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Goldumlauf der Extreme: Historische Winzlinge


Die kleinsten Münzen der deutschen Geldgeschichte dürften die im 18. Jahrhundert geprägten Teilstücke von Dukaten gewesen sein. In den Städten Regensburg und Nürnberg kamen sogenannte Linsendukaten bis zum Zweiunddreißigstel eines Dukaten heraus. Unter den nach der Gründung des Deutschen Reiches für den deutschen Geldumlauf geplanten Münzen gibt es zwei Beispiele von Geldstücken, die außerordentlich klein geraten waren. Dabei handelte es sich um das silberne Zwanzig-Pfennig-Stück und das goldene Fünf-Mark-Stück. Ein Zwanzig-Pfennig-Stück aus Silber war im Jahr 1873 erstmals ausgegeben worden. Schon im Jahr 1877 wurden die Prägungen aber wieder eingestellt: „Das Zwanzigpfennigstück bewährte sich nicht. Wie das goldene Fünfmarkstück war es zu klein und damit zu unhandlich und floss stets in die öffentlichen Kassen zurück; man prägte diese Münzen in andere Silbermünzen um. Es nützte sich auch rasch ab, wie die heute in Sammlerhand befindlichen Stücke beweisen. Man kann davon ausgehen, dass eine Münze für die Handhabung zu klein ist, wenn sie kleiner ist als die Berührungsfläche der Haut von Daumen und Zeigefinger, presst man diese zusammen.“ (1) Weil es unhandlich war und überdies leicht verloren ging, bewährte sich auch das goldene Fünf-Mark-Stück nicht, das im Jahre 1877 erstmals ausgeprägt worden ist: „Nach dem Münzgesetz von 1873 gab es noch eine kleine Goldmünze zu fünf Mark (279 Stück auf das Pfund Feingold). Es bewährte sich aus den angegebenen Gründen nicht, so dass die Prägung 1878 aufgegeben wurde.“ (2) Heute sind die Stücke unter Sammlern begehrt. Im internationalen Geldumlauf des 19. Jahrhunderts waren die Fünf-Mark-Stücke aber keineswegs die einzigen Winzlinge. Es gibt zahlreiche Beispiele besonders leicht oder klein geratener Münzen. Unter ihnen befinden sich auch Goldmünzen mit verschwindend geringem Goldanteil.



5 Mark (Deutsches Reich, Großherzogtum Hessen, 1877, 900er Gold, 1,99 Gramm, 16 mm)

Bildquelle: ESG Edelmetall-Service



1 Dollar (USA, 1849, 900er Gold, 1,672 Gramm, 13 mm)

Bildquelle: Numismatic Guaranty Company


In Fällen, in denen es an Silber mangelte oder der Empfänger auf einer Zahlung auch geringer Summen in Gold bestand, wurde das Edelmetall in kleinen Wertstufen geprägt. Während der napoleonischen Kriege gab es in Großbritannien beispielsweise kleine Drittelstücke einer Guinea zu sieben Shillings mit einem Durchmesser von 17 Millimetern. Zur selben Zeit kamen in Spanien winzige Halbstücke eines Scudos mit einem Durchmesser von 13 Millimetern heraus. Weit verbreitet war die Prägung kleiner Goldmünzen nach der Entdeckung der kalifornischen Goldfelder ab dem Jahr 1849. Die Unmengen des dort aufgefundenen Goldes führten zu einer empfindlichen Störung des Wertverhältnisses zwischen Gold und Silber. Der sinkende Goldwert im Verhältnis zum Silber verdrängte das weiße Metall aus dem Umlauf. Dem Mangel an silbernem Kleingeld versuchte man durch Goldmünzen in kleinen Wertstufen zu begegnen: „Die Flut des Goldes aus Kalifornien brachte den Weltmarkt für Edelmetalle durcheinander. Der Silberpreis stieg im Verhältnis zum Goldpreis so stark an, dass es sich lohnte, Silbermünzen zu ihrem Metallwert einzuschmelzen. Als Ersatz für die rasch verschwindenden Silberstücke wurde im Jahr 1849 beschlossen, nunmehr Ein-Dollar-Stücke zu prägen.“ (3) Andere Länder folgten dem Beispiel. In Frankreich kamen im Jahr 1854 erstmals Fünf-Francs-Stücke aus Gold heraus, deren Durchmesser bei 14 Millimetern lag. Als sich die Stücke als zu klein erwiesen, wurde ihr Durchmesser auf 17 Millimeter erhöht. In Spanien gab es zum Ersatz der entsprechenden Silbermünzen kleine 20-Reales-Stückemit einem Durchmesser von 14 Millimetern. Als kleinste goldene Umlaufmünzen aus dieser Zeit werden häufig die winzigen Vier-Reales-Stücke aus Guatemala genannt, deren Durchmesser bei neun Millimetern liegt. Ihr Gewicht ist verschwindend gering: Aus 875er Gold bestehend, wiegen sie lediglich 0,8459 Gramm!



4 Reales (Guatemala, 1860, 875er Gold, 0,85 Gramm, 9 mm)

Bildquelle: NumisCorner

Fanam (Indien, Travancore, 1881, Gold, 0,42 Gramm, 8 mm)

Bildquelle: MA-Shops, Colonial Collectables



Nishu Kin (2 Shu, Japan, 1860-1869, 229er Gold, 0,75 Gramm, 11,5 x 6,5 mm)

Bildquelle: NumisCorner


Der damit verbundene "Rekord" hat jedoch nur Bestand, wenn ausschließlich abendländische Münzen berücksichtigt werden. Schaut man über den Tellerrand des europäischen und amerikanischen Geldwesens, ergeben sich andere Rekorde. Bis ins 19. Jahrhundert gab es auf dem indischen Subkontinent eine beeindruckende Münzvielfalt. Die Münzen des im Niedergang begriffenen Mogulreiches wurden über Jahrzehnte hinweg ohne wesentliche Veränderungen nachgeprägt. Erst in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts gelang es der britischen Kolonialmacht, einige der abhängigen Teilstaaten zu einer Währungsreform zu bewegen: „Im Jahre 1876 bot die indische Regierung diesen Staaten an, ihre Münzen kostenlos zu prägen, wenn sie sich bereit erklärten, ihre eigenen Münzprägeanstalten zu schließen und das Metall zur Prägung an die englische Münzanstalt zu schicken und sie mit den britisch indischen Münzen zu vereinheitlichen. Dieses Angebot wurde aber nur von einigen wenigen angenommen.“ (4) Im Staat Trawankur an der Südwestküste von Indien gab es daher das ganze 19. Jahrhundert hindurch zum Teil winzige Goldmünzen mit einem Durchmesser von lediglich fünf bis sechs Millimetern und einem Feingoldanteil von etwa 0,2 Gramm. Rekordverdächtig waren ebenfalls die Tafelmünzen im 19. Jahrhundert in Japan. Die allmähliche Öffnung des Landes nach 1854 hatte einem massiven Abfluss des Goldes geführt . Zugleich kam es zu einer Inflation, in deren Gefolge die traditionellen Goldmünzen immer kleiner wurden. Der Nishibu Kin, die kleinste aus Gold geschlagene Wertstufe zu zwei Shu, war zwischen 1824 und 1830 noch mit einem Gewicht von beachtlichen 7,53 Gramm ausgebracht worden. Zwischen 1832 und 1858 ging das Gewicht zunächst auf 1,65 Gramm zurück. Ab 1860 wurden die Münzen dann nur noch mit einem Gewicht von 0,75 Gramm ausgebracht. Der Feingoldanteil der winzigen Täfelchen war auf bloße 0,17 Gramm abgesunken!


Dietmar Kreutzer

     


Quellenangaben:


(1) Herbert Rittmann: Deutsche Geldgeschichte 1484-1914; München 1975, S. 774

(2) Herbert Rittmann: Deutsche Geldgeschichte seit 1914; München 1986, S. 2

(3) Burton Hobson: Historic Gold Coins of the World; New York 1971, S. 116

(4) Parmeshwari Lal Gupta: Coins; New Delhi 1969, S. 171

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