagabals (218–222 n. Chr.) besonders negativ dargestellt. Die letztgenannte Bemerkung in der antiken Quelle ist besonders interessant, zeugt sie doch von der anscheinend schon den Zeitgenossen bekannten minderen Güte ihrer Edelmetallmünzen. Severus Alexander soll also, der Historia Augusta folgend, die Emission der Goldmultipla beendet haben, doch auch von diesem Kaiser gibt es einige wenige Doppelaurei. Die in der Quelle genannten Vielfachen sind sicher Übertreibungen, um Elagabal als besonders verschwenderischen Tyrannen – im Gegensatz zu dem zurückhaltenden und die altrömischen Traditionen und Tugenden wahrenden Severus Alexander – darzustellen.

Mitte des dritten Jahrhunderts, während der Regierungen des Trebonianus Gallus und Volusianus, treten die doppelten Aurei relativ häufiger auf (vgl. Abb. 1 und 2). Unter Gallienus (Abb. 3) wird das Gewicht des Aureus und des doppelten Aureus auf seinen tiefsten Stand in der römischen Münzgeschichte reduziert, ehe es dann während Aurelians Herrschaft seinen bisherigen Standard wieder erreicht. Ikonographisch bieten die Biniones keine Abweichungen von den Aurei bzw. Antoninianen, was auch daran liegen könnte, dass sie vermutlich mit den Stempeln der Antoniniane geprägt wurden.

Die Doppelaurei findet man noch in der Zeit der Tetrarchie unter Diokletian, und in der Spätantike kommt es vereinzelt zur Herstellung von größeren Goldmedaillons. Über die ursprüngliche Verwendung der Biniones bzw. Goldmedaillons der römischen Kaiserzeit herrscht in der Forschung bislang keine Einigkeit, auch weil die antiken Quellen darüber weitestgehend schweigen. Doch der Ursprung der Doppelaurei im Kontext der Münzreform Caracallas, die dazu dienen sollte, die gestiegenen Personalkosten im Militärbereich zu finanzieren, könnte darauf hindeuten, dass Soldaten oder höhere Angehörige des römischen Militärs zu den Empfängern, vielleicht im Rahmen von Sonderzahlungen (donativa) oder des Soldes, der Doppelaurei zählten, da der Aureus aufgrund von Gewichtsreduktion im Laufe des dritten Jahrhunderts stetig an Bedeutung verlor.

aus MünzenRevue Ausgabe 10/2016


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