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Die Eroberung von Konstantinopel (1453)

In seinen „Sternstunden der Menschheit“ schreibt der Schriftsteller Stefan Zweig der Kerkaporta, einer vergessenen Pforte in der Stadtmauer, die Schuld am Untergang von Konstantinopel zu: „Ein Staubkorn Zufall, Kerkaporta, die vergessene Tür, hat Weltgeschichte entschieden.“ [1] Doch ganz so einfach ist es nicht. Das Byzantinische Reich war im 15. Jahrhundert nur noch ein Schatten seiner selbst. Von den Osmanen umzingelt, umfasste sein Territorium nur noch die landseitig von hohen Mauern umgebene Hauptstadt. Und die waren brüchig: „Zwei griechische Mönche, denen schon vor der Belagerung die Wiederherstellung der Stadtwehren aufgetragen worden war, so berichtet Leonardo Giustiniani aus Chios, Bischof von Mytilini, hatten das Geld, statt es zum Bau zu verwenden, vergraben. Bei der Plünderung der Stadt seien später 70.000 Goldgulden gefunden worden, die der Kaiser zur Ausbesserung der Mauern hergegeben hatte.“ [2] Ob dieser Mythos einen Bezug zur Realität hat, ist umstritten. Er zeigt aber, dass es um die einstige Millionenstadt sehr schlecht bestellt war. In der Stadt lebten noch etwa 100.000 Menschen. Viele Gebäude waren nur noch Ruinen. Die Armut war weit verbreitet: „Der letzte lateinische Kaiser hatte in seiner verzweifelten Notlage, nachdem er den größten Teil der Reliquien des Stadt an Ludwig den Heiligen verkauft hatte, das Blei von sämtlichen Dächern gerissen und es gegen bares Geld veräußert.“ [3]


Panorama der Schlacht um Konstantinopel [Wikimedia, Vivaystn]


Das Währungssystem befand sich demensprechend seit längerer Zeit in einem erbärmlichen Zustand. Das Hyperpyron war die letzte vollwertige Goldmünze. Danach gab es noch einige minderwertige Gold-Prägungen. Schließlich wurde die Goldwährung ganz aufgegeben. Auch die Legierung der Silbermünzen sank stark ab: „Die Emissionen der letzten Jahrhunderte des Byzantinischen Reiches machen deutlich, wie schlecht es um das Land bestellt war, dessen alter Glanz längst erloschen war. […] Zu manchen Zeiten waren Münzen so knapp, dass man sich mit venezianischen und Genueser Münzen behelfen musste, besonders mit venezianischen Mezzanini. Auf den letzten byzantinischen ‚Gold‘-Münzen knien sowohl Manuel VIII. (1261–1282) als auch Andronikos II. (1282–1328) vor Christus. Für die Münzrückseiten führte man ein völlig neues Bild ein – die Büste Mariens mit betend erhobenen Händen in den Mauern von Konstantinopel. Diese symbolische Darstellung sollte die Bevölkerung mit Mut und mit der Zuversicht erfüllen, dass ihre Stadt unter göttlichem Schutz stand.“ [4] Ein anderes Zeichen des Niedergangs waren die über längere Zeit praktizierten Überprägungen: „Das ist der Vorgang, bei dem alte Münzen in den Prägestock gelegt wurden, anstatt sie einzuschmelzen und sie als frische Rohlinge neu zu prägen. Das Ergebnis sind immer hässlichere Münzen, da die erste Prägung von der zweiten nie ganz beseitigt wurde.“ [5]


Byzanz. Andronikos II. Hyperyron von 1295–1320. 900er Gold, 3,7 g, 25 mm [Emporium Hamburg]


Da die Byzantiner wirtschaftlich zu schwach waren, um sich erfolgreich gegen die Osmanen zur Wehr zu setzen, hofften sie auf Schützenhilfe aus dem reichen Venedig oder durch den Heiligen Vater. Doch die Venezianer brauchten zwei Monate, bevor eine Entsatzflotte in See stach: „Der Papst ließ sich bei all seiner Besorgnis noch mehr Zeit: „Erst am 5. Juni, eine Woche nachdem bereits alles zu Ende war, teilte sein Vertreter, der Erzbischof von Ragusa, dem Senat den Vorschlag seiner Heiligkeit betreffend der fünf Galeeren mit, welche die Venezianer ihm für die Rettung der Stadt leihen sollten. Er werde hierfür vierzehntausend Dukaten zahlen, die den Sold der Besatzungen auf vier Monate decken würden.“ [6] Während die Verhandlungen zur Kostenübernahme noch liefen, waren die Bewohner von Konstantinopel bereits am Ende ihrer Kräfte. Das Geld und die Lebensmittel in der Stadt wurden knapp. Dies lässt sich an den letzten in der Stadt kursierenden Münzen ablesen. Kaiser Konstantin XI. ließ Geld bei Privatpersonen und den Kirchen einsammeln, mit denen er Soldaten und Lebensmittel bezahlen konnte. Wurden zu Beginn seiner Amtszeit noch ganze silberne Stavrata geprägt, waren es jetzt nur noch Achtel: „Sie wurden ausgegeben, um Konstantins Soldaten und Söldner sowie die Arbeiter zu bezahlen, die jede Nacht die Stadtmauern wieder aufbauten, nachdem sie am Vortag von Mehmets Kanonen beschossen worden waren.“ [7]


Byzanz. Johannes VIII. Stavraton von 1425–1448. Silber, 7,1 g, 24 mm [Classical Numismatic Group]


Am 29. Mai 1453 ging die Schlacht zugunsten der Osmanen aus. Auch die eingangs erwähnte Kerkaporta spielte dabei eine Rolle. Sie hatte bislang zu erfolgreichen Ausbrüchen gegen den Gegner gedient: „Jetzt jedoch vergaß irgendjemand, der von einem Ausfall zurückkam, das kleine Tor hinter sich zu verrammeln. Die Türken bemerkten die Öffnung, stürmten hindurch in den dahinter gelegenen Hof und begannen eine Treppe hinaufzulaufen, die zur Höhe der Mauer führte.“ [8] In den nächsten Stunden fiel Konstantinopel in die Hand der Feinde, die brandschatzend und plündernd durch die Straßen zogen. Kaiser Konstantin XI. war im Kampf gefallen. Der Megadux Lukas Notaras, rangältester Staatsminister und Flottenchef, überlebte. Wenige Tage später feierte der siegreiche Sultan Mehmet II. ein Festmahl: „In seinem Verlauf, als ihm der Wein bereits zu Kopf zu steigen begann, flüsterte ihm jemand zu, Notaras‘ vierzehnjähriges Sohn sei ein Knabe von ungewöhnlicher Schönheit. Der Sultan schickte unverzüglich einen Eunuchen zum Hause des Megadux und verlangte, der Knabe sollte ihm sogleich zu seiner Lustbarkeit übersandt werden.“ [9] Als sich der byzantinische Minister weigerte, seinen Sohn auszuliefern, wurden beide enthauptet.


Byzanz. Konstantin XI. 1/8 Stavraton von 1453. Silber, 0,6 g, 12 mm [The New York Sale, 40/1272]


Quellen

  1. Stefan Zweig: Sternstunden der Menschheit. Berlin 1974, S. 62.

  2. Franz Babinger: "'Kyrie eleison!' – Mehmet II. erobert Byzanz"; in: Lust an der Geschichte. München 1992, S. 183.

  3. Steven Runciman: Die Eroberung von Konstantinopel 1453. München 1969, S. 10f.

  4. Elvira und Vladimir Clain-Stefanelli: Das große Buch der Münzen und Medaillen. Augsburg 1991, S. 66.

  5. John Porteous: "Wesen und Geschichte der Münzprägung"; in: Die Münzen der Welt. Freiburg 1981, S. 16.

  6. Runciman, S. 118.

  7. The New York Sale, Auction 40, Lot 1272.

  8. Runciman, S. 143.

  9. Ebd., S. 157.

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