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Wahrzeichen in Flammen – Warum sich Napoleon Bonaparte 1804 nicht in Reims, sondern in Notre-Dame de


15. April 2019: Notre Dame de Paris steht in Flammen.

Quelle: Wikimedia, Foto: Milliped

Am Abend des 15. April 2019 brach im Dachbereich der Pariser Kathedrale Notre-Dame ein verheerender Brand aus, der sich sehr schnell ausbreitete und den spitzen Glockenturm sowie das aus dem Mittelalter stammende Dach einstürzen ließ. Neben den Flammen verursachten auch einstürzende, stark erhitzte Baumassen und das Löschwasser massive Schäden. Wie es zu der Katastrophe kam, wird untersucht. Anfangs war ein Brandanschlag in Erwägung gezogen, dann aber verworfen worden. Die Regierung, die Einsatzleitung der Feuerwehr und Architekten sind froh, dass die Außenmauern stehen, ebenso die beiden Haupttürme mit der imposanten Hauptfassade des zum Weltkulturerbe der Unesco gehörenden Gotteshauses. Mit jährlich 13 Millionen Besuchern ist die Kirche noch vor dem Eiffelturm das beliebteste, freilich auch sehr fragile Wahrzeichen der französischen Hauptstadt.

Die meisten Kunstschätze und religiösen Reliquien wie die der Legende nach von Jesus Christus getragene Dornenkrone konnten gerettet werden, und auch die berühmte Orgel von 1730 blieb erhalten. Hingegen nahmen fest in den Mauern verankerte Objekte großen Schaden. Präsident Macron kündigte an, die Kathedrale wieder aufbauen zu lassen. Spender versprachen Beteiligungen in Millionenhöhe, und auch die UNO sicherte ihre Unterstützung zu. Die Kathedrale des Erzbistums Paris wurde ab dem 12. Jahrhundert errichtet und gilt als eines der frühesten gotischen Kirchengebäude in Frankreich, das nie ganz vollendet wurde, weil ihm die Spitzen auf den Türmen beiderseits des Eingangsportals fehlen. Victor Hugo hat die Kirche 1831 in seinem später immer wieder verfilmten Roman „Der Glöckner von Notre-Dame“ ein Denkmal gesetzt.

Die Medaille von B. Andrieu und J. P. Droz schildert, wie Volk und Senat Napoleon Bonaparte, antiker Tradition folgend, auf den Schild heben und seinem Kaisertum Legitimität verleihen.

Silber, Ø 41 mm

Foto/Repro: Caspar

Histoire métallique

Wer sich als Sammler für französische Münzen und Medaillen interessiert, wird sicher auch die Gedenkprägungen kennen, die Napoleon Bonaparte anlässlich seiner Krönung am 2. Dezember 1804 in der Pariser Notre-Dame, dem Herzen Frankreichs, prägen ließ. Für ihn hatte geprägtes Metall die Bedeutung einer „Histoire métallique“, die ganz in der Tradition der Serie von König Ludwig XIV. wichtige Haupt- und Staatsaktionen dokumentiert und, von großartigen Künstlern gestaltet, in der Monnaie de la Médaille zu Paris ausgeführt wurde. Die dort geprägten Erinnerungsstücke bilden ein interessantes, durch Kataloge dokumentierte und vom Münzhandel regelmäßig angebotenes Sammelgebiet.

Der Staatsakt in Notre-Dame de Paris muss für den aus Korsika stammenden Emporkömmling ein unbeschreibliches Erlebnis gewesen sein. Aus dem Nichts war er nach der französischen Revolution von 1789 in schwindelnde Höhe aufgestiegen. Die Nation lag dem zeitweilig mächtigsten Mann in Europa zu Füßen, dessen sagenhafte Karriere vom übrigen Europa mit bangen Erwartungen beobachtet wurde.

Papst Pius VII. wurde 1804 bei der Krönung Napoleons I. zum Kaiser der Franzosen in Notre-Dame de Paris nur als Staffage benutzt.

Medaille von J. P. Droz und L. Jaley, Kupfer Ø 41 mm

Foto/Repro: Caspar

Legitimität und Glanz

Napoleon Bonaparte hatte Notre-Dame mit Bedacht zu seiner Krönungskirche gemacht, denn die französischen Könige hatten sich nicht in der Hauptstadt, sondern in der Kathedrale von Reims salben und krönen lassen. Durch die Wahl der Pariser Kathedrale wollte sich der Kaiser von seinen Vorgängern auf dem französischen Thron abheben und zeigen, dass eine neue Ära begonnen hat.

Eine besondere Note erhielt die prächtig inszenierte Kaiserkrönung durch die Anwesenheit von Papst Pius VII. Mit übertrieben freundlichen Worten hatte Napoleon den aus Rom nach Frankreich entführten Pontifex maximus gebeten, die Salbung und Krönung persönlich vorzunehmen und damit seinem Kaisertum Legitimität und Glanz zu verleihen. Er brauchte diese Weihen, weil man ihn in der Fürstenriege nicht für ebenbürtig hielt und ihm nur aus Angst zu Diensten war. Der spätere Kardinalstaatssekretär Ercole Consalvi blickte hinter die Kulissen und schrieb sarkastisch: „Man setzte den Heiligen Vater in Trab, wie einen Kaplan, den sein Herr rufen lässt, um die Messe zu halten“. Napoleon I. ließ sich zwar vom Papst salben, krönte aber sich und seine Gemahlin Josephine selber, um zu unterstreichen, dass er Kaiser von Gottes Gnaden ist und seine Krone nicht aus den Händen des Papstes erhält.

Vergeblich versuchte der auf einer Medaille von 1804 zusammen mit dem Kirchengebäude abgebildete Pius VII., die Souveränität des von den Franzosen besetzten Kirchenstaates wiederherzustellen. Der Kaiser erklärte sich lediglich dazu bereit, einige kirchliche Orden wieder zuzulassen und den republikanischen Kalender abzuschaffen, was dann 1805 auch geschah. Sonst aber wurde der nur als Staffage missbrauchte Papst im Schloss Fontainebleau gefangen gehalten und konnte erst 1814 nach dem Sieg der Verbündeten in den Befreiungskriegen wieder nach Rom zurückkehren.

Ein ausführlicher numismatisch-historischer Beitrag zu diesem Thema wird in der MünzenRevue erscheinen. Wir werden bei muenzen-online.com darüber informieren.


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