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Pressemitteilung

Das Heidelberger Fass und der frühneuzeitliche Weinbau

Eigentlich war das bekannteste Symbol der Stadt Heidelberg eine Art Staatskasse: Das Heidelberger Fass wurde gebaut, um den Steuerertrag der Pfalz aus dem Weinbau aufzunehmen. Und dann machte es ein calvinistischer Propagandist zu einer Touristenattraktion. Dies zeigt eine Medaille, die Künker am 29. September 2023 versteigert hat.


Es gibt immer wieder Versuche, Geldbeträge der Vergangenheit in moderne Währung umzurechnen. Wer das tut, hat keine Ahnung von frühneuzeitlicher Wirtschaft, denn die funktionierte ganz anders als heute. Geld spielte dabei erst in zweiter Linie eine Rolle. Nehmen wir zum Beispiel die Steuern und die Besoldung der Beamten. Was bei uns so unproblematisch über einige Überweisungen zu erledigen ist, war bis zur vollständigen Monetarisierung Deutschlands im 19. Jahrhundert eine logistische Meisterleistung.



Wie der Weinbau in der Pfalz besteuert wurde

Der Pfälzer Kurfürst zum Beispiel bezog einen großen Teil seines Einkommens aus dem Weinbau. Denn er erhielt von jedem Weinberg seiner Herrschaft einen ganz bestimmten Prozentsatz des Ertrags. Wie viel abgegeben wurde? Nun, das kann man so genau nicht sagen, weil fast jeder einzelne Weinbauer seine ganz eigene, historisch gewachsene Vereinbarung hatte. Es gab geographische und besitzrechtliche Unterschiede. Es spielte eine Rolle, welchen Rechtsstand der Grund besaß und die ihn bewirtschaftende Person. Deshalb war es für Fürsten der frühen Neuzeit so unglaublich schwierig, die Steuern einzuziehen. Sie brauchten dafür äußerst genaue Unterlagen, wer ihnen was schuldig war.


Nicht dass es die Obrigkeit nicht versucht hätte. Für den Einzug der Akzise auf Wein war die kurfürstliche Rechenkammer zuständig. Sie unterhielt vor Ort die so genannten Rezepturen.

Diese waren beauftragt, die landesherrlichen Vorgaben zu überwachen. Denn der Weinbau wurde seit dem Mittelalter zentral geregelt: Wann mussten die Reben geschnitten, gedüngt, gepfropft werden? Welches Werkzeug war zu verwenden? All das erfolgte auf Anordnung der Obrigkeit.

Vier Wochen vor der Ernte durften ausschließlich die offiziellen Aufsichtsbeamten in den Weinberg.

Sie vertrieben nicht nur die Vögel. Ihre wichtigste Aufgabe war es, die Weinbauern daran zu hindern, einen Teil der Ernte vor der Besteuerung "abzuzweigen". Denn nach der Lese gab es kein Entkommen mehr vor der Steuer. Beamte bewachten die Lese und den Weg, auf dem man die Trauben vom Weinberg in die Kelter brachte. Die gehörte ebenfalls dem Landesherrn, dessen Beamte vor Ort den ihnen zustehenden Anteil des Weins einzogen.

Der lagerte dann in der lokalen Rezeptur. Und bevor er nach Heidelberg transportiert wurde, erhielten all die lokalen Beamten davon einen Teil ihrer Besoldung.





Das erste Heidelberger Fass

Danach wurde der Wein – wenn vom Landesherrn gewünscht – in die Residenz verbracht.

Um diesen Wein aufzubewahren, ließ Friedrich IV. von der Pfalz im Jahr 1592 ein großes Fass bauen. Das wäre an und für sich nicht so bemerkenswert. Überall im Heiligen Römischen Reich gab es Prunkfässer in den Residenzen, in denen der aus Steuererträgen stammende Wein lagerte. Doch das Heidelberger Fass war ein bisschen größer als die anderen Fässer; die Pfalz war ein Vorreiter des Calvinismus; und so machte der calvinistische Theologe Anton Praetorius das Fass

zu einem Symbol für den Erfolg des im Reich sehr umstrittenen Glaubens. Immerhin waren die Calvinisten nicht in den Augsburger Religionsfrieden eingebunden!


Praetorius veröffentlichte im Jahre 1594 eine lateinische Streitschrift, in der das Heidelberger Fass im Zentrum stand. Sie wurde ein internationaler Erfolg, und verbreitete den Ruhm des Fasses unter Calvinisten in ganz Europa.


Nun gehörte es um 1600 zum guten Ton für alle, die eine Karriere im Staatsdienst anstrebten, eine "Grand Tour" zu machen. Darunter verstand man eine Reise an die wichtigsten Herrscherhöfe, um durch den persönlichen Kontakt ein Beziehungsnetz aufzubauen. Die Reiseziele wurden danach ausgewählt, welcher Religion man angehörte. Nun spielte der Pfälzer Kurfürst eine entscheidende Rolle als Führungsgestalt der Calvinisten und der Protestanten. Sie strömten in Massen nach Heidelberg und bestaunten dabei auch das Heidelberger Fass, das Praetorius berühmt gemacht hatte.




Das zweite Heidelberger Fass

Und dann kam der Dreißigjährige Krieg, der den „Winterkönig“ und Kurfürsten von der Pfalz die Herrschaft kostete. Erst 1649 konnte sein Sohn das durch den Krieg völlig zerstörte Land wieder

in Besitz nehmen. Viel Aufbauarbeit war zu leisten. Dafür senkte der Herrscher seine Ausgaben radikal, und sorgte dafür, dass die Steuern vollständig eingezogen wurden. Langsam stieg der Wohlstand in der Pfalz wieder. Dies zeigte sich auch an den Erträgen aus dem Weinbau.

Bald reichten die alten Fässer im Schlosskeller für die Steuererträge nicht mehr aus, vor allem weil das erste Heidelberger Fass schon seit Jahrzehnten leckte. So schlug der Rechnungshof 1659 vor, das alte Riesenfass durch ein neues zu ersetzen. Man holte einen Kostenvoranschlag ein, und die Rechenkammer legte daraufhin fest, dass dieses Fass mindestens 160 Fuder Wein aufnehmen müsse und höchstens 750 Reichstaler kosten dürfe.



1663 war die Fertigstellung des Riesenfasses abzusehen, denn das alte Fass wurde abgebrochen. Im Frühjahr 1664 wurde das neue Fass in den Weinkeller gebracht und geeicht. Vier Tage lang goss der Oberknecht in Anwesenheit eines Vertreters der Rechenkammer, der beiden Heidelberger Bürgermeister und zweier offiziell bestellter Fasseicher ein Maß Wasser nach dem anderen in das Fass, um sein Fassungsvermögen zu testen. Man kam auf 204 Fuder, 3 Ohm, 4 Viertel – umgerechnet wahrscheinlich ca. 195.000 Liter.


Wenn man den durchschnittlichen Weinpreis wie damals üblich mit 30 Rechnungsgulden pro Fuder veranschlagt, konnte Wein im Wert von ca. 6.120 Rechnungsgulden im zweiten Heidelberger Fass gelagert werden. Die Kosten für das Fass summierten sich in der Schlussrechnung auf 1732 Rechnungsgulden, 57 Kreuzer, 6 Heller. Das war sehr wenig. 1610 hatte der damalige Kurfürst einen Kostenvoranschlag zur Reparatur des ersten Fasses eingeholt. Der belief sich auf über 3.500 Rechnungsgulden.


Im Herbst 1664 wurde das zweite Heidelberger Fass erstmals gefüllt. Eigentlich hatten die Fuhrleute geplant, mit ihren Gespannen in den großen Saal zu fahren, um von dort aus das Fass zu füllen. Doch Karl Ludwig verbat sich dieses Vorgehen verständlicherweise. Sehr zum Ärger der Arbeiter mussten sie auf persönliche Anordnung des Kurfürsten jedes einzelne Fass im Hof abladen und durch den großen Saal über eine Bretterbrücke zur Falltür rollen, um es ins Heidelberger Fass zu leeren.


Im Jahr dieser ersten Füllung fertigte der Heidelberger Goldschmied und Stempelschneider Nikolaus Linck eine Medaille. Ob er dies auf Anweisung des Herrscherhauses oder aus eigener Initiative tat, wissen wir nicht. Auf jeden Fall dürfte diese Medaille bei den jungen Herren, die auf ihrer "Grand Tour" Heidelberg und sein Fass besichtigten, ein äußerst beliebtes Souvenir gewesen sein. Denn bereits 1667 produzierte Nikolaus Linck eine weitere, motivgleiche, aber achteckige Medaille. Dieses seltene Stück wurde am 29. September 2023 bei Künker in Auktion 394 angeboten. Die Medaille zeigt auf der Vorderseite das Heidelberger Schloss. Ihre Umschrift lautet in Übersetzung: Dies ist das Bild der Pfälzer Burg und der Ort ihres Umgangs und ihres Palas.




Das Heidelberger Fass als Touristenattraktion

Die Rückseite der neuen Medaille präsentiert das Fass selbst. Die Umschrift lautet in einer etwas freien Übersetzung: Du siehst ein Bild des Pfälzer Fasses, ein größeres und schöneres gibt es nicht. Wie um das zu unterstreichen hält der Künstler zahlreiche Details fest. Wir sehen oben auf dem Fass einen kleinen Bacchus thronen. Er schwenkt zwei Pokale. Um ihn herum verteilen sich Pansgestalten in einem Rankwerk aus Wein. Zwei Löwen halten das Wappen in der Mitte, darüber ist der Kurhut abgebildet, darunter finden sich die Initialen von Karl Ludwig. Deutlich erkennbar ist auch die Balustrade auf der Oberseite des Fasses.



Welchen Zweck die Balustrade hatte, zeigt eine Abbildung des „dritten“ Heidelberger Fasses aus dem Jahr 1743. Auch sie dürfte einst als Souvenir für die vielen Heidelberg-Touristen angefertigt worden sein. Vom zweiten Heidelberger Fass an waren nämlich alle Fässer oben begehbar, so dass man Feste auf ihnen feiern und die Touristen hinaufführen konnte. Ein großartiges Erlebnis, das man durchaus mit dem heutigen Besuch im Kopf der Freiheitsstatue in New York vergleichen könnte: Die wahre Größe eines Bauwerks kann man nur aus der Nähe ermessen.


Das „dritte“ und das vierte Heidelberger Fass

Auf jeden Fall entwickelte sich das Heidelberger Fass zu einem Publikumsliebling und Herrschaftssymbol. Und da spielte es keine Rolle, dass es nicht dicht zu bekommen war.

1680 wurde das zweite Fass zum letzten Mal gefüllt. Weil der Pfälzer Kurfürst es aber nur allzu gerne für seine Hoffeste benutzte, ließ er es zwischen 1724 und 1728 rundum erneuern, weswegen das „dritte“ Fass dem zweiten Fass auffällig ähnlich sah.

Weil es aber immer noch nicht dicht war, wurde 1750 ein neues Fass in Auftrag gegeben. Und dieses wird heute noch neugierigen Touristen aus aller Welt gezeigt.


Übrigens, das Heidelberger Fass hält weder den Rekord als ältestes Riesenweinfasses der Welt, (dieses steht in Halberstadt), noch den des größten, das finden Sie in Dürkheim. Sein Rang als Touristenattraktion geht ausschließlich auf die Publikation von Praetorius im Jahr 1594 zurück.

So ist das mit vielen touristischen Glanzlichtern: Bei den meisten haben wir vergessen, warum wir sie eigentlich sehen wollen.


Pressemeldung Künker

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