Interview mit Horst-Rüdiger Künker
- Dietmar Kreutzer
- vor 5 Tagen
- 6 Min. Lesezeit
Im Frühjahr 1980 endete der sogenannte Silberboom, eine Spekulationsblase, die von den Gebrüdern Hunt in den USA befeuert worden war. Wenig später dachten der Osnabrücker Münzhändler Fritz Rudolf Künker und sein Bruder Horst-Rüdiger darüber nach, in den Goldhandel einzusteigen. Anlageprodukte wurden damals ausschließlich von Banken und Sparkassen vertrieben. An allen Hauptstellen und vielen Filialen gab es einen Schalter, an dem man Gold in Form von Münzen und Barren kaufen konnte. Der deutsche Münzhandel beschäftigte sich dagegen kaum mit dem Thema der Geldanlage in Edelmetallen.

Horst-Rüdiger Künker
Bildquelle: Fritz Rudolf Künker GmbH & Co. KG
Münzen-Online: Herr Künker, Sie sind nun schon über 40 Jahre im Goldhandel tätig. Wie haben Sie damals angefangen?
Horst-Rüdiger Künker: Ja, das ist richtig. Ich habe einen Teil meiner Ausbildung in der Schweiz haben dürfen, bei der Schweizer Kreditanstalt, die es in heute in der Form nicht mehr gibt. Dort habe ich klassische Gold-Fachleute kennengelernt, konnte etwas später bei Hans Schlumberger von der Württembergischen Bank hospitieren. Damals fühlte ich mich als Lehrling. Schlumberger hat mich sehr angenehm behandelt, hatte viel Zeit für mich und brachte mir unendlich viel bei. Er hatte exzellente Verbindungen zu den Münzprägestätten, vor allem nach England. Das war sehr hilfreich. Da habe ich Dinge gelernt, die heute keiner auch nur annähernd vermitteln kann. In der Schweiz lernte ich, dass es Kunden gibt, die hundert Sovereigns kaufen, ebenso 20-Francs-Stücke der Lateinischen Münzunion oder deutsche 20-Mark-Stücke. Ebenso Barren und Unzen. Ich weiß noch, als ich bei der Schweizer Kreditanstalt anfing, sah ich gleich am Anfang ein riesengroßes Tablett auf dem 200 Goldmünzen zu 20-Mark lagen. Hatte ich vorher noch nie gesehen. Dort war das alltäglich. Das war für mich eine völlig neue Welt. Kurz darauf haben wir in Osnabrück ganz klein in einem Zweier-Team angefangen. Heute arbeiten wir inklusive Online-Shops mit etwa zwölf Mitarbeiter im Goldhandel.
Münzen-Online: Wie haben Sie die Anfangszeit im Goldhandel erlebt?
Horst-Rüdiger Künker: Ich weiß, dass mich viele Leute damals belächelt haben, auch hier im Haus. Meine damalige Assistentin, die mr 25 Jahre treu zur Seite gestanden hat, sagte manchmal: Irgendwie habe ich den Eindruck, dass man uns hier gar nicht so richtig für voll nimmt. Ich antwortete: Wir machen das schon! Und das war auch richtig. Als wir mit dem Goldhandel anfingen, war die Sparte im klassischen Münzhandel weitgehend unbekannt. Eine Münzhandlung, die Goldmünzen in großem Stil vorrätig hatte, das gab es nicht. Die hatten vielleicht zehn, zwanzig Stücke aus der Zeit des deutschen Goldstandards. In der Weise, wie wir es heute führen, das gab es aber überhaupt nicht. Diese Situation war auch nicht ungewöhnlich. Der Goldhandel spielte bei den Münzsammlern ja überhaupt keine Rolle. Die Sammler kauften und sammelten vor allem Silbermünzen. Natürlich haben auch einige Goldmünzen gesammelt. Aber dass Münzsammler kommen und sagen, wir brauchen mal 30 Unzen oder 500 Vrenelis, das gab es früher einfach nicht! In der Schweiz war das anders, auch in Frankreich. Frankreich hat aber inzwischen mit vielen restriktiven Gesetzen den Goldhandel regelrecht erstickt. Aus Frankreich kommen viele unsinnige Vorschriften, wie wir heute wissen. Dort scheint man sich zu fragen: Wie quäle ich den EU-Bürger am besten? Das ist einfach so. Das hat sich also völlig gedreht.
Münzen-Online: Haben Sie eine Erklärung dafür, warum es in Deutschland lange kaum Sammler von Goldmünzen gegeben hat?
Horst-Rüdiger Künker: Deutschland war nie ein Goldland. Frankreich ja, die Schweiz sowieso. In Österreich war das Sammeln von Goldmünzen ebenfalls stark ausgeprägt. Russland früher war ganz stark im Goldbereich. Aber durch die Revolution von 1917 hat sich dort natürlich alles geändert. Das ist leider so. Später haben es die Russen verstanden, wieder interessante Münzen zu prägen. Jetzt sind sie natürlich durch die umfangreichen Sanktionen vom Weltmarkt abgeschnürt. Aber sie haben schon interessante Dinge an den Markt gebracht, beispielsweise viele Prägungen aus Platin und Palladium. Bei uns liefen solche Ausgaben aber nicht besonders gut. Weißmetalle sind hier in Deutschland nicht so beliebt. Außerdem sind sie mit Steuern behaftet. Der Vorteil beim Gold ist, sie können es kaufen und nach einem Jahr völlig problemlos steuerfrei verkaufen. Das geht beim Silber, Platin, Palladium nicht. Der Handel mit diesen Metallen ist immer steuerpflichtig. Man verliert also spätestens beim Verkauf, es sei denn, der Preis ist dramatisch nach oben gegangen. Ich habe in den letzten Jahren festgestellt, dass Platin, Palladium und Silber keinen solchen Run erfahren wie das Gold.
Münzen-Online: Kam der massive Preisanstieg am Goldmarkt für Sie überraschend?
Horst-Rüdiger Künker: Das war überraschend. Wir haben ja in den neunziger Jahren, sagen wir mal von 1990 bis 1995, eine gerade Linie im Goldbereich gehabt. Ich will nicht gerade sagen, es dümpelte vor sich hin, aber es gab keine großen Ausschläge. Ende der 1990er Jahre hörte diese gepflegte Langeweile auf. Da ging es für einige Zeit in den Keller. Da spielten viele Sachen eine Rolle, insbesondere die Abverkäufe von Zentralbanken. Ab 2010 ist der Markt im Zuge der Finanzkrise richtig angesprungen. Das war weltweit so. Es beschränkte sich also nicht nur auf Deutschland und Europa. Weltweit gab es plötzlich eine starke Nachfrage. Das war so nicht vorhersehbar und auch für mich eine Überraschung. Eine alte Weisheit erlangte bei dieser Gelegenheit neue Bedeutung. Zum Gold kann man ja einen ganz wichtigen Satz sagen. Gold ist seit Jahrtausenden werthaltig. Das kann man vielfach belegen, das weiß eigentlich jedes Kind. Gold hat als ultimativer Wertspeicher ist eine besondere Bedeutung. Es ist nicht vermehrbar und erfährt auch bei großen Staatsbanken heute eine Renaissance. Wir wissen, dass Indien, China und auch Russland über spezielle Wege große Mengen Gold kaufen. Dann kommt noch die Angst vor dem bedruckten Papier dazu, der ungezügelten Geldschöpfung, in die viele kein Vertrauen mehr haben. Das alles hat in der letzten Zeit zu diesem hohen Goldpreis geführt.
Münzen-Online: Ich habe gehört, dass wegen des hohen Goldpreises der Umsatz mit Neuprägungen in den letzten Jahren zurückgegangen ist. Bei historischen Münzen scheint das nicht der Fall zu sein. Können Sie das bestätigen?
Horst-Rüdiger Künker: Die aktuellen bundesrepublikanischen Prägungen erscheinen in so hohen Auflagen, dass sie nie zu Raritäten werden können. Das ist in Österreich nicht anders. Die Franzosen überfluten mit ihren Produkten sogar regelrecht die Märkte. Da gibt es eine unendliche Vielfalt an Varianten. Sehen Sie: Ein Mann, der gut situiert ist, hat vielleicht 2.000 Euro zur freien Verfügung. Die legt er in Gold an. Er kauft diese Neuausgaben und stellt nach einem Jahr fest, dass er für solche Münzen nicht mehr als den Goldwert erlöst. Der ist womöglich gestiegen. Aber es ist keine historische Münze, die aufgrund ihrer Seltenheit im Wert steigt. Eine Münze, die heute 100.000 mal oder 200.000 mal geprägt wird, löst keinen Run aus. Der Wertzuwachs der Neuprägungen wird auch aus anderen Gründen geschmälert. Der Kunde zahlt beim Kauf schon ein relativ hohes Aufgeld. Die staatlichen Stellen geben ihre Produkte ja nicht zum Goldpreis ab, sondern verdienen daran.


Handelsmuster im Eingangsbereich des Firmengebäudes
Fotos: Dietmar Kreutzer
Münzen-Online: Was ist bei historischen Münzen und Bullion-Produkten anders?
Horst-Rüdiger Künker: Fakt ist natürlich, dass der historische Markt sehr, sehr stark ist. Die Leute die viel Geld haben, geben es auch dafür aus. Aber die kaufen dann auch mal 100 Krügerrand oder zehn Kilo-Barren auf einen Streich. Weil sie es sich leisten können. Ich hatte mal vor einigen Jahren einen interessanten Kunden, einen Neukunden. Der sagte, ich würde bei ihnen gern zehn Kilo Gold kaufen, in Barren. Ja, kein Problem, antwortete ich. Wir haben uns unterhalten. Ich fragte, wie kommen Sie zu dem Entschluss. Er antwortete, Sie werden jetzt wahrscheinlich lachen. Wir haben zwei Vier-Familien-Häuser verkauft. Den Erlös des einen Hauses bekommen unsere Kinder. Den Rest andere packe ich mir in den Tresor. Ich bin den Ärger mit den Mietern leid. Und außerdem: Die Gästetoilette im zweiten Stock kann ich nicht verkaufen. So einen Goldbarren schon. Wir haben die Stückelung festgelegt. Er hat damals bei 47.000 Euro pro Kilogramm gekauft. Wir haben uns im letzten Jahr mal getroffen. Da hat er gesagt: Vielen Dank, dass Sie mich so fair beraten haben. Wir haben doch alles richtig gemacht! Ich sagte, vor allem haben Sie alles richtig gemacht! Das Jahr 2021 war für den Goldhandel besonders stark. Das war eine verrückte Zeit, schon wegen der Corona-Restriktionen. Die Leute waren verunsichert. Unsere Kunden haben gesagt: Herr Künker, zweimal 250 Gramm. Können Sie das liefern? Ja, antwortete ich. Die Lieferung dauert aber mindestens acht Wochen. Ich habe jeden Tag mit der Scheideanstalt gesprochen. Wir haben damals bis in den späten Abend hinein Aufträge angenommen.
Das Interview führte Dietmar Kreutzer
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