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Eine neue Probe zum Drachendollar für Yunnan aus deutscher Fabrikation

Immer wieder sind in Deutschland in den letzten Jahren Proben zu historischen chinesischen Münzen aufgetaucht. Das ist kein Zufall: Frühere deutsche Maschinenbauer waren existentiell an der Ausstattung chinesischer Münzstätten beteiligt. Und um den Auftraggebern die Leistungsfähigkeit der Maschinen zu demonstrieren, mussten Proben hergestellt werden, die gelegentlich als Andenken in Familienbesitz übergingen und in den letzten Jahren vermehrt zum Vorschein gekommen sind.

In welchem Ausmaß deutsche Unternehmen den Maschinenpark für chinesische Münzstätten lieferten, illustriert eine Probe zum Drachendollar für die Provinz Yunnan, die von der Heidelberger Münzhandlung in ihrer Auktion 83 vom 8. bis 12. November 2021 versteigert wird (sehen Sie dazu hier).


Wo China seine Prägepressen einkaufte

Richard N. J. Wright hat in seinem Artikel „The Silver Dragon Coinage of the Chinese Provinces, 1888-1949“ (Numismatic Chronicle 16 (1976), S. 167-200) zusammengestellt, was westliche Quellen über die Einrichtung chinesischer Münzstätten berichten. Wir listen in folgender Tabelle auf, von welchen Münzstätten er weiß, woher sie ihre Prägepressen bezogen haben.


Wie viel Prägepressen China kaufte und was das Land dafür ausgab

Dank einer in deutscher Sprache vorliegenden Archivalie, die Ulli und Paul Arnold 1991 veröffentlicht haben, können wir die bis heute nicht bekannten Lieferanten der Ausstattung der Münzstätte der Provinz Yunnan identifizieren. Bei der Archivalie handelt es sich um den Reisebericht des Muldenhüttener Hüttenmeisters und Münzdirektors Theodor Choulant. Auf einer Geschäftsreise, die ihn vom 7. April bis zum 4. Mai 1905 in alle bedeutenden Münzstätten Deutschlands führte, besuchte Choulant auch zwei große Maschinenfabriken. Beide arbeiteten an einem chinesischen Großauftrag, bei dem es sich nur um die Ausstattung der Münzstätte von Yunnan gehandelt haben kann. Choulant berichtet folgendes: „Auf der Fahrt von München nach Stuttgart besuchte der Unterzeichnete die Maschinenfabrik von Louis Schuler, Göppingen, welche sich mit der Herstellung von Münzmaschinen befasst und die hiesige Friktionspresse und eine Rändelmaschine geliefert hat. Auf Wunsch wurde eine Prägemaschine, welche neben 29 anderen für China bestimmt war, in Betrieb gesetzt.“ Und etwas später: „Der Unterzeichnete hatte Gelegenheit, diese Fabrik [die Deutsche Waffen- und Munitionsfabrik Karlsruhe (DWM)] durch die Güte des Herrn Münzmeister Lentner besichtigen zu dürfen. Dieselbe war zur Zeit mit der Anfertigung von ca. 90 Prägemaschinen für China beschäftigt, so dass in einem großen Arbeitsraum nur Prägemaschinen hergestellt wurden. Dieselben waren ähnlich gebaut wie die Schulerschen, jedoch etwas massiger und auch dementsprechend teurer (6.700 Mark : 7.500 Mark).“ Wir erfahren also aus seinem Bericht, dass im Jahr 1905 in Deutschland insgesamt 120 Prägepressen angefertigt wurden mit einem Auftragsvolumen von 876.000 Reichsmark. Wie bedeutend dieser Großauftrag war, wird wohl am deutlichsten, wenn man daran denkt, dass die Karlsruher Münzstätte zu dem Zeitpunkt gerade einmal vier Uhlhorn‘sche Münzpressen besaß und eine weitere bei der DWM bauen ließ. Selbst die Münze Berlin, die internationale Prägeaufträge ausführte, verfügte „nur“ über 22 Prägemaschinen.


Eine weitere Probe aus Göppingen

Es überrascht also nicht sonderlich, dass immer wieder neue Proben aus altem deutschen Familienbesitz auftauchen. 2012 hörte die numismatische Gemeinschaft das erste Mal von den Proben, die in den Jahren 1897 und 1898 bei Schuler mit Stempeln von Otto Beh entstanden waren. Schuler erhielt 1895 – wahrscheinlich auf der Leipziger Messe – den Auftrag, die Pressen sicher für Fengtien, vielleicht auch für Peking herzustellen.

Die hier vorliegende Probe dürfte ebenfalls in Göppingen entstanden sein. Dafür spricht ihre Randinschrift GOTT SEGNE UNS. Nur ein einziges weiteres Stück mit dieser Randinschrift ist bekannt. Es wurde 2010 in Macau von Champion Macau Auction versteigert.

Beide Stücke zeigen eine Randinschrift, die technisch misslungen ist. Die Buchstaben sind weder gleichmäßig verteilt noch auf der Randmitte platziert. Es handelt sich also um echte Proben, mit deren Hilfe das Rändelwerk optimal eingestellt wurde.


Wir wissen aus den Schriften Choulants, dass Schuler zu diesem Zeitpunkt bereits Rändelwerke produzierte. Um die Jahrhundertwende hatte der Maschinenbauer sein Leistungsportfolio stark erweitert. So schildert der Muldenhüttener Münzdirektor auch Walzwerke zur Herstellung der Zaine aus dem Hause Schuler sowie Durchstoßmaschinen, mit denen aus den Zainen Ronden angefertigt wurden. Es wäre deshalb eine plausible Annahme, dass für Yunnan nicht nur Münzpressen bei Schuler geordert wurden, sondern auch andere Maschinen, die im Fabrikationsprozess von der Zainfertigung bis zur Prägung eine Rolle spielten, darunter ein Rändelwerk, auf dem die vorliegende Probe entstand.

Vielleicht war Schuler mit der zeitnahen Fertigung all dieser Maschinen überfordert gewesen, so dass ein Teil der Produktion zur teureren DWM ausgelagert werden musste.


Was eine Waffen- und Munitionsfabrik mit der Münzprägung zu tun hat

Eine kurze Bemerkung noch zum Schluss: Wer sich wundert, dass eine eigentlich für die Patronenproduktion gegründete Firma einen Großauftrag an Münzpressen bewältigen kann, der sei auf die Tatsache verwiesen, dass noch heute die Herstellung von Patronen und Münzronden technisch eng verwandt ist. Prägepressen können mit geringen Anpassungen Patronenhülsen produzieren. Hoffen wir, dass das nie notwendig sein wird.


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