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Der „teuflische“ Schilling der Zweiten Republik

Der „Satan“ zierte jahrzehntelang das österreichische 1-Schilling-Stück. Charakteristisch für den Tiroler Künstler Albin Egger-Lienz (1868–1926) – einer Schlüsselfigur zwischen Neuzeit und Heimatkunst – war es, Bildmotive immer wieder in unzähligen Varianten und Neufassungen zu entwickeln.


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Albin Egger-Lienz, Sämann. 1903, Lienz, Schloss Bruck.


Vom „Sämann“ zum Teufel


Seit dem Jahr 1903 beschäftigte Egger-Lienz das Motiv des „Sämanns“, eingangs als Ganzfigur ohne seinen späteren Gegenspieler, den Teufel. Vier Jahre später entstanden die ersten Entwürfe zu „Sämann und Teufel“. Laut dem Heimatmaler sollten dabei der „ungeheure Kampf um die Scholle, wie ihn unsere Bergmenschen täglich kämpfen“ sowie „das Schaffende und Vernichtende, das ewig Werdende und ewig Sterbende“ durch die beiden feindlichen und Unfrieden stiftenden Gestalten versinnbildlicht werden.


Dieses Spannungsfeld zwischen Werden und Vergehen zog sich durch Egger-Lienz’ Werk – vom „Totentanz“ (1908/09) bis zu „Das Leben“ (1911/12) – und führte schließlich zu seiner künstlerischen Entfaltung 1913 im Grünwaldhof in St. Justina bei Bozen.


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Sämann und Teufel, Erste Fassung. 1908/09, Kasein auf Leinwand, Privatbesitz. Zwar hat Egger-Lienz im Juni 1908 aus Längenfeld an seinen Freund Kunz geschrieben: „Ich male Mensch und Teufel“. 38 Jahre später allerdings hat Prof. Michael Powolny der wahre Bildinhalt wenig interessiert und er hat den muskulösen Teufel als „säenden Landmann“ der Münze Österreich vorgelegt.


Biblischer Hintergrund des Motivs


Egger-Lienz war unverkennbar mit der Stelle vertraut, in der Jesus das Sämann-Gleichnis erklärt (Mt. 13,37-39): „Der Mann, der den guten Samen sät, ist der Menschensohn; der Acker ist die Welt; der gute Same, das sind die Söhne des Reiches; das Unkraut sind die Söhne des Bösen; der Feind, der es gesät hat, ist der Teufel.“


Das Bildmotiv selbst zeigt einen gekleideten, vorausschreitenden Bauern beim Säen, während sein nackter, athletischer Gegenspieler im Schatten hinter ihm steht – erkennbar an einem Horn, das hinter einem Haarschopf verborgen ist.


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Von den zwei Münzentwürfen aus der Hand von

Prof. Michael Powolny hat die Münze Österreich den oberen

mit dem Satan für die Erstemission 1946 gewählt.


Die Münzgestaltung von 1946


Für die Gestaltung der 1-Schilling-Münze 1946 eignete sich der nackte Teufel erfahrungsgemäß besser als der Sämann. Prof. Michael Powolny, zu jener Zeit 75 Jahre alt, scheint bei schwindendem Einfallsreichtum weniger an der natürlichen Bildaussage von Egger-Lienz Interesse bekundet zu haben.

Erst Jahre später schrieb die lokale Presse von einem „verteufelten Schilling“ und einem „Kulturskandal“ (Volksbote 1952) sowie vom „Teufel als Symbol“ (Tiroler Nachrichten 1952). Tatsächlich wollte Powolny keinesfalls einen Satan, sondern den säenden Landmann darstellen. Die Erneuerung der Haartracht ersetzte die Hörner und entschärfte die bei Egger-Lienz stark intensivierte athletische Muskulatur.


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Der umstrittene Aluminium-Schilling der Zweiten Republik, der sogenannte „verteufelte Schilling“ aus dem Jahre 1946 (Sammlung A. Raffeiner)


Wirkung und Rezeption


Trotz der Tiroler Proteste blieb die 1-Schilling-Münze bis 1961 im Umlauf. Sie verbreitete damit den leicht veränderten „Satan“ von Egger-Lienz weiter und prägte auf diese Weise den Sinneseindruck des Motivs über Jahrzehnte.


Andreas Raffeiner

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