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Die 150 Jahre der norwegischen "Zwanziger"

Im ersten Kriminalroman des Norwegers Jon Ewo geriet der Geldeintreiber Axel Hoel in einen Bandenkrieg zwischen Russen und Jugoslawen. Zu dieser Zeit, also Mitte der 1990er Jahre, erreichten die blutigen Auseinandersetzungen von Migranten aus Osteuropa einen ersten Höhepunkt.

Der Kriminalroman "Torpedo" als norwegisches Hörbuch; Bildquelle: Kappelen Damm.

"Das ist das Rührende an Norwegen, dachte er. (…) Gelder, Drogen, Prostitution – es wurde verschoben, umgesetzt, gestohlen und verhandelt, jede einzelne Minute an jedem Tag in dieser Stadt. Ein bedeutender Teil der Einwohner war damit beschäftigt oder zumindest davon berührt, und dennoch waren alle jedes Mal wieder vollkommen erstaunt, wenn die Presse aufdeckte, was hinter den Kulissen vor sich ging. Denn niemand hatte auch nur das Geringste je gesehen." (1)

Geldeintreiber Hoel war fast rund um die Uhr in Oslo unterwegs. In der "Golden Gogo Bar" etwa wartete er auf einen schwulen "Zuckerjungen". Dabei beobachtete er das Gebaren dreier Kunden an einem Billardtisch:

"Der Einsatz – es musste sich dabei um gut dreißig bis fünfunddreißig Zwanzigermünzen handeln – war an dem einen Tischende aufgestapelt." (2)

Irgendwann war Hoel des sinnlosen Wartens überdrüssig:

"Mit einem Ruck, als müsste er seinen Körper in die Senkrechte überlisten, stand er auf und legte zwanzig Kronen für den Kaffee hin.“"(3)

5 Speciesdaler (20 Kroner, Norwegen, 1875, 900er Gold, 9,0 Gramm, 23 mm);

Bildquelle: Numista, Heritage Auctions.


Das norwegische 20-Kronen-Stück hat eine lang zurückreichende Geschichte. Sie begann mit der Gründung der Skandinavischen Münzunion. Der zugehörige Vertrag wurde am 18. Dezember 1872 abgeschlossen. Ein Auszug aus dem Vertragstext, mit dem ein gemeinsamer Goldstandard eingeführt wurde:

„Die drei Länder Schweden, Norwegen und Dänemark haben das gleiche Münzsystem. Die Münzen der Länder sind auch in den anderen gesetzliches Zahlungsmittel. Jede öffentliche Kasse muss eine durch zehn Kronen teilbare Summe von Scheidemünzen mit dem Stempel des einen Landes in ihre eigene Goldmünze umwechseln.“ (4)

Als Rechnungseinheit wurde die Krone zu 100 Öre festgelegt. Vollwertige Währungsmünzen waren Goldstücke zu zehn und 20 Kronen. Schweden und Dänemark ratifizierten die Konvention am 27. Mai 1873. Norwegen war damals zwar ein eigenständiger Staat, aber in Personalunion unter der schwedischen Krone mit dem Nachbarland verbunden. Das norwegische Parlament lehnte die Übernahme der Bestimmungen aus Angst vor einem Ausbau der schwedischen Vormachtstellung zunächst ab. Das Land führte stattdessen im Juni 1873 einen Speciestaler auf Goldbasis ein, der mit der Kronenwährung der Nachbarn kompatibel war. Die norwegische Hauptgoldmünze zu fünf Speciestaler mit dem Porträt von König Oskar II. trug eine zusätzliche Aufschrift "20 Kroner".

20 Kroner (Norwegen, 1910, 900er Gold, 9,0 Gramm, 23 mm); Bildquelle: Numista, Heritage Auctions.


Wegen der unpraktischen Umrechnung des Münzgeldes stellten die Norweger jedoch bald ihre Bedenken zurück. Zum 1. Januar 1877 trat das Land dem Vertrag mit Schweden und Norwegen bei. Das goldene 20-Kronen-Stück war nun auch in Norwegen die werthaltigste Münze. Mit der vollständigen Unabhängigkeit Norwegens im Jahre 1905 verschwand das Porträt des schwedischen Königs von den Münzen. Am 22. Juni 1906 wurde Prinz Carl von Dänemark (1872-1957) als Haakon VII. zum neuen König von Norwegen gekrönt. Die neu gestaltete Hauptgoldmünze des Landes entwarf der norwegische Medailleur und Kupferstecher Ivar Throndsen. Die aufwändig gestalteten Stücke aus der Münzanstalt Kongsberg kamen im Jahr 1910 heraus. Auf der Vorderseite platzierte Throndsen das Porträt von König Haakon VII. mit Krone und Ordenskette. Hinter der Schulter des Königs befindet sich das übliche Münzzeichen mit den gekreuzten Hämmern. Auf der Rückseite ist der auf einem Drachen stehende Sankt Olav abgebildet, der Schutzpatron Norwegens aus dem 11. Jahrhundert. Die Legende lautet übersetzt: "Olav der Heilige". Als Vorbild für das Motiv diente eine Darstellung von einer historischen Schilling-Münze aus dem 16. Jahrhundert. Nach dem Ersten Weltkrieg gelang es nicht mehr, den gemeinsamen Goldstandard der Skandinavischen Länder beizubehalten. Die Skandinavische Münzunion scheiterte. Über Jahrzehntelang kamen nur einfache Kronenstücke und Öre-Münzen heraus. Ansonsten gab es Papiergeld.

20 Kroner (Norwegen, 2001, Nickel-Messing, 9,9 Gramm, 27,5 mm); Bildquelle: Numismatic Guaranty Company.


Erst im Jahr 1994 erlebte das 20-Kronen-Stück eine Renaissance. Die neuen Umlaufmünzen aus Nickelmessing hatten infolge der Inflation allerdings den größten Teil ihrer einstigen Kaufkraft verloren. Die Stücke zeigen auf der Vorderseite ein nach rechts gerichtetes Porträt des 1937 geborenen Königs Harald V. Auf der Rückseite prangt der Bug eines Wikingerschiffes. Medailleur war der norwegische Bildhauer, Zeichner und Grafiker Nils Aas (1933-2004). Seit dem Jahr 1999 kommen zudem für den Umlauf bestimmte Gedenkmünzen zu 20 Kronen heraus, ebenfalls aus Nickelmessing. Die erste derartige Münze zum 700. Jahrestag der Festung Akershus zeigt auf der Vorderseite ein historisches Wappensiegel von König Hakon V. Magnusson. Auf der Rückseite ist die Königsburg abgebildet. Entwurf und Modell stammen von Ingrid Austlid Rise. Eine weitere Münze aus demselben Jahr ist dem 1000. Jahrestag der Entdeckungsreisen von Leif Eriksson nach Nordamerika gewidmet. Auf dem Bug eines Wikingerschiffes steht eine Inschrift, deren Übersetzung "nach unbekanntem Land" bedeutet. Zum 100. Todestag von Henrik Ibsen im Jahre 2006 erschien ein 20-Kronen-Stück mit dem Schriftsteller bei einem Spaziergang. Die putzige Figur nutzt einen Schirm als Krückstock. Links von ihr befindet sich die persönliche Signatur des berühmten Schriftstellers.

20 Kroner (100. Todestag von Henrik Ibsen, Norwegen, 2006, Nickel-Messing, 9,9 Gramm, 27,5 mm); Bildquelle: Roschberg Mynthandel AS.


Dietmar Kreutzer


Quellenangaben:

  1. Jon Ewo: Torpedo; Zürich 2000, S. 96.

  2. Ebenda, S. 44.

  3. Ebenda, S. 80.

  4. Udo Johannsen: Die skandinavische Münzunion in der Entwicklung des dänischen Geldwesens; Nürnberg 1926, S. 15.

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