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REX DATVS - König von Roms Gnaden

Spätestens seit der späten römischen Republik, d.h. ab dem Zeitpunkt, als die Grenzen des römischen Reiches über das italienische Festland hinausreichten, wurden von Rom zum Schutz der Grenzen „Pufferstaaten“ eingerichtet. Diese Klientelreiche wurden in der Regel auch von „Rom-treuen“ Herrschern regiert, deren Machtposition natürlich direkt vom römischen Wohlwollen und von römischer Einflussnahme abhing. Der römische Historiker P. Cornelius Tacitus bezeichnete dementsprechend die Herrschaft über solche Klientelreiche als „donum populi Romani“, d.h. als Geschenk des römischen Volkes. Während des römischen Prinzipats war die Einsetzung eines Klientelkönigs ein durchaus gebräuchlicher Vorgang. Der römische Historiker Sueton führt uns in seiner Lebensbeschreibung des Kaisers Nero so eine „Königseinsetzung“ eindrücklich vor Augen. Im Jahr 66 kam der parthische Prinz Tiridates nach Rom, um von Nero das Königsdiadem Armeniens zu erhalten. Die Zeremonie wird wie folgt beschrieben:


„Vor allen am Forum liegenden Tempeln waren Kohorten in voller Rüstung aufgestellt, Nero selbst thronte auf dem kurulischen Sessel bei der Rednerbühne im Gewande eines Triumphators, von Feldzeichen und Standarten umgeben. Darauf schritt der König das erhöhte Podium hinauf und ließ sich vor dem Kaiser auf die Knie nieder. Dann hob ihn Nero mit der Rechten auf, begrüßte ihn mit einem Kuss, nahm ihm nach Anhörung seiner Bitte die Tiara vom Haupt und setzte das Diadem an ihre Stelle. Ein ehemaliger Prätor verdolmetschte die Worte des sich der kaiserlichen Gnade empfehlenden Königs laut der Menge.“ (Sueton, Nero 13; Übers. M. Heinemann)


Leider fand diese Königserhebung, im Lateinischen lapidar als „rex datus“ (ein König wird gegeben) bezeichnet, keinen direkten Niederschlag in der neronischen Münzprägung. Dafür findet sich dieses Thema mehrfach auf Münzen des Traian, hier im engen Zusammenhang mit dem Partherkrieg Traians. Ende 113 zog Traian mit seinen Truppen gen Osten, wo dann Anfang 114 der Krieg gegen die Parther begann. Auslösendes Moment war die Herrschaft über den römischen Vasallenstaat Armenien, die auch von den Parthern beansprucht wurde. Traian drang zwar bis zum persischen Golf vor, doch gelang es ihm nicht, die eroberten Gebiete dauerhaft zu sichern. Nachdem die parthischen Truppen große Teile

des von den Römern besetzten Gebietes wieder zurückerobert hatten, gelang Traian durch den „Frontwechsel“ des parthischen Feldherrn und Königssohnes Parthamaspates ein taktischer Schachzug, indem Traian in Ktesiphon Parthamaspates als König der Parther einsetzte. Parthamaspates war ein Sohn des Partherkönigs Osroes I. (griech. Chosroes).

Abb. 1 S, 114 - 116, Rom, RIC II Nr. 669


Der römische Historiker Cassius Dio beschreibt die Szene wie folgt:


„Traian aber fürchtete auch eine Erhebung bei den Parthern, weshalb er ihnen einen eigenen König geben wollte. Zu diesem Zweck verfügte er sich nach Ktesiphon und rief alle Römer und sämtliche Parther, die sich damals dort befanden, auf einer weiten Ebene zusammen. Dann bestieg er eine hohe Rednerbühne, pries in stolzen Worten seine Taten und ernannte Parthamaspates zum Partherkönig, nachdem er ihm das Diadem aufs Haupt gesetzt hatte.“ (Cassius Dio 68.30.3; Übers. O. Veh)


Das Reversbild des sehr seltenen Sesterz Abb. 1 könnte auf diese von Cassius Dio geschilderte Königserhebung des Parthamaspates Bezug nehmen, dafür würde auch die Reversinschrift im Abschnitt „REX PARTHVS“ (parthischer König) sprechen. Allerdings fehlt bei der Vorderseitenlegende der Titel „Parthicus“ (Sieger über die Parther), der Traian am 20. /21. Februar 116 verliehen wurde. Demzufolge muss diese Prägung vorher entstanden sein, d.h. zu einem Zeitpunkt, als die Einsetzung eines Klientelkönigs, die gemeinhin in den Herbst 116 datiert wird, zwar geplant, aber noch nicht vollzogen war.


Das Reversbild ist zweigeteilt. Die rechte Seite wird von einem hohen, würfelförmigen Podest dominiert. Auf diesem sitzt Traian auf einem Klappstuhl, der „sella castrensis“. Der mit militärischem Gewand bekleidete, sitzende Traian ist ebenso groß dargestellt wie der hinter ihm stehende Offizier. Damit wird die Person des Kaisers deutlich hervorgehoben. Traian hält mit seiner linken Hand ein Parazonium, seine Rechte ist vorgestreckt in Richtung einer vor dem Podest halb stehenden, halb knienden Figur. Aufgrund der Kleidung und der Kopfbedeckung darf man hierin einen Parther, evtl. den neuen parthischen König

Parthamaspates sehen. Umringt wird die Szene von zahlreichen Soldaten und einem Liktor unmittelbar vor dem Podest. Bei den Soldaten handelt es sich um drei unbehelmte Feldzeichenträger und mehrere Legionäre in voller Rüstung und mit voller Bewaffnung.




Abb. 2 S, 116 - 117, Rom, RIC II Nr. 666


Die Averslegende „IMP CAES NER TRAIANO OPTIMO AVG GER DAC PARTHICO P M TR P COS VI P P“ (Imperatori Caesari Nervae Traiano Optimo Augusto Germanico Dacico Parthico Pontifici Maximo Tribunicia Potestate Consuli VI Patri Patriae - für den Feldherrn Caesar Nerva Traian, dem besten Kaiser, Sieger über die Germanen, die Daker und die Parther, oberster Priester, Inhaber der tribunizischen Gewalt, Konsul zum sechsten Mal, Vater des Vaterlandes) des Sesterz in Abb. 2 ist sehr ausführlich gehalten und nennt jetzt auch den Titel „Parthicus“, so dass diese Prägung in die Jahre 116 bzw. 117 fällt. Für uns ist wiederum das Rückseitenbild interessant. Auch hier sitzt der Kaiser auf der „sella castrensis“ auf einem hohen, mit Rundornamenten verzierten Podium. Hinter Traian steht wiederum ein Offizier, während es sich bei der Figur seitlich des Kaiser wohl eher um einen Liktor als um einen weiteren Offizier handelt. Das Größenverhältnis des Kaisers zu seinen Begleitern entspricht dem des Sesterz in Abb. 1. Auf der linken Seite vor dem Podest stehen aufgereiht drei Figuren. Alle drei tragen die gleiche Kleidung. Der dem Podest am nächsten Stehende hat beide Arme erhoben, um etwas vom Kaiser in Empfang zu nehmen bzw. um diesem zu huldigen. Die Reverslegende „REGNA ADSIGNATA“ (Königreiche zugewiesen) erklärt die dargestellte Szene weitestgehend. Bei den drei vor dem Podest stehenden Personen handelt es sich um Klientelkönige, die von Traian eingesetzt werden. Um welche es sich dabei genau handelt, bleibt allerdings unklar. In der Literatur werden die drei gemeinhin als Könige von Armenien, Mesopotamien und Parthien beschrieben, wobei der vorderste dann wohl Parthamaspates wäre. Da in den Quellen nur die Einsetzung des Parthamaspates erwähnt wird, hat das Münzbild eher symbolischen und propagandistischen Charakter, um die Siege Traians während seines Partherfeldzuges zu verherrlichen.



Abb. 3 S, 116 - 117, Rom, RIC II Nr. 667


Auch der Sesterz in Abb. 3 datiert aufgrund der Angaben der Aversumschrift in die Jahre 116 bzw. 117. Die Reversdarstellung ist jetzt wesentlich eindeutiger als bei den vorher gehenden Sesterzen. Traian sitzt wieder auf seiner „sella castrensis“ auf einem hohen Podest. Hinter ihm steht ein Offizier wie bei dem Sesterz in Abb. 1. Traian streckt seinen rechten Arm weit nach vorne, mit der Rechten übergibt er ein Diadem an dem vor dem Podest stehenden Parthamaspates. Denn nur um diesen kann es sich aufgrund der Reverslegende „REX PARTHIS DATVS“ (den Parthern wird ein König gegeben) handeln. Die Szene hat Cassius Dio - wie oben zitiert - trefflich beschrieben. Es bleibt noch die Identifikation der ganz links knieenden Figur. Ihre Bekleidung und die hutförmige Kopfbedeckung lassen in der Knieenden Parthia, die Personifikation Parthiens, erkennen, d. h. in Anwesenheit dieser Personifikation, gleichsam als Stellvertreterin des gesamten parthischen Volkes, erfolgt die Zeremonie der Königserhebung.


Wir sehen, dass sich die drei Reversbilder in ihrer Grundaussage ähneln, auch wenn sie sich in den Details unterscheiden. Bei allen drei Bildern ist die rechte Bildhälfte nahzu identisch, während die Darstellung auf der linken Seite durch ihre unterschiedliche Personenanzahl variiert. Die Münzbilder dienen der Repräsentation Traians, des „princeps optimus“, unter dessen Herrschaft das Imperium Romanum seine größte Ausdehnung erfahren hat.


Eine ganz andere Bildsprache verwendeten die Stempelschneider für das Thema der „Einsetzung eines Klientelkönigs“ unter Antoninus Pius. Dieser war nicht der große Eroberer und Feldherr, sondern eher der „Zivilist“ und Verwalter. Trotzdem stabilisierte er während seiner langen Regierungszeit die Grenzen des Imperiums. Bei zwei Prägungen aus den Jahren 140 bis 144 findet sich ein fast identisches Bildschema. Der Sesterz in Abb. 4 zeigt auf seiner Rückseite zwei männliche Figuren. Die rechte, mit einer Toga bekleidete Figur ist deutlich größer dargestellt. Zweifellos handelt es hierbei um den Kaiser Antoninus Pius. Dieser ist nach links gewandt und bekränzt mit seiner rechten Hand eine kleinere Person, die eine tiara-ähnliche Kopfbedeckung und nicht-römische Kleidung trägt.


Auskunft über die Identität dieser Person gibt uns die Reverslegende „REX ARMENIIS DATVS“ (den Armeniern wird ein König gegeben). Folglich ist hier der armenische Klientelkönig bei seiner Thronerhebung abgebildet. Wir kennen weder den Namen dieses Königs noch das Datum seiner Einsetzung.



Abb. 4 S, 140 - 144, Rom, RIC III Nr. 619


Ähnlich verhält es sich bei dem Rückseitenbild des Sesterz in Abb. 5. Das Bildschema entspricht weitestgehend dem der vorherigen Münze, allerdings ist der Größenunterschied zwischen dem Kaiser rechts und dem König links nicht mehr so deutlich wie bei dem Sesterz in Abb. 4. Auf besser erhalten Exemplaren dieser Serie erkennt man, dass Antoninus Pius, der wiederum mit der Toga, dem römischen „Friedenskleid“, gewandet ist, in seiner Linken eine Schriftrolle hält, und mit der Rechten seinem Gegenüber ein Diadem überreicht. Bei diesem Gegenüber handelt es sich laut der Reversumschrift „REX QVADIS DATVS“ (den Quaden wird ein König gegeben) um einen König der Quaden, den wir auch nicht näher kennen. Die Quaden waren ein kleiner germanischer Volksstamm, dessen Siedlungsgebiet im zweiten Jahrhundert nördlich der römischen Provinz Pannonien lag.



Abb. 5 S, 140 - 144, Rom, RIC III Nr. 602b


Der germanische König unterscheidet sich hinsichtlich seiner Kleidung, aber auch durch seine Körperhaltung und seinen gesamten Habitus merklich von seinem armenischen Kollegen. Ob dies ein Hinweis auf eine Wertigkeit des Königtums war oder schlichtweg an der Andersartigkeit der Krönungszeremonie lag, wie einige meinen, muss offen bleiben.


Sowohl unter Traian wie auch unter Antoninus Pius werden Klientelkönige eingesetzt. Für ein und denselben Verwaltungsakt werden in der Münzprägung zwei grundsätzlich verschiedene Bildformeln eingesetzt. Bei den traianischen Prägungen dominiert entsprechend dem Bild Traians in der Öffentlichkeit als der große Feldherr und Eroberer die militärische Bildsprache, dagegen sehen wir auf den antoninischen Münzen den „Friedenskaiser“. Dies zeigt sich schon am zivilen Gewand des Kaisers und an der hinsichtlich ihrer Größe annähernde Ebenbürtigkeit zwischen Kaiser und einzusetzenden König.


Horst Herzog

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