Zwischen 521 und 326 v. Chr. prägten Phokaia in Ionien und Mytilene auf Lesbos eine Unmenge an Elektronhekten (1/6-Statere aus Elektron) für den Fernhandel beider Poleis im nord- und ostägäischen Raum. Einem Münzvertrag zufolge, der während dieser Periode sowohl für Phokaia als auch für Mytilene galt, sollten beide Städte abwechselnd jedes zweite Jahr Münzen, d.h. Elektronhekten, prägen. Jahresbeamte – im Vertrag „Legierer des Goldes“ genannt –, die mit ihrem Leben für die Einhaltung der festgelegten Legierung hafteten, wurden bestellt und mussten die jeweiligen Prägungen überwachen. Um diese Jahresbeamten kontrollieren zu können, führte man in Ermangelung einer Monogramm- oder Beizeichenpraxis jährlich wechselnde Münzbilder (in Phokaia) bzw. jährlich wechselnde Kombinationen von Münzbildern (in Mytilene) ein, die man dann dem jeweils verantwortlichen Beamten zuordnen konnte. Diese unterschiedliche Handhabung in Phokaia und in Mytilene war der Tatsache geschuldet, dass die Hekten in Phokaia auf ihrer Rückseite stets nur ein vertieftes Viereck oder ein viergeteiltes vertieftes Viereck trugen, während die Hekten Mytilenes immer Vorder- und Rückseitenbilder zeigten.
Betrachtet man nun die erste Hekte Mythilenes, so zeigt sich auf der Vorderseite die Protome eines nach links laufenden Stiers, die im Abschnitt geperlt ist. Zwischen Maul und rechtem Vorderbein des Stiers befindet sich zudem der griechische Buchstabe „M“. Auf der Rückseite dagegen erscheint ein vertiefter (inkuser) Löwenkopf mit aufgerissenem Rachen nach links.
Mytilene (Lesbos), Hekte (521 v. Chr.), Elektron, 2,56 g, Ø [Höhe Vs.] 10,32 mm.
Quelle: MA-Shops, Künker am Dom, München (2016) / R, selten (nur 17 Exemplare bekannt)
Folgt man den Numismatikern J. P. Barron und Friedrich Bodenstedt, so waren Stierprotome und Löwenkopf keine eigenständigen mytilenischen Schöpfungen, sondern von den Münzen von Samos entlehnt. „Die Tendenz, sich an samische Vorbilder anzulehnen, wird höchstwahrscheinlich handels- und geldpolitische Hintergründe gehabt haben.“ (F. Bodenstedt: Die Elektronmünzen von Phokaia und Mythilene. Tübingen 1981, S. 59) Nach 455 v. Chr. gab man die inkusen Rückseitenbilder jedoch auf und fertigte alle Reversmotive in derselben Art und Weise wie auch die Vorseitenbilder. Auf den bereits erwähnten Buchstaben „M“ auf der Münzvorderseite der 1. Emission, der vermutlich als Kürzel für Mytilene stand, verzichtete man bereits ab der 3. Emission (also ab 517 v. Chr.). Die zweite Emission von 519 v. Chr. ist prinzipiell noch wie die erste, bloß ist der inkuse Löwenkopf der Rückseite jetzt nach rechts gewandt. Laut Bodenstedt sind von der [abgebildeten] 1. Emission nur 17 Exemplare aus 5 Vorder- und 4 Rückseitenstempel auf uns gekommen.
Das 1995 neu eröffnete Archäologische Museum in Mytilene auf Lesbos.
Quelle: KureKewlik81, Wikipedia