Bei den thronenden Allegorien handelt es sich in der Regel um sitzende weibliche Gestalten, die hauptsächlich Staaten aber auch ideelle Dinge, wie beispielsweise die Freiheit, verkörpern und als solche auf Münzen verschiedener Länder auftauchen. Zu den frühesten Allegorien dieser Art zählt die Britannia, die erstmals 1672 auf einem Halfpenny und einem Farthing (¼ Penny) von König Charles II. (1660-1685) erschien und ab da einen regelrechten Siegeszug antrat, zumal sie von
1797-1936 alle Penny-, Halfpenny-, Farthing-, Half Farthing- und Third Farthing-Münzen und von 1937-1970 alle 1-Pennystücke und seit 1971 [1969] auch alle 50-Pence-Münzen schmückte. (Abb. 1 und 2)
Zwischen 1838/40 und 1873 prägte man dann auch in den USA silberne Half Dime-, Dime-, Quarter-, Half- und One Dollar-Münzen, die auf ihrer Vorderseite eine nach rechts sitzende Frauengestalt aufweisen, die mit ihrer Linken einen Stab mit Freiheitsmütze und mit ihrer Rechten den US-Wappenschild hält. Hierbei handelte es sich jedoch nicht um die Verkörperung der USA, sondern um die Allegorie der Freiheit „Lady Liberty“ kurz Liberty genannt. (Abb. 3)
Ab 1873 erschien die Freiheitsallegorie in den USA allerdings nicht mehr auf den silbernen Kursmünzen, stattdessen aber auf dem zwischen 1873 und 1885 geprägten Handelsdollar. Jedoch thront sie auf diesem nicht mehr nach rechts gewandt auf einem Fels, sondern nach links auf einem Stapel Baumwollballen, an dem eine Garbe Ähren lehnt. Damit wird deutlich, dass diese Allegorie der Freiheit im Gegensatz zu der vorangegangenen vor allem die Freiheit des Handels verkörpert. (Abb. 4)
Um eine Verkörperung des Staates bzw. der Schweizerischen Eidgenossenschaft handelt es sich dann wiederum bei der Helvetia genannten Allegorie, die die schweizerischen ½-, 1-, 2- und 5-Frankenmünzen der Jahre 1850/51-1860/63-1886 schmückt. Auf diesen erscheint die nach links sitzende Helvetia vor Alpenpanorama im Hintergrund, mit ihrer Rechten in die Weite des Landes bzw. in die Zukunft weisend und ihre Linke auf den Nationalschild stützend. (Abb. 5)
Nun begegnen wir zwar auch einer sitzenden Allegorie der Republik Frankreich, allerdings nicht auf französischen Münzen selbst, sondern auf bronzenen und silbernen Piaster-Münzen von Französisch Indochina (einem südostasiatischen Kolonialgebiet Frankreichs). Auf diesen Handelsmünzen erblicken wir die Allegorie der Republik Frankreich mit Strahlenkrone, die mit der Rechten ein Liktorenbündel hält und ihre Linke auf ein Ruder stützt, neben dem auch ein Anker sichtbar wird. (Abb. 6)
Will man den Ursprung dieser nach links oder rechts thronenden Allegorien finden, so muss man jedoch sehr viel weiter zurückgehen als nur bis zu den Britannia-Münzen des 17. Jahrhunderts. Denn Münzen mit thronenden weiblichen Gestalten gab es bereits im antiken Rom. Allerdings waren die Gestalten damals keine Allegorien, sondern diverse Göttinnen – wie z.B. die Stadtgöttin Roma (Abb. 7) oder die Stadtgöttin Constantinopolis (Abb.8).
Aber waren diese Göttinnen wirklich die ersten thronenden weiblichen Gestalten auf Münzen oder waren auch sie von noch älteren Vorbildern entlehnt? Nun, genau betrachtet, hatten sich auch die Römer nur inspiriert und zwar bei noch älteren griechischen Vorbildern. Im Pergamenischen Reich beispielsweise, dem Gebiet aus dem die Römer nach 133 v. Chr. die Provinz Asia bildeten, kursierten zwischen 262 und 190 v. Chr. die Tetradrachmen der pergamenischen Attalidenkönige, die rückseitig die thronende Göttin Athena zeigen. (Abb. 9)
Die früheste und ursprünglichste Darstellung einer thronenden Göttin lieferten aber auch sie nicht, denn auch ihr Göttinnenbild war entlehnt – und zwar von den Tetradrachmen des Lysimachos (305-281 v. Chr.). Es war nämlich dieser thrakische König und Diadoche Alexanders des Großen, der erstmalig in der antiken griechischen Münzprägung das Bildnis einer thronenden Göttin einführte. (Abb. 10)
Die Göttin, die ihren linken Ellbogen auf einen Schild stützt und auf ihrer Rechten die Siegesgöttin Nike hält, die den Namen des Lysimachos bekränzt, ist Athena. Doch bei dieser Göttinnendarstellung handelt es sich nicht allein um die erste thronende weibliche Gestalt überhaupt, sondern ebenso um eines der imposantesten Meisterwerke des frühen Helenismus.
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