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Dietmar Kreutzer

Das Gold von Bad Homburg: Wie gewonnen, so zerronnen!


Vor ziemlich genau 300 Jahren wurde in Bad Ems die erste deutsche Spielbank eröffnet. Wie Pilze schossen daraufhin in den westdeutschen Heilbädern weitere Casinos aus dem Boden. Nachdem der französische König Luis Philippe alle Spielbanken verboten hatte, versuchten etliche Betreiber einen Neustart im Ausland. Die in Bordeaux zu Geld gekommenen Gebrüder Blanc bekamen ein Angebot des verarmten Landgrafen von Hessen-Homburg. Nach längerem Zögern erklärten sie sich bereit, in dem verschlafenen Nest Homburg ein Kurhaus mit Spielbetrieb zu eröffnen. Der Vertrag vom 4. Juli 1840 legte fest, dass die Brüder mindestens 100.000 Gulden für das neue Kurhaus aufzuwenden hätten. Zum Zeitpunkt der Fertigstellung im Jahr 1842 sollte es in das Eigentum des Landgrafen übergehen. Im Gegenzug wurde eine langjährige Pacht bis zum Jahr 1871 mit einem Anfangszins von 3.000 Gulden vereinbart.


Das Geschäft entwickelte sich aus der Sicht der Finanzverwaltung des Landgrafen vielversprechend: „Die Beamten meinten, nach ihren Erkundigungen sei die Zahlungsfähigkeit der Brüder, besonders des Herrn Francois Blanc, für das Unternehmen vollkommen hinreichend; sie hätten auch sofort nach Abschluss des Vertrages, also nach der Ratifikation, 1.000 Stück holländische 10-Gulden-Goldstücke auf den Tisch gelegt.“ (Egon Caesar Conte Corti, Der Zauberer von Homburg und Monte Carlo, Berlin 1955, S.25). Der Spielbetrieb wurde bereits im Folgejahr aufgenommen, das pompöse Kurhaus am 16. und 17. August 1843 feierlich eröffnet.


Der geringste Spieleinsatz beim Trente et quarante betrug zwei Gulden, der höchste 4.000 Gulden. Beim Roulette war der Einsatz auf 4.000 Gulden für die einfache Chance begrenzt, auf 120 Gulden bei einer einzelnen Zahl. In den ersten Jahren fand sich vor allem die Lokalprominenz ein. Der Schriftsteller Karl August Varnhagen machte sich über Kurfürst Wilhelm II. von Hessen-Kassel (1777-1847) lustig. Den ganzen Tag schiebe jener mit gekrümmtem Rücken das Gold hin und her. Dabei büßte Wilhelm II. viel Geld ein: „Im Oktober des Jahres 1843 lieh ihm die Verwaltung des Kurhauses, also die Gebrüder Blanc, 1.000 Napoleon d’ors zum damaligen Kurse von 9 Gulden 27 Kreuzern das Stück. Er verlor die ganze Summe, und die Rückzahlung fiel ihm außerordentlich schwer. Nach einiger Zeit bezahlte er 3.450 Gulden in bar, erbat aber von den Blancs die Erlaubnis, für die restlichen 6.000 Gulden 40 Stück damals sehr moderne und überall sehr gesuchte Orangenbäume aus seiner Orangerie überlassen zu dürfen. Die Blancs gingen darauf ein, und von da ab standen im Sommer zu beiden Seiten des Kurhauses die mit den goldroten Früchten behangenen Bäume aus der kurfürstlichen Orangerie.“ (Ebenda, S. 33f.).


Bald fand sich auch internationales Publikum ein. Die russische Gräfin Sophie Kisselew saß beim Roulette immer vor einem großen Haufen Banknoten sowie Gold- und Silbermünzen. Sie verspielte ein Vermögen. Die Musiker Niccolò Paganini und Anton Rubinstein verfielen in Bad Homburg dem Spiel. Sogar der italienische Revolutionär Giuseppe Garibaldi und der SPD-Chef Ferdinand Lassalle wurden hier gesichtet.


Mit dem Erfolg kamen auch geschickte Betrüger zum Zuge. Größere Beträge wurden oft als Münzrollen gesetzt, auf deren Papierhülle der Betrag aufgedruckt war. Es kam vor, dass falsche Rollen ins Spiel gelangten, welche Goldstücke nur an den Außenseiten zeigten. Im Inneren waren sie mit Blei gefüllt. Als ein reales finanzielles Risiko für die Bank entpuppte sich der Auftritt von Charles Lucien Bonaparte, eines Neffen des ehemaligen Kaisers Napoleon, am 26. September 1852. Mit hohem Kapital aus Wiesbaden angereist, stapelte der dicke, stiernackige Prinz einen ganzen Haufen Gold vor sich auf. Zwischen Trente et quarante und den Roulettetischen wechselnd, spielte er unaufhörlich zu Höchstsätzen. An drei aufeinander folgenden Tagen gewann er insgesamt 180.000 Francs. Der Direktor der Spielbank fragte vorsichtshalber bei Rothschild in Frankfurt an, ob ein Kredit über 200.000 Francs erhältlich sei. Am 2. Oktober spielte Bonaparte erneut. Zunächst erlitt er eine Verlustserie. Doch „… ab 10 Uhr abends wendete sich das Blatt. Eine sehr starke Bank wurde aufgelegt, der Prinz aber hatte ein so unsinniges Glück, dass sie in kürzester Zeit am Ende angelangt war. Am Abend dieses Tages zog sich der Prinz mit einem Gewinn von nicht weniger als 560.000 Francs zurück.“ (Ebenda, S. 69).


Am 3. Oktober 1852 fand wegen der existenzbedrohenden Verluste in der Spielbank eine Krisensitzung statt. Doch das Glück war den Blancs hold. Am gleichen Tag reiste Charles Lucien Bonaparte ab! Nur einmal noch gab es eine vergleichbare Glückssträhne für einen der Spieler: Ein Spanier namens Thomas Garcia war Ende August 1860 nach Bad Homburg gekommen. An einem Tisch, an dem Trente et quarante gespielt wurde, setzten er und sein vermeintlicher Bruder sowie eine Freundin immer den Höchstbetrag von 12.000 Francs entsprechend 56.000 Gulden. Bis zum 12. September gab es wiederholt märchenhafte Gewinne, teils aber auch hohe Verluste: „Plötzlich fühlte er die Hand des jungen Mädchens, das ihn immer begleitete, auf seiner Schulter, er wandte sich um und blickte in bittende Augen; da gab er sich einen Ruck, erhob sich und verließ den Spielsaal und Homburg. Er hatte dort alles in allem nahezu 800.000 Francs gewonnen.“ (Ebenda, S. 85). Etwa ein Jahr später kehrte Garcia zurück – und verlor alles!


Durch die Berichte von sagenhaften Gewinnen war Bad Homburg in aller Munde. Die infolge der Spielleidenschaft zerstörten Existenzen führten andererseits zu einer Protestwelle gegen das Glücksspiel. Neider munkelten, dass das Vermögen von François Blanc, des überlebenden der beiden Casino-Gründer, von 200.000 Francs innerhalb von 25 Jahren auf gigantische 20 Millionen Francs angewachsen war. Nach langer Diskussion konnten sich die Konservativen im Februar 1868 im preußischen Abgeordnetenhaus durchsetzen und ein Verbot der Spielbanken erwirken. Zum 31. Dezember 1872 sollte das Verbot wirksam werden. So umlagerten in der Silvesternacht 1872 die Schaulustigen in sechs bis sieben Reihen jeden einzelnen Spieltisch „Da erscholl fünf Minuten vor 11 Uhr der etwas zitternde Ruf des Croupiers: ‚Messieurs, à la dernière for ever!‘ Mit fiebriger Hast wurde der grüne Tisch zum letzten Male mit Gold und Silber gepflastert. ‚Vingt, noir, pair et passe‘ riefen die Croupiers, und damit war das Spiel in Homburg zu Ende. Alles strömte in die ausgezeichnete, Weltruf genießende Restauration Gütig-Chevets, wo ein großes Schlussdiner geboten wurde.“ (Ebenda, S. 179). Weiter ging es in Monte Carlo!


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