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Herr und Knecht: Der Huldigungstaler von 1528

Es gibt verschwindend wenig frühneuzeitliche Münzen, die einen Bauern darstellen. Die große Ausnahme ist der sogenannte Huldigungstaler des Habsburgers Ferdinand I. von 1528. Wir fragen, warum ausgerechnet auf dieser Schaumünze die Bauern so prominent ins Bild treten.


Am 2. Februar 2023 führt Künker seine traditionsreiche Berlin-Auktion durch. 730 Lose mit einer Gesamtschätzung von 6 Mio. Euro werden an diesem Tag versteigert, exakt 100 stammen aus der legendären Sammlung Salton. Wir stellen eine dieser Raritäten vor, den so genannten Huldigungstaler Ferdinands I. von 1528.


Ferdinand I. Schautaler 1528, Hall. Stempel von Ulrich Ursentaler dem Älteren. Äußerst selten.

Fast vorzüglich. Schätzung: 25.000,– Euro. Aus Auktion Künker 379 (2. Februar 2023), Nr. 64


Seine Darstellung fällt nämlich völlig aus dem Rahmen: Die Schauseite zeigt vier Bauern, die zusammen mit den Adligen von Böhmen, Ungarn und Österreich König Ferdinand huldigen. Tatsächlich hatten sich die Tiroler Bauern erst drei Jahre vor der Prägung des Stücks alles andere als unterwürfig verhalten.


Habsburgs Aufstieg auf Kosten der Bauern

Als Maximilian I. am 12. Januar 1519 starb, tat er das in Wels, weil sich die Innsbrucker Wirte weigerten, den notorischen Zechpreller aufzunehmen. Maximilians reiche Einkünfte – immerhin erhielt er u. a. einen üppigen Teil der Schwazer Silberausbeute – reichten nie, um seine Ausgaben zu decken. Bei seinem Tod war er völlig überschuldet – eine schwere Belastung für seinen Erben Karl V.


Ferdinand I. Doppelter Schautaler 1532, Klagenfurt. Äußerst selten. Sehr schön.

Schätzung: 7500,– Euro. Aus Auktion Künker 380 (2. Februar 2023), Nr. 550


Karl V. gab einen Teil der Schuldenlast weiter. Er ernannte seinen jüngeren Bruder Ferdinand I. im Jahr 1522 unter der Bedingung zum Gubernator der österreichischen Landesteile, dass der die Hälfte der Schulden Maximilians übernahm. Dies war eine schwere finanzielle Belastung. Um genügend Steuermittel aufzubringen, holte Ferdinand den spanischen Finanzspezialisten Gabriel Salamanca und ernannte ihn zum Kanzler und Generalschatzmeister. Salamanca wurde in Österreich als Ausländer empfunden, der sich noch dazu durch seine rigorose Steuerpolitik unbeliebt machte. Seine einschneidenden Maßnahmen trafen alle, aber nur der dritte Stand geriet dadurch in Existenznot.


Rastender Mäher: Das beeindruckende Porträt eines Bauern aus dem Veneto,

geschaffen um 1500 von Andrea Briosco. KHM, Wien KK7345. Foto: KW


Eine Zeit des Übergangs

Schließlich war das 16. Jahrhundert eine Epoche des Umbruchs. Hatte vorher eine eher lockere Form der Kontrolle existiert, setzten nun am römischen Recht geschulte Beamten die landesherrlichen Vorschriften durch. Gewohnheitsrechte gehörten der Vergangenheit an. Jagd, Fischerei, die Nutzung der Allmende, das alles wurde streng reglementiert. Behörden zogen die Steuern pünktlich ein, und die Richter orientierten sich beim Strafmaß nicht mehr an lokalen Gebräuchen, sondern am Buchstaben des Gesetzes.


Dies fiel zusammen mit dem gesteigerten Geldbedarf der Herrschenden. Die gesellschaftlichen Normen verlangten immer höhere Ausgaben für luxuriöse Bauten, standesgemäßes Auftreten und vor allem die teuren Söldner. Das konnte nicht allein über Steuererhöhungen gedeckt werden. Deshalb nahmen viele Herrscher Zuflucht zu Münzmanipulationen. Wer über Markt und Münzprivileg verfügte, zwang die Besucher seines Marktes, mit einer Münze aus schlechtem Silber zu zahlen, die in der Stadt zum Nominalwert eingetauscht werden musste, außerhalb der Stadt aber nur mit einem hohen Verlust akzeptiert wurde. Damit blieb den Bauern und Handwerkern weniger Geld beim Verkauf ihrer Ware.


Dazu wuchs die europäische Bevölkerung immens: Sie sollte sich zwischen 1500 und 1618 verdoppeln. Dadurch stand den freien Bauern immer weniger Land zur Verfügung. Das drängte immer mehr Menschen in die prekäre Existenz eines Taglöhners. Zieht man dann noch in Betracht, dass kürzere Vegetationsperioden die kleine Eiszeit ankündigten und damit die Ernten geringer wurden, kann man sich die Existenzängste der bäuerlichen Bevölkerung nur zu gut vorstellen.


Zu Lanzen umgeschmiedete Sensen aus dem 18. Jahrhundert. Solche Waffen wurden seit Jahrhunderten bei Bauernaufständen benutzt. Natürlich waren die Aufständischen damit dem regulären Militär unterlegen. Solothurn, Zeughaus. Foto: KW


Aufstand in Tirol

Es gärte also in Tirol. Bereits im Februar 1525 erhoben sich die Schwazer Knappen und wehrten sich so gegen steigende Lebensmittelpreise und erhöhte Abgaben. Der Landesherr lenkte ein, um diese hoch bezahlten Facharbeiter dazu zu bringen, möglichst schnell ihre für ihn so profitable Arbeit wieder aufzunehmen.


Kaum war dieser Unruheherd beseitigt, brach im Mai der Aufstand in Brixen aus. Der Bischof hatte den wohlhabenden Bauern Peter Paßler aus dem Pustertal zum Tode verurteilt, weil der nach alter Gewohnheit in den Teichen und Flüssen seines Landes fischte, ein Privileg, das der Bischof nun für sich beanspruchte. 300 bewaffnete Bauern und Taglöhner befreiten Paßler. Dies war der Beginn des Tiroler Bauernaufstands, den der wortgewaltige Sekretär des Brixener Bischofs Michael Gaismair anführte. Er wusste um die Sorgen der Bauern. Und er kannte ihre Forderung aus dem Jahr 1521, man möge wieder so gute Münzen prägen, wie sie unter Sigismund dem Münzreichen kursiert hatten.


Gutes Geld wurde zu einem zentralen Anliegen nicht nur in Tirol, sondern überall, wo der Bauernkrieg in den Jahren 1525/6 tobte. Denn der hatte mehr wirtschaftliche als religiöse Gründe. Luthers Forderung, die Bibel als Maßstab zu nehmen, gab ihm lediglich die notwendige Schlagkraft. Denn wenn die Bibel alleiniger Maßstab für Gottes gerechte Weltordnung war, wo stand dann, dass die Bauern Untertan sein sollten? Oder mit den Worten der Zeit: Als Adam grub und Eva spann, wo war denn da der Edelmann?


Kluges Taktieren, Vertrösten, Vernichten

Ferdinand und seine Ratgeber agierten geschickt. Der umstrittene Spanier Gabriel Salamanca zog sich sofort, ohne Verlust seines Titels nach Augsburg zurück. Die Vertreter der Bauern wurden feierlich zu großen Landtagen erst nach Meran, dann nach Innsbruck geladen. Dort hörte man sich gnädig ihre Forderungen an und erließ 1526 eine neue Landesordnung, die Bauernlandesordnung.

Die Aufständischen waren zufrieden und Ferdinand gewann genug Zeit, um systematisch seine Machtposition auszubauen, bis es ihm 1532 möglich war, die Bauernlandesordnung zurückzunehmen und durch eine wesentlich restriktivere Landesordnung zu ersetzen. Kurz bevor Ferdinand I. seinen Juristen den Befehl erteilte, die Landesordnung zu revidieren, entstand der sogenannte Huldigungstaler.


Detail des sogenannten Huldigungstalers von 1528: Der Kaiser hoch zu Ross


Der Taler von 1528

Betrachten wir seine Darstellung genau: Hoch zu Ross reitet der gekrönte Ferdinand I. Er trägt eine Rüstung und hält in der rechten Hand das Zepter. Das Pferd ist mit einer Decke geschmückt, die auf der Vorderseite den österreichischen Bindenschild zeigt.


Detail des sogenannten Huldigungstalers von 1528: Die Delegation der Adligen aus Böhmen und Ungarn, deutlich ist zu sehen, dass der hintere Adlige seine Hand auf dem Schwert ruhen lässt.


Ferdinand blickt auf zwei Adlige herab, die zu seiner Rechten stehen. Sie schwingen das böhmisch-ungarische Banner und geben sich dadurch als Böhmen bzw. Ungarn zu erkennen. Ferdinand erhob seit dem Tod seines Schwagers in der Schlacht von Mohacs Anspruch auf dessen Erbe. Im Februar 1527 wurde er zum König von Böhmen gekrönt, die Erhebung zum ungarischen König folgte im November des gleichen Jahres.

Dass es sich bei den Abgebildeten um Adlige handelt, zeigt sich daran, dass der eine seine Hand auf den Schwertgriff stützt und der Fahnenträger in einer Ganzkörperrüstung abgebildet ist.


Detail des sogenannten Huldigungstalers von 1528: Die Delegation der Adligen aus Österreich


Links vom Herrscher stehen die Vertreter von Österreich, auch sie erkennbar an der Fahne. Ihnen wird die protokollarisch weniger ehrenvolle Seite eingeräumt. Schließlich war Österreich kein Königtum wie Böhmen und Ungarn, sondern „nur“ ein Erzherzogtum. Ursprünglich bezog sich diese Fahne ausschließlich auf Ober- und Niederösterreich. Doch konnte sie auch für die Gesamtheit der österreichischen Lande unter der Herrschaft der Habsburger stehen.


Detail des sogenannten Huldigungstalers von 1528:

Die Bauern knien vor dem Herrscher zusammen mit den treuen Hunden


Im Vordergrund sind vier Bauern zu sehen. Sie huldigen dem Herrscher als Vertreter des dritten Standes der Landstände. Da sie nicht das Privileg besitzen, Waffen zu tragen und die Huldigung stehend zu absolvieren, knien sie waffenlos vor ihrem Herrn. Als loyale Untertanen recken sie ihm ihre Hände im Huldigungsgestus entgegen.

Ikonographisch wird ihr Status durch die beiden Hunde unterstrichen, die vor den Beinen des Rosses kauern. Sie stehen für die bedingungslose Loyalität, wie sie Geschöpfe gegenüber ihren Herren angemessen ist, die nicht über genug eigenen Verstand verfügen, um zu wissen, was für sie das Beste ist. Damit weisen die Hunde den Bauern ihren Platz im Weltgefüge zu: Sie mögen sich damit bescheiden, was ihr Herr in seiner Weisheit über sie verhängt.


Und wer hat diesen Taler in Auftrag gegeben?

Wer steckt nun hinter diesem Taler und aus welchem Grunde wurde er geprägt? Diese Fragen lassen sich nicht so leicht beantworten, da es keine archivalischen Quellen gibt.

Immerhin wissen wir, dass der Taler in Hall geprägt wurde und dass Ulrich Ursentaler die Stempel dazu schnitt. Die großen Kenner des Tiroler Münzwesens, Heinz Moser und Heinz Tursky, postulieren, dass es sich bei dieser Prägung um ein Geschenk handelt, das die Tiroler Landstände Ferdinand I. anlässlich seines zweiten Besuchs in Innsbruck machen wollten. Sie beziehen sich auf die 9000 Gulden, die gemäß den Quellen für dieses Geschenk aufgewandt wurden.

Nun erfolgte dieser Besuch erst 1529, während auf der Münze als Jahreszahl 1528 angegeben ist. Das erklären Moser-Tursky damit, dass sich der Besuch wegen einer Seuche bis zum neuen Jahr verzögerte. Vehement wehren sie sich dagegen, dass diese Münze als Zeichen der Unterwerfung der Bauern im Bauernkrieg geprägt worden sein könnte, wie es Karl Moeser vorschlug. Sie fragen, warum die „Tiroler Bauern“ die Fahnen Ungarn-Böhmens und Österreichs in den Händen halten. Dies ist tatsächlich eine gute Frage, die man auch auf die Tiroler Landstände übertragen könnte. Tatsächlich gibt es kein schlagendes Argument, warum ausgerechnet die Tiroler Landstände diese Münze in Auftrag gegeben haben sollen.


Nun hatte aber Ferdinand I. selbst sein neues königlich-böhmisch-ungarisches Siegel in Hall bestellt. Warum soll er bei dieser Gelegenheit nicht auch eine kleine Emission von Schaumünzen beauftragt haben? Wappen und Titel der Münze entsprechen in allen Details dem neuen großen Siegel. Auch die Botschaft der Münze würde zu seiner Politik passen, denn sie zeigt die Stände seines Reiches genau dort, wo sie in seinen Augen hingehörten: den Adel bewaffnet an seiner Seite, die Bauern kniend zu seinen Füßen.

Aber eigentlich ist die Frage der Urheberschaft gar nicht so wichtig. Wichtig ist, dass diese Münze augenfällig zeigt, dass die Bauern es durch ihren Aufstand geschafft hatten, den Herrschenden ihre Wichtigkeit vor Augen zu führen. Tatsächlich sollten die Habsburger Kaiser in den folgenden Jahrzehnten immer mehr rechtliche Mittel bereitstellen, die es selbst Bauern ermöglichten, vor dem Reichsgericht ihr Recht gegenüber ihrem Grundherrn einzuklagen.


Literatur

  • Heinz Moser/Heinz Tursky: Die Münzstätte Hall in Tirol. Innsbruck 1977.

  • Philipp Robinson Rössner: Deflation – Devaluation – Rebellion. Stuttgart 2012.

  • Thomas Winkelbauer, Ständefreiheit und Fürstenmacht. Länder und Untertanen des Hauses Habsburg im konfessionellen Zeitalter. Wien 2003.

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