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Die Turbulenzen des Rubels nach dem Zweiten Weltkrieg

Nach dem Ende des Zweiten Weltkrieges lagen große Teile der Sowjetunion in Trümmern. Die abrückende Wehrmacht hatte nicht nur viele Städte, sondern auch Dörfer und Felder niedergebrannt. Außerdem war die Währung zerrüttet: „Die Deutschen vernichteten den Geldbesitz der Bevölkerung im besetzten Teil des Landes dadurch, dass sie den Rubel mit nur 10 Pfennig bewerteten. Deutsches Besatzungsgeld in Gestalt der Reichskreditkassenscheine und eines besonderen Papiergeldes für die Ukraine (Karbowanetz) kam hinzu, und auch im unbesetzten Teil blähte sich der Papiergeldumlauf so auf, dass nach dem Krieg eine Währungsreform unumgänglich war.“ (Herbert Rittmann: Moderne Münzen, München 1974, S. 122) Die Reform fand im Dezember 1947 statt. Zehn Rubel des alten Geldes wurden in einen Rubel neuen Geldes umgetauscht. Bei den Bankguthaben blieb ein Sockelbetrag von 3.000 Rubel erhalten. Der Rest wurde abgewertet. Im zugehörigen Beschluss des Ministerrates hieß es, dass die Währungsreform nicht ohne Opfer durchgeführt werden könne: „Einen großen Teil der Opfer nimmt der Staat auf sich. Aber wenn auch die Bevölkerung einen Teil auf sich nehmen muss, so soll dies auf jeden Fall das letzte Opfer für sie sein. Der Umtausch des vorhandenen Geldes in neues trifft angesichts der genannten Beschränkungen fast alle Schichten der Bevölkerung empfindlich. Indessen versetzt diese Umtauschordnung vor allem den Spekulanten-Elementen einen Schlag, die große Geldvorräte angehäuft und sie in Tonkrügen aufbewahren.“ (Die Sowjetunion von der Oktoberrevolution bis zu Stalins Tod, München 1987, S. 475) Die alten staatlichen Währungs- und Tresornoten wurden durch neue Geldscheine ersetzt. Das Münzgeld war von der Währungsreform nicht betroffen.

Nikita Chruschtschow (1894-1971, rechts) bei einer Parade auf dem Roten Platz in Moskau. [Bildquelle: Österreichischer Rundfunk]

Nach dem Tod Stalins im Jahre 1953 wollte dessen Nachfolger Nikita Chruschtschow die Gesellschaft reformieren. Zur ausreichenden Versorgung der Bevölkerung leitete Chruschtschow zunächst eine Reform der Landwirtschaft in die Wege. Im Jahre 1955 folgte eine Lohnreform, ein Jahr später eine Rentenreform. Im Jahre 1957 nahm der Generalsekretär der KPdSU die Währung ins Visier. Alle Löhne und Preise sollten auf ein Zehntel ihres Wertes umgestellt werden. Diesmal war auch das Münzgeld von der Reform betroffen. Im Jahre 1958 wurden ein Satz Probemünzen aus Kupfer-Nickel geprägt. Am 1. Januar 1960 begann der drei Monate andauernde Umtausch der alten Banknoten und Münzen in neue. Offiziell wurde erklärt, dass die Reform den Geldumlauf in der Sowjetunion erleichtern solle. In der westlichen Presse wurde aber gerätselt, welchem eigentlichen Zweck die Reform diene. Eine zwingende Notwendigkeit für die Umstellung war nämlich nicht zu erkennen: „Wenn es bei den bisher angekündigten Maßnahmen bleiben sollte, dann kann man dahinter kaum ein anderes Motiv vermuten, als das, dem Rubel rein numerisch – durch die Annäherung seines Wechselkurses an den der alten Weltwährung, des Pfund Sterling – ein größeres Prestige zu verschaffen.“ (Jacques Stohler: Reformierter Rubel, In: Die Zeit, Ausgabe 20/1960, 13. Mai 1960) Offiziell war ein Rubel damit etwa so viel wert wie ein Dollar oder ein Pfund Sterling, was Nikita Chruschtschow mit Befriedigung zur Kenntnis genommen haben mag. Neben den Banknoten ist auch der größte Teil des Münzgeldes umgetauscht worden, nämlich die Kupfer-Nickel-Münzen zu 10, 15 und 20 Kopeken sowie die Fünf-Kopeken-Stücke aus Bronze: „Es wurden neue einheitliche Münzen ausgegeben. Die Werte zu 1, 2, 3 und 5 Kopeken wurden aus einer Bronzelegierung geprägt. Aus Sparsamkeitsgründen wurden jedoch die Bronzemünzen alter Prägung zu 3, 2 und 1 Kopeke nicht aus dem Verkehr gezogen.“ (Reinhold Kaim: Russische Numismatik, Brauschweig 1968, S. 234)

1 Rubel (UdSSR, 1961, Kupfer-Nickel-Zink, 7,5 Gramm, 27 mm). [Bildquelle: Numismatic Guaranty Corporation]

Neu war die Einführung einer Rubelmünze, die es seit 1924 nicht mehr gegeben hatte. Es handelte sich um eine einfache Kupfer-Nickel-Ausgabe mit Wertangabe und Staatswappen. Dabei blieb es jedoch nicht: „Das Erscheinen der Rubelmünze eröffnete ein breites Feld zur Suche nach einer aktiveren Ausnutzung der Münzen für propagandistische Zwecke. Im Jahre 1965 wurde aus Anlass der 20. Wiederkehr des Sieges über das faschistische Deutschland ein Jubiläumsrubel mit der Darstellung des Denkmals der Sowjethelden im Treptower Park in Berlin und einer russischen Randschrift Ein Rubel 9.Mai 1965 herausgegeben. Bemerkenswert ist, dass diese Gedenkmünze größer ist als der gewöhnliche Rubel.“ (Iwan Georgewitsch Spasski: Das russische Münzsystem, Berlin 1983, S. 211) Zum 50. Jahrestag der Großen Sozialistischen Oktoberrevolution erschien eine Serie aus fünf Sondermünzen. Die höchste Wertstufe zeigte Wladimir Iljitsch Lenin in Rednerpose vor den Symbolen der Revolution. Zum 100. Geburtstag von Lenin kam ein Gedenkrubel mit dem Porträt des Revolutionärs heraus. Anlässlich der Olympischen Spiele von 1980 in Moskau gab es zahlreiche Sonderprägungen. Insgesamt 45 unterschiedliche Münzen erschienen, sechs verschiedene Rubel in Kupfer-Nickel, vierzehn Münzen zu fünf Rubel und vierzehn zu zehn Rubel aus Silber sowie sechs Hundert-Rubel-Münzen aus Gold und fünf Münzen aus Platin zu 150 Rubel. Rückblickend kann festgestellt werden, dass damit eine Wende in der Münzprägung des Landes eingeleitet wurde: „Als die sowjetische Regierung erkannt hatte, dass sie mit Gedenkmünzen aus Silber, Gold, Platin, Palladium und anderen im Lande reichlich vorkommenden Edelmetallen viele Devisen erwirtschaften kann, begann eine Flut von Prägungen dieser Art. Selbst gut betuchte Spezialsammler haben Mühe, die sintflutartig auf den Markt geworfenen, selten wirklich gut gelungenen Prägungen zu allen möglichen und unmöglichen Anlässen zu registrieren, geschweige denn käuflich zu erwerben.“ (Helmut Caspar: Hammer und Sichel unterm Sowjetstern, money trend 12/2011, S. 188f.)

150 Rubel (Olympische Spiele, UdSSR, 1977, Platin, 15,5 Gramm, 29 mm). [Bildquelle: Emporium Hamburg, Auktion 77, Los 1198]

Nach dem Zerfall der Sowjetunion im Jahre 1991 kam es zu einer Hyperinflation. Nach der Liberalisierung des Handels und der Freigabe der Preise stieg die jährliche Inflationsrate zunächst auf rund 2.000 Prozent. Auch in den Folgejahren wurden hohe Inflationsraten registriert. Im Jahre 1997 kündigte der russische Präsident Boris Jelzin eine Währungsreform an, mit der ein Schlussstrich unter die Inflation gezogen werden sollte. Aus 1.000 alten Rubeln sollte ein neuer Rubel werden: „Einhundertsiebenunddreißig Billionen, die derzeit in Umlauf sind, werden gegen Münzen und neue, mit Metallstreifen versehene Banknoten ausgetauscht, die in Russland schon gedruckt sind. Höchster Nominalwert wird dann ein 500-Rubel-Geldschein sein – statt 500.000 wie bisher. Die Tausender werden ebenfalls eingestampft und durch frisch geprägte Ein-Rubel-Münzen ersetzt, und auch die Kopeke, seit 1993 wegen galoppierender Geldentwertung abhanden gekommen, feiert ihre Wiederkehr.“ (Marika Mettke: Spiel mit dem Rubel, In: Der Spiegel, Heft 33/1997) Trotz sich mehrfach wiederholender Rohstoffkrisen konnte der Wert des Rubels seitdem relativ stabil gehalten werden. Ob dies nach dem gegenwärtigen Krieg gegen die Ukraine auch noch der Fall sein wird, darf bezweifelt werden. Schon zu Kriegsbeginn vom 27. zum 28. Februar 2022 fiel der Wechselkurs des Rubels an den internationalen Devisenbörsen gegenüber dem Dollar um über 40 Prozent.

5 Rubel (Russland, 1998, Kupfer-Nickel-Zink, 6,5 Gramm, 25 mm). [Bildquelle: Wikimedia, Zelenko]

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