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Schutz von Kulturgütern auf Münzbörsen: Mit Kanonen auf Spatzen geschossen?


Die Numismata in München war dieses Jahr Schauplatz einer bizarr anmutenden Polizeiaktion. Der unmittelbar am Saaleingang gelegene Stand eines in Dänemark ansässigen, aus Afghanistan stammenden Anbieters wurde von rund einem Dutzend entschlossen dreinblickender Polizisten in Zivil regelrecht belagert. Die eine Gruppe machte sich an dem Tisch zu schaffen, auf dem ein Sammelsu­rium von Münzen, Bronzeobjekten u.a. ausgebreitet war, die andere bildete, mit dem Rücken zu den Kollegen, einen regelrechten Kordon, um die Aktion gegen neugierige Blicke abzuschirmen. Es ­schien fast, als wollte man so bewusst auf die Messebesucher einschüchternd und abschreckend wirken. Einem aus Österreich kommenden Besucher, der sich – von Beruf Vereidigter Sachverständiger für Numismatik – für den Vorgang interessierte, wurde sogar ein Platzverweis angedroht, als er nicht rasch genug der Anweisung folgte, sich vom Schauplatz fernzuhalten. Insgesamt sollen an die 30 Beamte an der Aktion beteiligt gewesen sein. Unter ihnen war auch der den Lesern wohlbekannte KOK L. aus dem hessischen Usingen, dem man nach seinen diversen Extravaganzen (siehe Münzenrevue 11/2011) einen Schreibtischposten im Hessischen Landeskriminalamt in der Abteilung Kriminal-/Verkehrsprävention, Kulturgüterschutz gegeben hat. Unklar ist, was er als hessischer Beamter bei dieser Aktion des Bayerischen Landeskriminalamts zu suchen hatte.

Von der Polizei präsentierte beschlagnahmte Münzen und Antiken. Foto: LKA Bayern

Zurück blieb schließlich ein leerer, nicht mehr besetzter Tisch. Man hatte den Mann aus Dänemark nämlich festgenommen. Seither sitzt er in Untersuchungshaft, weil er in Deutschland keinen festen Wohnsitz hat. Ihm wird u.a. ein Verbrechen des gewerbsmäßigen Inverkehrbringens von unrechtmäßig ausgegrabenem und unrechtmäßig eingeführtem Kulturgut gemäß § 83 Abs. 1 Nr. 4, Abs. 5 Nr. 1 des neuen, im vergangenen Jahr in Kraft getretenen Kulturgutschutzgesetzes (KGSG) zur Last gelegt, es droht ihm eine Freiheitsstrafe von ­wenigstens einem Jahr bis zu 10 Jahren. Als Rechtfertigung für den Zugriff und die Inhaftierung hatte den Beamten genügt, dass der Mann keine Dokumente vorweisen konnte, die für die angebotenen Objekte „einen legalen Besitz bzw. die legale Einfuhr nach Deutschland belegen“ (so die Pressemitteilung des BKA), obwohl das KGSG nur unter ganz bestimmten Voraussetzung das Mitführen solcher Dokumente bei der Einfuhr nach Deutschland vorschreibt und ein Verstoß lediglich als Ordnungswidrigkeit mit Geld­buße bedroht ist (§§ 30, 84 Abs. 2 Nr. 1 KGSG).

Was ist Kulturgut im Sinne des KGSG?

Ob es tatsächlich zu einer Verurteilung kommen wird, muss sich noch zeigen. Voraussetzung für die Anwendung der Strafvorschriften des KGSG ist nämlich, dass die angebotenen Objekte überhaupt als „Kulturgut“ im Sinne von § KGSG zu klassifizieren sind. Dieser Begriff wird dort in § 2 Abs. 1 Nr. 10 definiert als ­„Sache … von künstlerischem, geschichtlichem oder archäologischen Wert oder aus anderen ­Bereichen des kulturellen Erbes, insbesondere von paläontologischem, ethnographischem, numismatischem oder wissenschaftlichem Wert“.

Ob das, was von der Polizei beschlagnahmt wurde, diese Voraussetzungen erfüllt, scheint sehr fraglich. Bei den Münzen – vorwiegend frühislamische Prägungen, teils im Stil später Sassanidenmünzen, zumeist schlecht erhalten – handelt es sich nämlich um Massenware von unerheblichem numismatischem Interesse und geringem materiellem Wert, die angebotenen Speerspitzen sind durchwegs offensichtlich moderne Nachahmungen. Die völlige überzogene Bezifferung des Gesamtwertes durch das BKA mit 50.000 € verleiht dem Vorgang ein realitätsfernes Gewicht. Zudem scheint gar nicht klar, woher genau die sichergestellten Gegenstände stammen und ob überhaupt mit Sicherheit davon ausgegangen werden kann, dass bei ihrer Auffindung und ihrer Verbringung vom Fund­ort und bei der Einfuhr nach Deutschland gegen geltendes Recht verstoßen wurde. Problematisch wird auch sein, ob – sollten tatsächlich alle objektiven Tatbestandsmerkmale der überaus komplizierten Strafvorschrift nachweislich erfüllt sein – in allen Punkten dem der deutschen Sprache und der deutschen Gesetze unkundigen Angeklagten Vorsatz nachzuweisen sein wird. Es gilt immer noch der Grundsatz „in dubio pro reo“.

Man kann nur hoffen, dass sich Staatsanwaltschaft und Gericht solchen differenzierten Überlegungen nicht verschließen werden, wie es andernorts in früheren, ähnlich gelagerten Verfahren festzustellen war. Auf keinen Fall darf es sich wiederholen, dass in der Hauptverhandlung ein schon seit Monaten in Untersuchungshaft sitzender Angeklagter sich unter der Drohung einer Vollzugsstrafe und aus schierer Angst, weiter eingesperrt zu bleiben, dazu bringen lässt, die in der Anklageschrift erhobenen Vorwürfe pauschal einzugestehen, weil man ihm für diesen Fall eine Bewährungsstrafe und damit die sofortige Haftentlassung in Aussicht gestellt hat, obwohl die zu dem Zeitpunkt gegebene Beweislage für eine Verurteilung nicht ausreichen würde. Man kann nur darauf vertrauen, dass der dem Mann aus Dänemark beigeordnete Pflichtverteidiger seine Aufgabe ernst nimmt und sich nicht auf einen solchen „Deal“ einlässt, wie er inzwischen bei unserer hoffnungslos überlasteten Justiz im Bemühen um eine Verfahrensabkürzung leider an der Tagesordnung ist.

Der Autor war viele Jahre als Staatsanwalt und als Richter in Strafsachen tätig.

aus MünzenRevue Ausgabe 06/2017

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