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Die 12-Heller-Münzen der Reichsstadt Aachen – beliebtes Kleingeld in schier unzähligen Varianten

Die 12 Heller-Münze der Stadt Aachen aus der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts ist die häufigste Aachener Münze überhaupt. Über einen Zeitraum von fast 40 Jahren wurden von diesem einen Münztyp etwa 13,5 Millionen Exemplare in fast 400 Varianten geprägt und das für eine Stadt mit gut 20.000 Einwohnern.

12 Heller 1759 mit Münzmeisterzeichen "MK".


Nach einer Periode der überproportionalen Ausprägung von Silbermünzen und -marken durch die Stadt Aachen in der ersten Hälfte des 18. Jahrhunderts führten 1755 mehrere Gründe zur Einstellung der Prägung von Silbermünzen. Die Stadt Aachen musste dem Herzog von Jülich als Inhaber der Vogtei in Aachen bei der Ausgabe von Silbermünzen einen Anteil am Schlagschatz, dem Gewinn aus der Münzprägung, abtreten, was sie bis dahin lange Jahre durch die Ausgabe von silbernen Ratspräsenzen (also Zahlmarken) anstelle von Münzen umgangen hatte. Für die Aufrechterhaltung des Zahlungsverkehrs innerhalb des Aachener Reiches wurde jedoch nach der Einstellung der Silberprägung neues Münzgeld benötigt. Seit 1605 wurden kupferne 4 Heller-Münzen ausgegeben, die für diesen Zweck nicht ausreichten. Nach der damals üblichen Zählweise im 12er- oder Duodezimalsystem (ein Dutzend waren zwölf Einheiten) schuf man ein neues Nominal zu zwölf Hellern. Dies entsprach einer halben Aachener Marck in Silber.

 12 Heller 1767 mit A ohne Querstrich in "STɅDT" und Münzmeisterzeichen "IK".


Die 12 Heller-Stücke wurden von 1758 bis 1797 in zwölf Prägejahren ausgegeben. Sie bestanden wie die 4 Heller-Münzen aus Kupfer, wozu eine Schlagschatzabgabe an den Jülicher Vogtei-Inhaber nicht zu entrichten war. Die Münzen waren durchschnittlich 4 bis 5 Gramm schwer, später etwas leichter, und hatten einen Durchmesser von 23 bis 25 mm. Durch variierende Legierungen fielen die Kupfermünzen in der Färbung unterschiedlich aus. Alle ausgegebenen 12 Heller-Münzen sind im grundsätzlichen Erscheinungsbild sowohl der Vorder- als auch der Rückseite gleich. Die Vorderseite enthält die Aufschrift in fünf Zeilen: "XII  HELLER  REICHS  STADT  ACHEN", darunter unterschiedliche Formen von Verzierungen. Die Rückseite zeigt den Stadtadler und rechts und links davon die geteilte Jahreszahl, bei einigen Jahrgängen unten die Initialen eines Münzmeisters. Die Münzen sind unterschiedlich gerändelt, was heute bei lange umgelaufenen Münzen meist „abgeschliffen“ ist und daher vom Sammler kaum wahrgenommen wird.

12 Heller 1792 mit A ohne Querstrich in "STɅDT" und markanten Stempelfehlern auf der Vorderseite.


Kupfer als relativ weiches Metall unterliegt einer hohen Abnutzung, was vielen der Münzen anzusehen ist. Dabei ist zu berücksichtigen, dass die Stücke aus den ersten Prägejahren ca. 50 Jahre im Umlauf gewesen sind. Der durchschnittliche Erhaltungsgrad für diese frühen Stücke ist schön. Logischerweise sind Münzen der zuletzt geprägten Jahrgänge nicht so lange in Umlauf gewesen und häufiger noch in besseren Erhaltungen anzutreffen. Offiziell waren die 12 Heller-Stücke noch bis zum Beginn des 19. Jahrhunderts kursfähig und selbst nach Beendigung der französischen Besatzung zu Beginn der Zugehörigkeit zu Preußen noch im Zahlungsverkehr anzutreffen.


Die Vielfalt der Prägungen dieses einen Münztyps hatte den engagierten Aachener Hobby-Numismatiker Professor Karl Gerd Krumbach so fasziniert, dass er sich mit den einzelnen Varianten dieser Münze intensiv beschäftigte. Nach dem Studium der Münzakten im Aachener Stadtarchiv und der Auswertung der städtischen Münzsammlung besuchte er die großen Münzkabinette mit nennenswerten Beständen Aachener Münzen, z. B. Berlin und Frankfurt, und wurde von den Aachener Münzfreunden bei der Auswertung weiterer umfangreicher Aachen-Sammlungen unterstützt, sodass insgesamt etwa 1.500 Münzen dieses einen Münztyps für die Untersuchung zur Verfügung standen. Alle Stücke wurden fotografiert, kategorisiert und in allen Einzelheiten beschrieben. Bedenkt man, dass das Fotografieren und Entwickeln sowie das Schreiben mit Schreibmaschine noch ohne digitale Unterstützung erfolgten, muss dem enthusiastischen Sammler hierfür eine unvorstellbare Fleißarbeit attestiert werden, die für die heutigen Sammler eine unverzichtbare Wissensbasis geschaffen hat. 1976 erschien sein erstes Werk zur Aachener Münzgeschichte „Die XII-Heller-Prägungen der Reichsstadt Aachen 1758 – 1797“, in dem ca. 350 Stempelvarianten und -kopplungen einzeln beschrieben und abgebildet waren. (1) Zuvor waren die Münzen katalogmäßig nur in dem 1913 erschienenen Werk von Julius Menadier „Die Aachener Münzen“ beschrieben worden. (2)


Ausgegeben wurden von der Stadt Aachen 12 Heller-Münzen mit den Jahrgängen 1758, 1759, 1760, 1761, 1764, 1765, 1767, 1791, 1792, 1793, 1794 und 1797. Bei Menadier sind diese Stücke unter den Katalognummern 291 bis 305 erfasst. Krumbach hat für die Aachener Münzgeschichte ein neues Katalognummernsystem geschaffen. Die 12 Heller-Münzen haben alle die Katalognummer 198 mit Unternummern für den Jahrgang und für die Varianten, z. B. „Kru 198.65.19“ = 12 Heller, Jahr 1765, Variante 19. Die erste zusammenhängende Prägeperiode umfasst vier Jahre von 1758 bis 1761.

Die zweite Prägeperiode geht von 1764 bis 1767, die dritte von 1791 bis 1794 und die vierte Prägeperiode betrifft das Jahr 1797. Bekannt sind drei Stempelschneider, die die Münzen signiert haben, doch sind noch weitere Stempelschneider, insbesondere in der dritten Prägeperiode, tätig gewesen. In den ersten Jahren sind die Münzen mit "MR" für den Münzmeister Rensonnet gekennzeichnet, in der zweiten und dritten Prägeperiode mit "IK" für Johann Kohl und in der vierten Prägeperiode mit "GS" für Godefried Stanislaus.


Die Stempelstellung zueinander entsprach der sogenannten französischen Prägung (Kehrprägung), wobei beim Wenden der Münze zwischen den Fingern die andere Seite auf dem Kopf steht. Wenige Exemplare der frühen Jahre liegen als Wendeprägung vor, was wohl auf ein fehlerhaftes Einspannen der Ober- und Unterstempel zueinander zurückzuführen ist.


Die Münzstätte befand sich seit 1751 in zwei Gewölben unter dem Komödienhaus am Katschhof zwischen der altehrwürdigen Krönungskirche von 30 deutschen Königen, dem heutigen Aachener Dom, und der ehemaligen Königshalle der Pfalz Karls des Großen, dem heutigen Aachener Rathaus. Der Umfang einer solchen Münzprägung war nur durch eine Prägemaschine mit ständig rotierendem Spindelwerk möglich, mit welchem theoretisch bis zu 30 Münzen pro Minute geprägt werden konnten, in der Praxis im Dauerbetrieb vielleicht die Hälfte. Dies entsprach einem Ausstoß von bis zu 9000 Münzen am Tag.


Ein erster bei Menadier unter Nr. 291 aufgeführter Prägejahrgang 1757 ist nicht existent. Es dürfte sich um eine Fehldeutung eines durch Umlauf abgenutzten Stückes von 1767 handeln (vgl. z. B. Kru. 198.67.26). Auch von dem bei Menadier unter Nr. 299 genannten Jahrgang 1790 ist bis heute kein Belegexemplar aufgefunden worden. Eine häufige fehlerhafte Zuweisung betrifft den Jahrgang 1798 (Menadier 305). In allen Fällen handelt es sich um schlecht geschnittene Stempel des Jahres 1793, die u. a. durch Abnutzung statt einer 3 eine 8 erahnen lassen (z. B. Kru. 198.93.3/93.4 und 93.7).

Rückseite 12 Heller 1793, fälschlicherweise mitunter als "1798" gelesen.


Am 15. Dezember 1792 marschierten französische Truppen in die Reichsstadt Aachen ein und sollten für die kommenden mehr als 20 Jahre das weitere Schicksal der Stadt und ihrer Einwohner prägen - wörtlich genommen sogar in vielen Aspekten grundlegend umprägen! Nach kurzer Vertreibung der Besatzer wurde Aachen mit dem 23. September 1794 endgültig französisch und in Schritten bis 1798 zur Hauptstadt des neu gebildeten Roer-Departements.Dennoch konnte in den Wirren der Zeit am 21. März 1797 kurzzeitlich noch einmal die alte reichsstädtische Bürgermeister- und Ratsverfassung wiederhergestellt werden, was die Stadtoberen selbstbewusst dazu veranlasste, die Prägung von 12 Heller-Münzen wieder aufzunehmen. Die Münzen tragen die Jahreszahl 1797 und die Bezeichnung "REICHSSTADT ACHEN". Ein Anachronismus, da die alte Reichsstadt definitiv nicht mehr existierte.


Abgesehen von der Anzahl der Jahrgänge und der Fülle der Stempelvarianten kommen wie bei jeder Münzprägung Fehler der Stempelschneider, Stempelfehler und -ausbrüche durch Abnutzung sowie andere Umstände hinzu, die zu weiteren Varianten führten. Inzwischen sind knapp 400 Varianten bekannt, von denen einige hier auszugsweise vorgestellt werden sollen.

12 Heller Vorderseite mit doppeltem T bei "STATT" und falschem N bei "ACHEИ".


Vom ersten Jahrgang 1758 existieren zwei Vorderseitenstempel, bei denen das Wort Stadt mit Doppel-T geschrieben ist, also "STATT ACHEN". Auch dies war zu dieser Zeit eine gängige Schreibweise, wobei man sich für die künftigen Prägungen auf eine einheitliche Schreibweise mit DT verständigt hat. "ACHEN" mit einem A ist in der Zeit allerdings die normale Schreibweise. Bei den Jahrgängen 1767 (Kru. 198.67.18) und 1792 (Kru. -) existieren Stücke mit fehlendem Querstrich im A von "STADT". Über die Jahre hinweg kommt es bei verschiedenen Stücken vor, dass das N im Stadtnamen mit einem falschen Querstrich (И), also spiegelbildlich, geschrieben wird. Auch die Signatur des Stempelschneiders Johann Kohl kommt mit einem spiegelbildlichen K vor.Bei Stempelausbrüchen wurden die Stempel in der Regel umgehend ausgetauscht, doch zeigen sich bei mehreren Stücken fortschreitende Stempelfehler, weil vermutlich nicht unmittelbar ein Ersatzstempel zur Verfügung stand.


Am Rande soll noch auf Besonderheiten hingewiesen werden, die durch fehlerhafte Handhabung oder auch bewusste Abweichungen beim Prägevorgang entstanden sind. So entstehen Fehlprägungen z. B. durch doppelte Prägung des Schrötlings oder durch Verbleib eines bereits geprägten Schrötlings in der Maschine bei der folgenden Prägung. Gelegentlich wurden fremde Münzen überprägt oder auch Sonderabschläge auf größeren Schrötlingen oder in anderen Materialien (z. B. Silber) angefertigt. Schließlich sind auch Gegenstempelungen Aachener 12 Heller-Stücke durch fremde Münzherren bekannt.

12 Heller mit inkus geprägter Abbildung der Vorderseite auf der Rückseite, verursacht durch einen im Prägestock liegengebliebenen Schrötling.


In Aachen hatte es schon seit dem 15. Jahrhundert Heller-Münzen als Teilstücke der Tournosen gegeben, doch war die Münzbezeichnung „Heller“ in der Stadt nie gebräuchlich. Der Aachener übernahm früh den im Jülich-Kölner Raum üblichen Begriff „Bausche“ als allgemeine Bezeichnung für Geldstücke. Das 4 Heller-Stück war eine Bausche und das 12 Heller-Stück drei Bauschen. In Aachener Mundart (Öcher Platt) hieß es „Buusche“. Eine Aachener Marck entsprach 24 Hellern = 6 Bauschen. Somit hatte das 12 Heller-Stück den Wert einer halben Marck in Silber. Die Kupfermünzen zu 4 und 12 Hellern waren das „Brötchengeld“ der Aachener Bevölkerung. Ein Pfund Brot kostete im Schnitt 6 Bauschen (in Notzeiten 12 Bauschen oder mehr), ein Pfund Butter 60 Bauschen, ein Pfund Kaffee als Luxusgut 120 Bauschen. Der durchschnittliche Tageslohn eines Arbeiters lag bei 60 bis 80 Bauschen, der eines Buchhalters bei 100 bis 120 Bauschen.

12 Heller 179?, Überprägung auf 1/4 Stüber Bergische Landmünze.


Die 12 Heller-Stücke der Reichsstadt Aachen sind ein beliebtes Sammelgebiet und auch heute noch zu moderaten Preisen zu erwerben. Trotz ihres damals relativ geringen Wertes als kupfernes, städtisches Kleingeld repräsentieren die Stücke eindrucksvoll das Selbstverständnis einer unabhängigen Reichsstadt dieser Zeit. Umfangreiche weitere Beispiele enthält die Webseite der Aachener Münzfreunde: aachen-muenzen.com. Restbestände des Kataloges zu den 12 Heller-Prägungen von Karl Gerd Krumbach sind bei den Aachener Münzfreunden zum Preis von 5 Euro plus Portokosten erhältlich. Eine vom Autor aufgelegte gebundene, nummerierte Sonderausgabe ist für 10 Euro erhältlich. Der Katalog zeigt viele Besonderheiten auf, die zu Varianten bei der Münzprägung führen können, und ist dadurch nicht nur für den Aachen-Sammler interessant.


Die abgebildeten Münzen stammen aus städtischen sowie privaten Münzsammlungen. Alle Fotos stammen vom Verfasser.


Heinz Kundolf


Quellenangaben:

  1.  Karl Gerd Krumbach, Die XII-Heller-Prägungen der Reichsstadt Aachen 1758 – 1797, Aachen 1976.

  2. Julius Menadier, Die Aachener Münzen, Berlin 1913.

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