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In der Münzprägung Larissas folgte man im 4. Jh. v. Chr. einem großen Vorbild

Larissa, die bedeutendste griechische Polis der thessalischen Landschaft Pelasgiotis am rechten Flußufer des Peneios gelegen, wurde im 8. Jh. v. Chr. von den nach Mittelgriechenland eingewanderten Thessalern gegründet. Der Mythologie zufolge soll die Stadt von Akrisios, dem Großvater des Perseus gegründet worden sein und ihren Namen von der Nymphe Larissa, der Tochter des Pelasgos erhalten haben, der wiederum der Landschaft seinen Namen gab.

Vom 6.-4. Jh. v. Chr. wurde das Schicksal Larissas durch die Aleuadai, einem aristokratischen Geschlecht aus Thessalien, bestimmt. Aleuas „der Rote“ soll die militärische und politische Ordnung des Thessalischen Bundes geschaffen haben. Im 5. Jh. v. Chr. verfolgten die Aleuadai eine perserfreundliche Politik, prägten Münzen nach persischem Münzfuß und gehörten laut Herodot sogar zu jenen, die den Perserkönig Xerxes dazu drängten, Athen anzugreifen. „Mit der Zeit gelang es ihm auch,“ – die Rede ist von Mardonios dem Neffen des Xerxes – „Xerxes zu überreden“ – die Athener anzugreifen – „und dabei kam ihm zu Hilfe, dass andere Xerxes ebenfalls dazu zu überreden suchten. Einmal nämlich kamen Gesandte der Aleuaden aus Thessalien, die ihn dazu aufforderten und ihn eifrig zu unterstützen versprachen – diese Aleuaden aber waren Könige in Thessalien.“ (Theodor Braun [Übers.]: Herodot: Das Geschichtswerk des Herodot von Halikarnassos, Frankfurt a. Main / Leipzig 2001, Buch 7, Kap. 6). Während des Peloponnesischen Krieges stand Larissa jedoch auf Seiten der Athener und stellte diesen 431 v. Chr. sogar eine Reiterabteilung. In den Kämpfen um die thessalische Vorherrschaft ab dem Ende des 5. Jh. v. Chr. konnten sich die Aleuadai aber nur mit auswärtiger Hilfe halten. Nachdem Larissa und die Aleuadai den makedonischen König Philippos II. 356 v. Chr. gegen den Tyrannen von Pherai zu Hilfe gerufen hatten, machte der sich ab 352 v. Chr. zum Herrn über ganz Thessalien, indem er sich von den thessalischen Machthabern zum „Archon“ (zum Befehlshaber auf Lebenszeit) wählen ließ. Danach konnten Philippos II., sein Sohn Alexandros III., der Große, und die nachfolgenden makedonischen Könige nicht nur über das thessalische Heer und dessen ausgezeichnete Reiterei verfügen, sondern auch über das gesamte Thessalien, das von da an bis in die Römerzeit (bis 196 v. Chr.) unter makedonischer Herrschaft blieb. Doch trotz makedonischer Herrschaft behielt Thessalien seine Autonomie in der Münzprägung bei. Denn in Larissa passte man weder den Münzfuß an den thrakisch-makedonischen an, noch übernahm man die Bildmotive der makedonischen Münzen. Wie die nachfolgende Drachme belegt, hatte man mit dem nach rechts weidenden Pferd zumindest für die Rückseite ein völlig eigenständiges thessalisches Bildmotiv gewählt.

Larissa (Thessalien). Drachme (um 360-330 v. Chr.), 6,07 g, Ø [Höhe, Vs.] 19,3 mm. [Bildquelle: Münzen & Medaillen AG, Basel, Auktion 29 (April 2003), Los 618].

Ein Bildmotiv, das es so bzw. leicht abgewandelt – Pferd weidet nicht immer, sondern steht oder schreitet bisweilen – auch auf den Diobolen, Hemidrachmen und Didrachmen von Larissa gab und das jenes Tier verherrlichte, auf das Larissa und die Thessaler allen Grund hatten, stolz zu sein. Schließlich gehörten die Pferde Thessaliens zu den besten und begehrtesten in ganz Griechenland. Was den Kopf der Nymphe Larissa angeht, der die Vorderseite dieser Münze ziert, so ist er keine eigenständige thessalische Bildschöpfung, sondern geht auf ein zu jener Zeit in ganz Griechenland wohl bekanntes und beliebtes syrakusaner Vorbild zurück. Die Rede ist von dem Tetradrachmon des syrakusanischen Stempelschneiders Kimon aus dem Jahre 406/405 v. Chr., das mit seiner „en face“-Darstellung der in Syrakus beheimateten Quellnymphe Arethusa zu den überragenden Meisterwerken der griechischen Münzkunst gehört.

Syrakus (Sizilien). Tetradrachmon (um 406/405 v. Chr.), ca. 17 g, Ø [Höhe, Vs.] ca. 28 mm. Münzstätte Syrakus. [Bildquelle: Peter R. Franke / Max Hirmer: Die griechische Münze, Hirmer Verlag, 1. Aufl., München 1964, Abb. 44].

„Das bestimmte fast harte Rund der Augensterne steht zu dem weich wie in Wachs modellierten Munde in beabsichtigtem Gegensatz, es verleiht dem Blick wasserklare Helle. Mit sicherem Gefühl ist die Neigung des leicht aus der Mitte gedrehten Kopfes gegen die des kaum hervorgehobenen Halses abgewogen. Es erhöht die Leistung und den Ruhm des Schöpfers, dass die Bildlösung an Großartigkeit selbst von der griechischen Münzkunst nicht wieder erreicht worden ist, so eifrig die Stempelschneider vieler Münzstätten bestrebt waren, es ihm an Kunstfertigkeit gleich zu tun.“ (Kurt Lange: Götter Griechenlands, Meisterwerke antiker Münzkunst, Berlin 1946, S. 134). Und in der Tat, ganz gleich ob man nach Sizilien, nach Unteritalien, nach Griechenland, nach Kleinasien oder sonst irgendwo hinschaut, wo die Tetradrachmen des Kimon kopiert oder nachgeahmt wurden, so mädchenhaft anmutig und so „klassisch“ vollendet wie die Arethusa des Kimon ist keine andere Nymphen- oder Göttinnendarstellung mehr – wenngleich es auch unter den Kopien der anderen Künstler durchaus hübsche und ansprechende Bildnisse gibt. Dass diese Schöpfung des Kimon in der gesamten griechischen Welt so enormen Anklang fand und so eifrig kopiert und nachgeahmt wurde, hatte nebst dem ungeheuren Liebreiz, den sie ausstrahlt, wohl auch damit zu tun, dass Kimon mit dieser „en face“-Darstellung seiner Arethusa eine neue Epoche in der griechischen Münzkunst einleitete – die Epoche des Frontalportraits. „Es wurde förmlich Mode, den traditionellen Götterkopf, der das Münzwappen der Polis bildete, in Vorderansicht darzustellen.“ (Lange, ebenda, S. 134). Der Stempelschneider, dem wir das Portrait der Nymphe Larissa (siehe erste Abb.) verdanken, folgte also mit seiner Kopie nicht allein einem großartigen Vorbild, sondern auch dem Zeitgeist in der Münzglyptik. Doch so ästhetisch, beseelt und ausdrucksstark uns diese Münzen in Vorder- oder Dreiviertelansicht auch erscheinen, für den Umlauf waren sie weit weniger geeignet als jene in Profilansicht. Denn dadurch, dass das Gesicht auf diesen Münzen der Abnutzung ungeschützt preisgegeben war, büßten sie ihre Ästhetik sehr viel schneller ein, als jene mit Profilansicht. „Schlag, Druck und Reibung, bei seitlich gewendeten Köpfen durch Ohr und Haarbuckel glücklich abgefangen, ohne dass die Gesichtszüge dabei Schaden erfuhren, mussten hier die Schönheit der Darstellung sogleich erheblich beeinträchtigen.“ (Lange, ebenda, S. 32). #Larissa #Griechenland #Antike #Thessalien alabai #Münzfuß #Drachme #Tetradrachme #Syrakus #Stempelschneider #Kimon #Arethusa #Münzkunst #Aleuadai #Aleuas #MichaelKurtSonntag

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