Universitäre Münzsammlungen im deutschsprachigen Raum - Geschichte, Gegenwart und Zukunft
- Andreas Raffeiner
- vor 6 Tagen
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Katharina Martin/Martin Muslow/Johannes Wienand (Hrsg.):
Universitäre Münzsammlungen im deutschsprachigen Raum – Geschichte, Gegenwart und Zukunft,
Vandenhoeck & Ruprecht Verlag, Göttingen 2025, 764 S., 80 Euro
Mit der umfangreichen Aufsatzsammlung Universitäre Münzsammlungen im deutschsprachigen Raum: Geschichte, Gegenwart und Zukunft legen Katharina Martin, Martin Mulsow und Johannes Wienand ein wegweisendes Werk vor. Erstmals wird darin die Entstehung, Entwicklung und aktuelle Bedeutung universitärer Münzsammlungen im deutschsprachigen Raum systematisch untersucht. Der Band ist das Ergebnis eines interdisziplinären und kooperativen Forschungsansatzes, der Numismatik, Wissenschafts- und Kulturgeschichte sowie museologische und digitalisierungsspezifische Perspektiven verbindet.
Das 764 Seiten starke Buch versammelt viele Beiträge renommierter Experten, die sich chronologisch und thematisch mit der Geschichte und Gegenwart universitären Münzbesitzes beschäftigen. Den Auftakt bildet eine grundlegende Bestandsaufnahme von Johannes Wienand. In seinem Überblicksartikel arbeitet er die historische Bedeutung der Münzsammlungen im Kontext universitärer Lehr- und Forschungsstrukturen heraus. Dieses Grundkapitel dient zugleich als Leitfaden und Referenzrahmen für die nachfolgenden Fallstudien.
In diesen Fallstudien werden die Entstehung und die Entwicklung von Münzsammlungen an zahlreichen Universitäten, darunter Jena, Halle, Göttingen, Leipzig, Würzburg, Gießen, Greifswald, Wien, Graz, Heidelberg, Freiburg, Kiel, Münster und Erlangen-Nürnberg, exemplarisch behandelt. Dabei werden die unterschiedlichen Phasen von der Frühen Neuzeit bis in die Gegenwart detailliert nachgezeichnet. Besonders beeindruckend ist die Vielfalt der behandelten Sammlungen, die verschiedene institutionelle Rahmenbedingungen, Erwerbungsstrategien, Bestandsverluste und Umnutzungen widerspiegeln.
Die Beiträge zeichnen ein lebendiges Bild der vielschichtigen Funktionen von Münzsammlungen. Sie waren und sind nicht nur Lehr- und Forschungsinstrumente, sondern auch Ausdruck wissenschaftlicher Identität, kulturhistorische Schätze und zunehmend Gegenstand musealer Präsentation und digitaler Erschließung. Dies spiegelt sich auch in den thematischen Schwerpunkten wider, die von biografischen Studien bedeutender Numismatiker (zum Beispiel Johann Heinrich Schulze und Georg Wolfgang Wedel) über die Analyse museologischer Ordnungs- und Präsentationskonzepte bis hin zu Diskussionen über Digitalisierung und nachhaltige Bestandserhaltung reichen.
Die wissenschaftliche Fundierung des Bandes ist außerordentlich solide. Die Autorinnen und Autoren präsentieren ihre Forschungen auf der Grundlage umfangreicher Archivarbeit, systematischer Quellenkritik und der Auswertung musealer Bestände. Besonders hervorzuheben ist die methodische Vielfalt: Kulturhistorische, biographische, museologische und technische Perspektiven wechseln sich ab und verleihen dem Werk eine große inhaltliche Dynamik.
Das Werk zeigt beispielhaft, wie sich universitäre Münzsammlungen im Spannungsfeld zwischen Tradition und Moderne bewegen. Die Herkunftsfragen, Bestandsverluste – etwa durch Kriege oder Umstrukturierungen – sowie der Umgang mit neuen medialen Vermittlungsformen (digitale Sammlungsdatenbanken, virtuelle Museen) werden umfassend diskutiert. Damit bietet die Sammlung einen aktuellen Einblick in die zentralen Herausforderungen der numismatischen Fachwelt.
Besonders innovativ sind die Beiträge, die sich mit der Digitalisierung der Sammlungen auseinandersetzen, wie etwa der digitale Typenkatalog antiker Münzprägungen in Düsseldorf oder das digitale Museumsprojekt der Universität Graz. Diese Arbeiten verdeutlichen, wie digitale Technologien die Zugänglichkeit und Nutzbarkeit der Münzbestände revolutionieren und neue Forschungsmöglichkeiten eröffnen. Die Herausgeber betonen dabei die Notwendigkeit, digitale Methoden verantwortungsbewusst mit traditionellen musealen Aufgaben zu verknüpfen, um die Authentizität und wissenschaftliche Substanz der Sammlungen zu bewahren.
Trotz des großen wissenschaftlichen Mehrwerts ist der Band für die Lesenden mitunter eine Herausforderung. Die Vielzahl der Beiträge und die teilweise sehr spezialisierten Fachausdrücke setzen Vorwissen in Numismatik und Universitätsgeschichte voraus. Ein einführendes Glossar oder ein systematischer Überblick über die wichtigsten Fachbegriffe und Institutionen hätte die Zugänglichkeit zusätzlich verbessern können.
Ferner bleibt der Fokus streng auf den deutschsprachigen Raum beschränkt. Dies ist zwar inhaltlich begründet und erhöht die Kohärenz, für eine vergleichende numismatische Forschung wäre jedoch eine stärkere Berücksichtigung internationaler Bezüge und Korrespondenzen wünschenswert gewesen. Auch die thematische Schwerpunktsetzung liegt stark auf historischen und museologischen Aspekten. Gegenwärtige Forschungsprojekte zur Geldgeschichte oder zu monetären Wirtschaftsfragen werden hingegen nur am Rande behandelt.
Alles in allem bleibt die Aufsatzsammlung Universitäre Münzsammlungen im deutschsprachigen Raum ein Meilenstein in der Erforschung universitärer Münzsammlungen. Sie bietet Numismatikern, Museumskuratoren, Wissenschaftshistorikern und allen, die sich mit der Rolle von Münzsammlungen als wissenschaftlichem und kulturellem Erbe befassen, eine unverzichtbare Ressource. Durch ihre interdisziplinäre Methodik und die Verbindung von historischer Fundierung mit zukunftsorientierten Digitalisierungskonzepten wird sie das Verständnis der Sammlungen als lebendige und dynamische Institutionen nachhaltig prägen.
Der Band ist daher nicht nur für Spezialistinnen und Spezialisten von hohem Wert, sondern regt auch zu weiteren Forschungen über die Bedeutung universitärer Kulturgüter im Zeitalter der digitalen Transformation an.
Andreas Raffeiner
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