Numismatische Universitätssammlung und numismatische Lehre an den Universitäten von Königsberg, Göttingen und Tübingen
- Andreas Raffeiner
- vor 3 Tagen
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Pascal Weitmann:
Numismatische Universitätssammlung und numismatische Lehre an den Universitäten von Königsberg, Göttingen und Tübingen
(= Schriften zur Ideen- und Wissenschaftsgeschichte, Bd. 26)
Dr. Kovač Verlag, Hamburg 2024,
134 S., 48,80 Euro
ISBN 978-3-339-14150-7 978-3-339-14150
Pascal Weitmann widmet sich in seinem Werk einem bislang wenig systematisch aufgearbeiteten, gleichwohl kultur- und wissenschaftsgeschichtlich bedeutsamen Thema: der Entstehung und Entwicklung numismatischer Universitätssammlungen sowie der akademischen Numismatik an vier traditionsreichen Universitäten im deutschen Sprachraum – Königsberg, Leipzig, Göttingen und Tübingen. Der Autor verknüpft institutionengeschichtliche, sammlungshistorische und lehrgeschichtliche Perspektiven und bietet damit eine fundierte Gesamtschau, die für Fachhistorikerinnen und -historiker, Kuratorinnen und Kuratoren sowie Universitätsarchivarinnen und -archivare von hohem Interesse ist.
Die Studie ist klar strukturiert: Nach einführenden rahmenden Überlegungen (Kap. I) widmet sich Weitmann zunächst in vier separaten Kapiteln (Kap. II–V) der Geschichte der jeweiligen Universitätssammlungen. Im Zentrum steht dabei die Frage nach der Provenienz der Sammlungen, ihrer Erweiterung sowie ihrem wissenschaftlichen Stellenwert im jeweiligen universitären Kontext. Im sechsten Kapitel erfolgt eine systematische, nach Standorten gegliederte Übersicht der angekündigten numismatischen Lehrveranstaltungen vom Zeitpunkt der Sammlungsgründung bis zum Wintersemester 2020/21. Ein ausführliches Literaturverzeichnis (Kap. VII) rundet die Arbeit ab.
Die untersuchten Sammlungen wurden auf unterschiedliche Weise begründet. So war in Königsberg (1719) und Tübingen (1798) war jeweils eine Erbschaft der Auslöser für den Aufbau der numismatischen Bestände, während die Sammlung in Leipzig (1718) auf eine Schenkung und jene in Göttingen (1773) auf den Ankauf einer Privatsammlung zurückgeht. Auch die spätere Erweiterung der Sammlungen erfolgte in der Regel auf denselben Wegen, was Weitmann präzise dokumentiert hat.
Besonders verdienstvoll ist, dass der Autor nicht bei der historischen Beschreibung der Sammlungen stehenbleibt, sondern auch ihren jeweiligen Stellenwert innerhalb der Forschung und Lehre der Universitäten untersucht. Er benennt einschlägige Publikationen, die im Zusammenhang mit den Sammlungen entstanden sind, und diskutiert, inwieweit sich die Numismatik als eigenständiger Lehrgegenstand etablieren konnte.
Ein zentrales Element des Buches ist die vollständige Erhebung der angekündigten numismatischen Lehrveranstaltungen – eine beeindruckend detailreiche Leistung, die auf der Auswertung zahlreicher Vorlesungsverzeichnisse basiert. Dabei wurden alle Veranstaltungen berücksichtigt, bei denen numismatische Inhalte zu erwarten sind, auch wenn der konkrete Nachweis der aktiven Nutzung der Sammlungsbestände in der Lehre – insbesondere in früheren Jahrhunderten – in den meisten Fällen nicht zu erbringen war. Diese methodisch reflektierte Einschränkung schmälert jedoch nicht den Wert des Unternehmens, das eine wertvolle Grundlage für weitere Forschung bietet.
Die Ergebnisse dieser Lehranalyse sind zugleich aufschlussreich für einen Vergleich: Während die Numismatik in Königsberg stets eine Randexistenz führte – was sich in der geringen Zahl entsprechender Veranstaltungen und dem geringen Einfluss der Sammlung niederschlägt –, erlangte sie in Tübingen nach dem Zweiten Weltkrieg zunehmende Bedeutung. Leipzig und Göttingen ist in ihrer Entwicklung zwischen diesen beiden Polen anzusiedeln, mit phasenweise reger, dann wieder stagnierender Lehrtätigkeit.
Weitmanns Studie überzeugt durch ihre präzise Recherche, differenzierte Darstellung und methodische Stringenz. Die Arbeit macht deutlich, dass die numismatischen Sammlungen nie reine Schausammlungen waren, sondern Teil einer sich wandelnden akademischen Kultur, in der sich wissenschaftlicher Anspruch, pädagogisches Interesse und sammlerisches Engagement überschnitten.
Durch die Betonung institutioneller Rahmenbedingungen, wie der Rolle einzelner Professoren, des Verhältnisses zu anderen Altertumswissenschaften oder der Einbindung der Sammlungen in übergeordnete Lehrpläne, gelingt Weitmann eine historisch-kontextualisierte Analyse, die weit über eine reine Sammlungsgeschichte hinausgeht.
Hervorzuheben ist, dass die Königsberger Sammlung – trotz ihrer Zerstörung im Jahr 1945 und der Überführung von Restbeständen nach Göttingen – nicht in Vergessenheit gerät, sondern ihre wissenschaftliche Bedeutung gewürdigt wird. Damit trägt die Studie auch zur Bewahrung des wissenschaftlichen Erbes des historischen Universitätsstandorts Königsberg bei, der sich heute in Russland befindet.
Ein kleiner Kritikpunkt betrifft die fehlende internationale Vergleichsperspektive. Ein Blick über den deutschen Sprachraum hinaus – etwa auf numismatische Sammlungen in Paris, Oxford oder Wien – hätte den Befund weiter kontextualisieren und Unterschiede sowie Parallelen aufzeigen können. Zudem hätte man sich einzelne Abbildungen der Sammlungen oder exemplarischer Stücke gewünscht, um die materielle Seite des Themas stärker sichtbar zu machen.
Nichtsdestotrotz bleibt festzuhalten, dass Weitmann mit dieser Untersuchung ein Pionierwerk vorlegt, das die numismatische Wissenschafts- und Sammlungsgeschichte mit großem Sachverstand, archivarischer Tiefenrecherche und methodischer Klarheit erschließt.
Pascal Weitmanns Arbeit ist ein grundlegender Beitrag zur Geschichte der akademischen Numismatik in Deutschland. Sie bietet nicht nur eine systematische Darstellung der Entwicklung numismatischer Sammlungen, sondern zeigt auch die enge Verbindung zwischen Sammlung, Lehre und Forschung auf. Die Studie ist sorgfältig recherchiert, quellennah und methodisch reflektiert – und sie füllt eine lange bestehende Forschungslücke. Kurzum: Das hier zu besprechende Buch ist ein Muss für alle, die sich mit der Geschichte der Altertumswissenschaften, der Universitäts- und Sammlungsgeschichte oder der Numismatik beschäftigen.
Andreas Raffeiner
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