"Money, money, money" von Benoist Simmat und Tristan Garnier
- Dietmar Kreutzer
- vor 5 Stunden
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Wie beginnt man ein Buch zur Geschichte des Geldes? Der französische Wirtschafts- und Finanzjournalist René Sedillot ist in seiner Geschichte des Geldes gleich in den mehrere Jahrtausende währenden Entwicklungsprozess eingestiegen: "Das Erlernen von artikuliertem Sprechen und die Kommunikation durch in Stein gemeißelte Zeichen sind Leistungen, die auf die Anfänge der menschlichen Zivilisation zurückgehen." (1) Das einige Zeit später entstandene Geld sei eine Etappe im Werdegang des Menschen. Michael North, Professor für Allgemeine Geschichte der Neuzeit in Greifswald schrieb in der Einleitung seiner Kleinen Geschichte des Geldes, etwas über das Wesen der kleinen Metallscheiben oder "Urkunden" verschiedenartigster Form: "Während das Geld in den wenig entwickelten Gesellschaften als Hortgeld oder Protzgeld zur Repräsentation und zur dauerhaften Vermögensanlage Verwendung fand, wird es in den modernen Volkswirtschaften nach seinen drei Grundfunktionen des Tauschmittels, des Wertaufbewahrungsmittels und der Recheneinheit definiert." (2)

Der französische Wirtschaftsjournalist Benoit Simmat und und der junge Zeichner Tristan Garnier, der hier erstmals publiziert, gehen ganz anders an die Sache heran. Im Vorwort zu dem Buch schreibt Olivier Bossard, ein Professor für Finanzwissenschaften an der HEC Paris, dass vor allem Garniers präziser und lebhafter Zeichenstil eine Neuerung für die Darstellung finanzhistorischer Zusammenhänge sei : "Die Leichtigkeit dieser Zeichnungen ermöglicht ihm die vertiefte Herangehensweise zur Erforschung der historisch wichtigsten monetären Umwälzungen, wie die Entstehung von Bankensystemen, die Schaffung der ersten Metallmünzen und die Währungsreformen, die mit politischen und wirtschaftlichen Revolutionen einhergingen." (3) Die beiden Autoren blieben dabei jedoch nicht stehen. Sie zeigen die Globalisierung des Handels und das Wachstum der internationalen Währungssysteme. Der Rahmen werde über die Einführung neuer Geldformen gespannt. Bossards Schlusswort: "Sie, liebe Leserinnen und Leser, halten ein Juwel in den Händen. (...) Ein Meisterwerk!" (4)

Tatsächlich ist schon der Einstieg ungewöhnlich. Auf der ersten Zeichnung ist irgendwo in Nordeuropa ein Nerd vor einem Computer-Bildschirm zu sehen. Er stellt sich anhand eines Signets auf seinem Kapuzenshirt vor: "Wissen Sie, wer ich bin? Kommt Ihnen dieses Symbol bekannt vor?" Die Auflösung: "Mittlerweile kennt man das Logo. Die berühmteste Kryptowährung ist der Bitcoin und ich bin sein Erfinder." Nieman kenne seine wahre Identität. Sein Pseudonym sei Satoshi Nakamoto. In der Graphic Novel trägt er während seiner Führung durch die Geschichte des Geldes eine Maske. Im ersten Kapitel wird das "Geld" vor dem Geld vorgestellt. Der Warentausch in der Altsteinzeit war offenbar manchmal witzig. Als die Kräuterfrau der Sippe im Dorf wieder einmal auf den tapferen Jäger traf, dachte sie nämlich: "Der wird sich doch wohl an das Mittel gegen seine Hämorrhoiden erinnern, das ich ihm besorgt hab ..." Der Jäger hat ein schlechtes Gewissen: "Wenn morgen die Jagd gut läuft, werd ich ihr ein großes Bärensteak geben. Das bin ich ihr schuldig ..." Auch direkter Tausch war an der Tagesordnung, etwa Fuchs gegen Fisch: "Gut, ich koch ihn morgen. Dann ist eh Freitag!"


Dann geht es in das Königreich Lydien, wo im 7. Jahrhundert vor unserer Zeitrechnung die ersten Münzen hergestellt wurden. Einige Jahrhunderte später kam in China die mit einem Loch versehenen Käsch-Münze auf: "Diese erstaunliche Münze ist die offizielle Währung im Kaiserreich der Han-Dynastie. Sie ist aus Bronze und wiegt exakt 3,2 Gramm und heißt Wuzhou." Satoshi Nakamoto erklärt, dass die Münze ein Äquivalent zum römischen Denar war. In China sei Gold und Silber sehr selten gewesen. Daher verwendete man es nicht für Münzen, sondern nur als Wertrücklage in Form von Barren oder Schmuck. Die Münzen wurden nun sogar zum Handel über weite Entfernungen eingesetzt. Und wieder geht es ins pralle Leben: "Ich habe gehört, dass Du Deinen Reis jetzt an den Staat Zhao verkaufst. Das sind doch unsere Feinde!" Der von seinem Kunden so auf moralische Erwägungen angesprochene Händler ist um die passende Antwort nicht verlegen: "Ist doch egal. Sie zahlen mehr als Du!" Nakamoto erklärt dazu aus dem Off, dass für die Transaktionen in dem riesigen Reich enorme Mengen an Münzen nötig waren. Milliarden von Wuzhou mussten jährlich geprägt werden!

Bildquellen: Knesebeck Verlag
Tatsächlich: Die gezeichnete Reise durch die Zeit vermittelt Wissen über finanzielle Zusammenhänge viel eingängiger und vergnüglicher als nur in textlicher Form! Die anregende Form der Vermittlung des Wissens dürfte auch ein Lehrstück für numismatische Formate sein. Die in den einschlägigen Medien veröffentlichen Fachartikel sind bekannterweise oft recht dröge. Dass es zumindest für Einsteiger besser geht, ist mit der vorliegenden Graphic Novel aber nicht zum ersten Mal gelungen. Vor einigen Jahren erschien schon einmal eine sinnlich anregende Geschichte des Geldes, jene von Michael Vaupel und Vivek Kaul. Zu den politischen Risiken des Geldes heißt es im Vorwort, dass schon Georg Friedrich Wilhelm Hegel (1770-1831) festgestellt habe, dass Regierungen über die Jahrhunderte hinweg kaum aus der Geschichte gelernt hätten. "Leichtes Geld" und immer neue Schulden würden in Krisenzeiten weiterhin als die großen Heilmittel gepriesen: "Unsere verantwortlichen Zentralbanker und Politiker lesen offensichtlich nicht genügend Geschichtsbücher oder sie sind nur daran interessiert, dass ihre eigene Amtszeit ohne große Probleme vonstattengeht wofür sie alles tun würden. Und wenn das bedeutet, eine neue Ära des leichten Geldes einzuläuten, dann sei es so." (4)
Dietmar Kreutzer
Quellenangaben:
(1) René Sedillot: Muscheln, Münzen und Papier - Die Geschichte des Geldes; Frankfurt/Main 1992, S. 9
(2) Michael North: Kleine Geschichte des Geldes - Vom Mittelalter bis heute; München 2009, S. 7
(3) Olivier Bossard: Die unglaubliche Geschichte des Geldes oder die Facetten des Reichtums; in: Money, money, money, S. 8f.
(4) Michael Vaupel, Vivek Kaul: Die Geschichte(n) des Geldes - Von der Kaurischnecke zum Goldstandard - So entwickelte sich das Finanzsystem; 2016, S. 8
Benoist Simmat (Autor), Tristan Ganier (Illustrator):
Money, money, money
Von der Münze bis zum Bitcoin - Die unglaubliche Geschichte des Geldes
Knesebeck Verlag München
208 Seiten
Abmessungen: 18,1 x 2,2 x 25,7 cm
ISBN 978-3-95728-838-7
Erschienen am 26. September 2024
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