Trude Grünwald: Die Flucht der Juden nach Albanien
- Dietmar Kreutzer

- vor 2 Tagen
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Als Hitler in Wien einmarschierte, versuchten die Grünwalds das Land zu verlassen. Im Juli 1938 floh die jüdische Familie mit einem Touristenvisum nach Jugoslawien. Doch als sie das Land nach Ablauf der Frist nicht verlassen wollten, drohte die Abschiebung. Das Ehepaar Grünwald war verzweifelt. Da machte sich die 15-jährige Tochter Trude auf den Weg. Sie hatte einen Tipp bekommen. In Albanien sei die Familie willkommen: "Anlässlich seines Thronjubiläums lud König Zogu Besucher aus der ganzen Welt in sein Land ein. Sogar wer das gefürchtete rote J in seinem Pass hatte, bekam ein Touristenvisum." (1) Da sie sonst nirgends mehr unterkam, war das für die Familie eine Chance! Der albanische Konsul in Belgrad empfing Trude persönlich. Freundlich lächelnd sagte er, dass sie gern nach Albanien kommen dürften. Das autokratische Regime des albanischen Königs war allerdings vom Wohlwollen des italienischen Duce abhängig. Die antisemitischen Gesetze des großen Nachbarn wollte es jedoch nicht einführen. König Zogu fand sie sogar abwegig. Verfolgten Juden, die ihm nützlich waren, bot er sogar seine Unterstützung an: "So intervenierte er in Wien, um die zwölfköpfige Fotografenfamilie Weitzmann aus dem Reich herauszuholen. Einer der Brüder, Wilhelm, arbeitete daraufhin als Hoffotograf. Seine Porträts des Monarchen hingen in allen Schulen an den Wänden." (2)

T. Scarlett Epstein alias Trude Günwald (1922-2014)
Bildquelle: Austria-Forum
Bis zum Zweiten Weltkrieg gelang auf diese Weise mehreren hundert Juden aus Deutschland und Österreich die Flucht nach Albanien. Ende November 1938 konnte Familie Grünwald ein Schiff nach Durazzo besteigen. In der albanischen Hafenstadt gingen sie an Land. Die großen Feierlichkeiten, anlässlich derer ihr Visum ausgestellt worden war, lagen da schon einige Monate zurück. Im November 1937 hatte das Land den 25. Jahrestag der Unabhängigkeit gefeiert. König Zogu hielt im Rundfunk eine Ansprache an die Jugend: "Auf euch setze ich all meine Hoffnungen ..." Anlässlich des Festaktes waren viele Gäste begrüßt worden. Auf dem zentralen Skanderbeg-Platz gab es Paraden und einen Umzug von Abordnungen der ländlichen Regionen in traditionellen Festtrachten. Eine Serie von Briefmarken und eine weitere mit Sondermünzen erschienen zu dem Ereignis. Bei letzteren handelte es sich um Silbermünzen zu einem und zwei Franga Ari sowie Goldmünzen zu 20 und 100 Franga Ari. Die Auflage der in Rom geprägten Umlaufgedenkmnünzen lag bei 50.000 Exemplaren für das Stück zu einem Frang Ar und 25.000 Exemplaren zu zwei Franga Ari. Von den Goldmünzen wurden 2.500 Exemplare zu 20 Franga Ari sowie 500 Exemplare zu 100 Franga Ari geprägt.
100 Franga Ari (25. Jahrestag der Unabhängigkeit, 1937, 900er Gold, 32,3 Gramm, 35 mm)
Bildquelle: Numista, Heritage Auctions
100 Franga Ari (Königliche Hochzeit, 1938, 900er Gold, 32,3 Gramm, 35 mm)
Bildquelle: Numista, Heritage Auctions
100 Franga Ari (10. Jahrestag der Inthronisierung, 1938, 900er Gold, 32,3 Gramm, 35 mm)
Bildquelle: Numista, Heritage Auctions
Im April 1938 hatte König Zogu nach einer langen Suche nach einer geeigneten Braut die ungarisch-amerikanische Gräfin Geraldine Apponyi geheiratet: "Die Hochzeit, so stand es auf Briefmarken und Münzen, war ein nationales Ereignis und deshalb wollte Zogu die größte und prunkvollste Staatsfeier ausrichten, die es in Albanien je gab. Drei Tage lang beging das Land mit Aufmärschen, Bällen und Empfängen die Eheschließung." (3) Die Auflagen der Sondermünzen zu diesem Ereignis lagen für das goldene Stück zu 20 Franga Ari bei 2.500 Exemplare und für das Goldstück zu 100 Franga Ari bei 500 Exemplaren. Angesichts der Armut in seinem eine Million Untertanen zählenden Land sorgte der Aufwand für die Eheschließung allerdings weithin für Befremden. Es sollte nicht das letzte Jubelfest bleiben. Wenige Monate später folgte bereits das dritte kostentreibende Großereignis. Drei Tage lang wurde das zehnjährige Thronjubiläum des Königs gefeiert: "Vom 29. August bis zum 1. September fanden Paraden, Ansprachen und Konzerte statt; Festschriften, Goldmünzen, Briefmarken und ein neues Freiheitsdenkmal priesen den albanischen Staat und sein selbsterklärtes Staatsoberhaupt." (4) Die Auflagen der goldenen Münzen lagen diesmal bei 1.000 Exemplaren zu 20 Franga Ari, 600 Exemplaren zu 50 Franga Ari und 500 Exemplaren zu 100 Franga Ari.

Zum Weiterlesen:
Balkan-Odyssee von Marie-Janine Calic
383 Seiten
Verlag C.H. Beck, München
Oktober 2015
Preis: 28 Euro
Als sich Adolf Hitler daran machte, halb Europa zu okkupieren, wollte sein Kampfgenosse Benito Mussolini nicht abseits stehen. Zuerst annektierte der "Duce" das afrikanische Abessinien, im April 1939 folgte das wirtschaftlich von Italien abhängige Albanien. Trude Grünwald notierte in ihrem Tagebuch, dass zu Ostern mit einem Angriff der Italiener auf Durazzo gerechnet wurde. Pünktlich am Karfreitag ging es los: "Zusammengekauert in einem Keller warteten wir, bis das Feuergefecht, das sich die italienischen mit den albanischen Truppen lieferte, abflachte, und musste erkennen, dass die Italiener den Sieg davongetragen hatten." (5) König Zogu floh mit einem Teil der staatlichen Goldreserven ins Ausland. Italien brachte den Rest des albanischen Goldes nach Rom. Unter dem frisch ernannten italienischen Generalstatthalter von Albanien waren die Juden nicht mehr sicher. Eine Fluchtwelle setzte ein. Ein Bekannter von Trude Grünwald verhalf ihrer Familie zu Tickets auf einem Frachtschiff nach England. Nach der Flucht, die sie bis nach Amerika führte, änderte sie ihren Namen in T. Scarlett Epstein. Die hilfsbereiten Albaner behielt sie ein Leben lang in guter Erinnerung. Kurz vor ihrem Tod erklärte sie: "Mein größtes Anliegen momentan ist Albanien. Denn das Land hat mir einst das Leben gerettet. Es war ein Muster an Toleranz. Und das möchte ich nun zurückzahlen." (6)
Dietmar Kreutzer
Quellenangaben:
(1) Axel Reiserer: T. Scarlett Epstein - Die sieben Leben einer Leopardin; auf: nunu.at, 29.06.2014
(2) Marie-Janine Calic: Balkan-Odyssee 1933-1941 - Auf der Flucht vor Hitler durch Südosteuropa, München 2025, S. 180
(3) Ebenda, S. 178
(4) Ebenda, S. 179
(5) T. Scarlett Epstein auf: lettertothestars.at
(6) Reiserer
















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