Wenige Jahre vor der Einführung des Euros kam ein Kunststudent aus Deutschland für ein Jahr nach Madrid. An der Prachtstraße Gran Via, wo das einstige Versicherungsgebäude mit der Leuchtschrift „Metropolis“ in dem Himmel ragt, ging er auf die Suche nach einer Unterkunft. In einer Seitenstraße stieß er auf die bescheidene Pension „La Zamorana“ für 2.000 Pesetas pro Nacht. Am Morgen nach der ersten Nacht stand die Vermieterin schon neben dem Bett. Die nächsten 2.000 Pesetas waren fällig! So konnte es nicht weitergehen. Ein auf Dauer bezahlbares Zimmer musste her! Schon das zweite Angebot klang vielversprechend:
„Sehr zentral! Bereich Gran Vía. Ruhiges und geräumiges Zimmer in p/c, Heizung, Telefon und Musikanlage, Waschmaschine. 30.000 Pesetas/Monat. Fröhliche und freundliche Leute gesucht.“ (1)
Das Haus war jedoch eine Ruine, das Zimmer miserabel. Immerhin funktionierte die Heizung. Ein Musikanlage spielte unaufhörlich und überall, sogar auf der Toilette. Mit dem Hauptmieter Jesús feilschte der Neuankömmling um die monatliche Untermiete. Für 15.000 Pesetas würde er einziehen. Jesús war empört. Das zweite Gebot kam nur noch als Frage: „20.000?“ Die Antwort: „25.000!“ Jesús beruhigte sich wieder:
„Für heute ging das Ringen so aus, dass die Trägheit gewann. 25.000 waren nicht wenig für so ein Zimmer, aber es war weniger als bei den Zamoranas, und weitersehen konnte man dann immer noch.“ (2)
Metropolis-Haus in der Grand Via (Madrid) bei Nacht, Bildquelle: Wikimedia, Angelini.
Wie sah Spanien am Ende des 20. Jahrhundert aus? Im Jahre 1975 war der Diktator Francisco Franco gestorben. Während der Transition, also des Übergangs zur Demokratie, schlitterte die Wirtschaft in eine schwere Krise:
„Bis 1984 kann man von einer tiefen Depression sprechen. Die Wachstumsraten des Bruttoinlandprodukts waren niedrig bis negativ, die Investitionen und die Beschäftigungen gingen im internationalen Vergleich überdurchschnittlich zurück, die Preissteigerungsraten waren hoch, das Haushaltsdefizit stieg weiter an. (…) Dass in den Jahren der transición die Inflation derart zunahm, hing – neben anderen Ursachen – mit den Streiks und Arbeitskonflikten zusammen, die die realen Lohnstückkosten im internationalen Vergleich in die Höhe schnellen ließen. Das Haushaltsdefizit wiederum ist auf die außerordentliche Ausweitung der Staatsausgaben zwischen 1978 und 1983 zurückzuführen; in jenen Jahren erfuhren die Staatsausgaben eine durchschnittliche Jahressteigerung um 24,9 %, wobei es sich vor allem um konsumtive ausgaben und um öffentliche Subventionen für Unternehmen handelte.“ (3)
Die jährliche Inflationsrate lag im Sommer 1977 bei über 40 Prozent und in der ersten Hälfte der achtziger Jahre noch immer oberhalb von zehn Prozent. Die Peseta musste im internationalen Vergleich wiederholt abgewertet werden. Die Kaufkraft der einst großformatigen Silbermünzen fiel in atemberaubendem Tempo.
100 Pesetas (Spanien, 100 Jahre Nationalbibliothek, 1996, Aluminium-Bronze, 9,2 Gramm, 24 mm), Bildquelle: VCoins.
Dieser Wertverlust war den Münzen deutlich anzusehen:
„Im Laufe der Zeit schrumpfte die Peseta zu einer kleinen Aluminium-Münze, die kaum noch im Umlauf anzutreffen ist.“ (4)
Höhere Wertstufen mussten eingeführt werden. War bisher das 100-Pesetas-Stück die größte Münze, gab es ab 1986 auch Münzen zu 200 Pesetas und ein Jahr später sogar zu 500 Pesetas. Das 500-Pesetas-Stück war kleiner und leichter als eine zwölf Jahre zuvor erschienene 50-Pesetas-Münze! Das wertlos gewordene Kleingeld der Centimos wurde im 1984 aus dem Verkehr gezogen. Infolge des politischen Systemwechsels änderte sich zudem das Aussehen der Zahlungsmittel. Die Insignien des Diktators wurden durch ein Wappen der demokratisch ausgerichteten Monarchie ersetzt:
„Mit dem Regierungsantritt König Juan Carlos I. im Jahre 1975 beginnt sich der Wandel im spanischen Staatswesen auch auf den Münzen abzuzeichnen. Die Kursmünzen zeigen nun das Bild des Königs, aber der wegweisende Wandel vollzieht sich auf der Wertseite: Nach und nach verschwinden der Adler des Johannes, die Devise UNA GRANDE LIBRE sowie zuletzt – 1989 – das Joch und das Pfeilbündel der Katholischen Könige. Übrig bleibt lediglich das gekrönte Staatswappen des Königs – mit dem bourbonischen Emblem der Lilien in der Mitte und den bekannten Wappen von Kastilien, Léon, Aragón, Navarra und Granada -, flankiert von den Säulen des Herakles.“ (5)
1.000 Pesetas (Spanien, 20 Jahre Verfassung, 1998, 925er Silber, 13,5 Gramm, 33 mm), Bildquelle: Aureo & Calicó S.L., Auction 366, Lot 4191.
Das veränderte Aussehen und die neuen Wertstufen führten zu einer Münzvielfalt, die mit der Ausgabe umlauffähiger Gedenkausgaben bald schwer überschaubar wurde:
„Seit 1986 begannen die spanischen Kursmünzen vielgestaltiger zu werden. Zu Recht konnte davon gesprochen werden, dass Spanien bis Ende 1996 ein Eldorado für Kurs- und Scheidemünzensammler war. Die Vielgestaltigkeit in Größen und Metallfarben bei den Geldstücken macht ihren Reiz aus, bedeutete aber zugleich für die Wirtschaft und vor allem für den Tourismus eine schwere Last.“ (6)
Erst im Januar 1997 verschwanden die letzten Münzen der Franco-Zeit aus dem Zahlungsverkehr. Insgesamt neun Kursmünzenwerte zwischen einem und 2.000 Pesetas, darunter regionale Gedenkausgaben, blieben im Umlauf. Seit 1987 gibt es an der staatlichen Münzprägestätte eine Abteilung für Sondermünzen. Seitdem ist die Zahl der aus Gold und Silber gefertigten numismatischen Prägungen schlagartig angestiegen:
„Spanien nutzte und nutzt bewusst die Möglichkeit, über die Ausgabe von Sondermünzen mit geringerem Nominalwert als dem Abgabepreis dem Staatshaushalt Einnahmen zu verschaffen.“ (7)
Die Vielfalt der edel wirkenden Prägungen, teils mit historischen oder anderen nicht kursfähigen Wertbezeichnungen versehen, ist beachtlich. Für manchen Sammler wurden die Editionen auf diese Weise aber immer beliebiger und damit fragwürdig.
2.000 Pesetas (Spanien, Abschied von der Peseta, 2001, 925er Silber, 18 Gramm, 33 mm), Bildquelle: Wikimedia, Chencho Q.
Die Einführung des Euros war für Spanien letztlich ein Segen. Monatsmieten für ein Zimmer, die wie bei Jesús in die Zigtausende gehen, gibt es seither jedenfalls nicht mehr!
Dietmar Kreutzer
Quellenangaben:
Peter Richter: Gran Vía – Ein Jahr in Madrid; München 2011, S. 40.
Ebenda, S. 47.
Walther L. Bernecker, Horts Pietschmann: Geschichte Spaniens; Stuttgart 1993, S. 379.
Lire, Mark und Gulden: Von der Vielfalt zum Euro; in: Das Fenster in der Kreissparkasse Köln, Thema 161, September 2001, S. 5.
Länder und Münzen im Spiegel der Zeit: Spanien (1850 bis 2000), S. 18; auf: moneymuseum.de.
Rainer Wohlfeil: Geschichte Spaniens im Spiegel von Münzen und Banknoten, Teil 6 – Das Zeitalter der Peseta; Hamburg 2008, S. 76; auf: comunicarte.de.
Ebenda, S. 103.
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