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Leitfaden Münzensammeln: Fantasieprodukte und der Karlsruher Münzskandal


Auf der Grundlage des von Wolfgang J. Mehlhausen verfassten Buches „Handbuch Münzensammeln“ möchten wir in mehreren Teilen einen Leitfaden für das Münzensammeln veröffentlichen – für bereits Aktive und die, die es werden wollen, denn Nachwuchs ist wie überall, wichtig!


Fantasieprodukte zu Goethes Zeiten

Es werden nicht nur Münzen früherer Zeiten zum Schaden der Sammler nachgeprägt, sondern sogar erfunden, so sonderbar dies anmutet. Immer wieder werden beispielsweise 5-, 20- und 100-Reichsmark-Stücke mit dem Porträt Adolf Hitlers angeboten, doch solche Stücke gab es nicht, abgesehen von wenigen Proben, die 1942 in der Berliner Münze hergestellt wurden.


Doch Münzfälschungen, die Berufsnumismatiker vor Rätsel stellten, gab es schon zu früheren Zeiten. Der Hofrat Becker (1772 – 1830), Zeitgenosse und Freund Goethes war Wein- und Antiquitätenhändler. Er hatte ein großes Interesse an antiken Münzen und be- gann, Stempel antiker und mittelalterlicher Stücke zu fertigen, die er künstlerisch „nachempfunden“ hatte. Er fand für seine perfekten Erfindungen Käufer in aller Welt und wurde sogar vom Fürsten Carl von Isenburg zum Hofrat ernannt. Mit Freude stellte er fest, dass seine Neuschöpfungen große Anerkennung fanden, er patinierte sie hervorragend und viele Produkte gingen sogar an Museen. Als Zweifel an der Echtheit seiner Stücke geäußert wurden, offenbarte sich der nicht etwa reich gewordene Hofrat und bot seine „Sammlung“ und Stempel später Museen an. Sie gelangten schließlich in den Besitz des Berliner Münzkabinetts.


Da Becker seine Produkte selbst hervorragend dokumentierte, sind diese lückenlos erfasst und bekannt, doch bei den Sammlern im 19. Jahrhundert führte diese Falschmünzerei zu großer Verwirrung. Es war auch damals nicht einfach, ihn gerichtlich zu belangen, hatte er sich doch nicht der Falschmünzerei zum Schaden eines Münzherrn strafbar gemacht. Schließlich hatte er, anders als Dr. Schmidt, nicht einmal Originale nachgeprägt, sondern Münzen erfunden, auf die er sogar sehr stolz war.


Anders erging es einem Fälscherkollegen ein halbes Jahrhundert früher. Den Lothringer St. Urbain steckte der Herzog von Lothringen und spätere Kaiser Franz I. wegen Fälschungen alter Münzen einige Wochen bei Wasser und Brot in den Kerker. Heute werden die Beckerschen Fälschungen gern gesammelt und gut bezahlt, ebenso wie die „Paduaner“, die Sesterzen-Nachahmungen des in Padua ansässigen Medailleurs Cavino (1500 – 1570).


Wenig bekannt ist bei uns hingegen, dass auch die Polen einen „berühmten“ Fälscher hatten. Sein Name ist Josef Majnert, er wurde 1813 als Sohn des Gottfried Majnert geboren, der als Graveur in der Warschauer Münze tätig war. Nach einem Kunststudium war er Mitarbeiter der Münzstätte Warschau von 1830 bis 1846. Etwa 1836 begann der mit seiner Arbeit nicht sehr zufriedene Majnert mit der Herstellung von Fantasiemünzen, besonders großer Talerstücke. Auch er erfand Münzen, die von der Fachwelt zunächst bestaunt und dann beargwöhnt wurden. 1871 schließlich verkaufte er seine Stempelsammlung an Karol Beyer, einen bekannten Numismatiker, der sie wiederum Graf Hutten-Czapski überließ, der die größte Sammlung polnischer Münzen aller Zeiten zusammengetragen hat.


Bis heute gibt es immer wieder fragliche Prägungen, von denen nicht zu sagen ist, ob sie von Majnert oder anderen Fälschern aus jener Zeit stammen. Münzfälschungen zum Ärger der Sammler gab es also auch schon früher, wenngleich primär auch aus anderen Motiven, wie künstlerischem Ehrgeiz und nicht, um das schnelle Geld zu machen.


Der Karlsruher Münzskandal


Begehrt als Original und Nachprägung: 50-Pfennig-Stück Bank deutscher Länder von 1950 G.

Ab Mitte 2001 hatte eine pfiffige Werbefirma die Idee, auf sich und das Medium „Plakatwerbung“ aufmerksam zu machen. Die meisten Leute übersehen heute die Plakatflut auf Bahnhöfen, an Bauzäunen und sonstwo, es sei denn, ihre Aufmerksamkeit wird in be- sonderer Weise erregt. Überall im Lande fand man auf diesen Plakaten Informationen zu „Schätzen“ im Portmonee, dazu waren einige vertraute bundesdeutsche Münzen abgebildet, mit entsprechend hohen Werten, die man dafür bekommen könne. Die Telefone bei den Münzhändlern standen nicht mehr still, jeder glaubte, das gesuchte 2-Pfennig-Stück von 1969 oder einen Fünfziger mit „Bank deutscher Länder“ gefunden zu haben, die er schnell zu „Barem“ machen wollte. Fernseh- und Radiosender nahmen sich des Themas an, die Boulevardpresse, die es schon in früheren Zeiten regelmäßig aufgegriffen hatte, schrieb mehr oder minder qualifizierte Berichte dazu.


Zweifelsfrei gibt es bei den alten DM-Münzen eine Vielzahl von gesuchten Stücken, wahre Raritäten sind darunter. Immer wieder im Gespräch ist jedoch vorrangig das 50-Pfennig-Stück von 1950 G mit der Inschrift „Bank deutscher Länder“. Die ersten 50-Pfennig-Stücke des Jahres 1949, die in allen vier Münzstätten hergestellt wurden, hatten alle diese Umschrift: „BANK DEUTSCHER LÄNDER“. Ab 1950 wurde auf den Münzen stattdessen „BUNDES- REPUBLIK DEUTSCHLAND“ aufgeprägt. Nur in der Münzstätte Karlsruhe, Münzzeichen „G“, wurde versehentlich eine Prägung mit Jahreszahl 1950 und der alten Inschrift „BANK DEUTSCHER LÄNDER“ ausgeführt, und zwar in einer Auflage von nur 30.000 Stück. Diese sind heute sehr gesucht und werden in Prachterhaltung mit bis zu 1.000 Euro bezahlt, aber auch nur in der Erhaltung „sehr schön“ kosten sie bis 500 Euro. Wer hingegen eine solche Münze mit der „normalen“ Umschrift BUNDESRE- PUBLIK DEUTSCHLAND besitzt, muss schon ein Prachtexemplar haben, um ein paar Euro dafür zu bekommen.



Es kam zu weiteren Verhandlungen, die letzte Runde fand erst im Juni 1978 statt. Man hatte in Karlsruhe eine Vielzahl von unterdessen sehr gesuchten Sammlermünzen, eben auch dieses rare 50-Pfennig-Stück „Bank deutscher Länder“ in größerer Zahl unbefugt mit Originalstempeln nachprägen lassen bzw. dies geduldet. Seinerzeit war dies bei Sammlern schon gut 300 DM wert. Es wurden auch Stücke in Spiegelglanzqualität gefertigt, die es normalerweise nicht hätte geben dürfen. Bestohlen hatten die Angeklagten den Münzher- ren nicht, denn für jedes nachgefertigte Stück hatten sie ordnungsgemäß den Nominalwert entrichtet, also eine andere Münze abgegeben und „verwalzt“, also durch Walzen unkenntlich gemacht. Bei dem legendären 50-Pfennig-Stück hatte man jedoch einen Fehler gemacht. Für die Vorderseite wurde der alte Stempel von 1950, für die Rückseite jedoch ein späterer eingesetzt.

Münzfreunde, die an juristischen Fragen dieses Skandals interessiert sind, sollten es sich nicht entgehen lassen, in der Fachliteratur genauer nachzulesen, es gibt dort sicher einige Kuriositäten in Bezug auf die Rechtsgrundlage und Auslegung des Sachverhalts. Mögen die Rechtsgelehrten darüber streiten, ob diese „falschen Fünfziger“ aus Karlsruhe nun Geld sind oder nicht – die Sammler interessiert dies weniger. Denn die „Skandalmünzen“ werden heute genauso hoch wie die wirklich 1950 geprägten Stücke gehandelt, obwohl der Fachmann sie unterscheiden kann.


Erfahrung – der beste Fälschungsschutz

Dieser kleine Ausflug in das Reich der Kriminalität mit wenigen Beispielen mag nachdenklich stimmen, soll aber einen Anfänger keinesfalls entmutigen. Sicher haben auch die meisten al- ten Sammler schon mal eine Fälschung „angedreht“ bekommen. Und aus Schaden wird man klug. Abermals sei vor so genannten „Schnäppchen“, dem unkritischen Kauf von Raritäten von Unbekannten, gewarnt, vor allem dann, wenn der Preis auffallend günstig ist.


Über Internetkäufe wird noch ausführlich zu sprechen sein. Hier ist die Regel: Erst das Geld, dann die Ware. Entscheidend ist auch hier die Quelle: Bei seriösen Firmen und ehrlichen privaten Anbietern kann man sicher etwas Gutes günstig erwerben. Aber zu verschenken hat keiner etwas.


Erfahrene und kooperative Händler helfen gern auch mit Ratschlägen. Sie wissen meist, welche Fälschungen aktuell auf den Markt gelangt sind und welche Münzen besonders fälschungsgefährdet sind. Sie werden auch gelegentlich ein vorgelegtes Stück für Kunden begutachten. Doch ein Sammler, der fast nur auf dem Flohmarkt kauft, darf nicht erwarten, dass er stets kostenlos die Dienste eines Berufsnumismatikers in Anspruch nehmen kann.

Man sollte sich keine Gelegenheiten entgehen lassen, Fälschungen selbst genau anzusehen, so im Münzverein oder beim Fachhändler. Erst anhand konkreter Fälle gewinnt man auch auf diesem Gebiet Erfahrungen und Sicherheit und kann das Auge für typische Merkmale bei falschen Münzen schulen.


Und noch ein letzter Hinweis: Wenn Sie die geringsten Zweifel an der Echtheit eines Stücks haben, dann lassen Sie es liegen, wo es ist. Man sollte sich lieber die eine oder andere Chance entgehen lassen, als viel Geld für eine „Eule“ auszugeben, wie man manchmal unter Sammlern salopp falsche Münzen nennt.

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