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Die Ainianes und ihr legendärer König Phemios

Den antiken Quellen zufolge waren die Ainianes ein kleiner mit den Myrmidonen und den phthiotischen Achaiern verwandter Stamm, der ursprünglich in der Nachbarschaft der Perrhaiber und in der Dorischen Ebene sesshaft war, dann aber von den von Norden kommenden Thessalern nach Süden verdrängt wurde, woraufhin sich seine Mitglieder in der Landschaft Ainis im oberen Spercheios-Tal ansiedelten. „Dort bildeten die Ainianes einen selbständigen, aber unbedeutenden Staat, der Mitglied der pyläisch-delphischen Amphiktyonie war.“ (Der neue Pauly: Enzyklopädie der Antike, Bd. 1, Sp. 334). Zu den Städten, die die Ainianes besiedelten, gehörten Hypata, Kapheleis, Korophaioi, Pyrrhagioi und Talana. Diese bildeten um die Mitte des 4. Jahrhunderts v. Chr. einen Bundesstaat (griechisch Koinon) mit der Hauptstadt Hypata. Um 480 v. Chr. gehörten die Ainianes zu den griechischen Hilfsvölkern, die auf der Seite der Perser gegen die Griechen kämpften. Während des Peloponnesischen Krieges zwischen Athen und Sparta (431-404 v. Chr.) unterstützten sie die Athener. Und auch in späteren Feldzügen fanden sie sich auf der Seite der Gegner Spartas. So z. B. „in der Schlacht bei Koroneia 394 v. Chr., beim Einfall der Thebaner in die Lakonike 370 v. Chr. und im 3. Heiligen Krieg 356-348 v. Chr.“ (Der neue Pauly, ebenda). Um 344 v. Chr. gerieten sie in den makedonischen Herrschaftsbereich, wurden 338/37 v. Chr. in den Korinthischen Bund Philipps II. aufgenommen und blieben unter makedonischer Herrschaft bis nach dem Tode Alexanders des Großen (323 v. Chr.).

Folgt man der mythologischen Überlieferung, dann verließen die Ainianes ihre Heimat und wanderten unter der Führung ihres legendären Königs Phemios zunächst nach Epeiros und von da aus ins Spercheios-Tal ein, wo sie sich dauerhaft ansiedeln wollten. Als sich jedoch herausstellte, dass das Tal bereits von den Inachiern bewohnt war, wurde ein Duell zwischen Hyperochos, dem König der Inachier, und König Phemios vereinbart, dessen Ausgang entscheiden sollte, welches der Völker das Land behalten durfte. Nach einem schweren Kampf siegte Phemios schließlich, indem er Hyperochos mit einem gezielten Schleuderstein- oder Schleuderbleischuss tötete.


Nun mag König Phemios auch nur eine legendäre Figur gewesen sein, den Ainianes aber war er dennoch so wichtig und erinnerungswürdig, dass sie ihn vom 4.-1. Jahrhundert v. Chr. auch immer wieder mit Münzen bedachten. So widmeten sie ihm zwischen 370 und 350 v. Chr. silberne Triobole (Hemidrachmen), von 90-40 v. Chr. silberne Didrachmen und Tetrobole sowie von 44-30 v. Chr. wieder silberne Triobole (Hemidrachmen).

Ainis (Thessalien). Triobol bzw. Hemidrachme im Aiginetischen Standard (um 370-350 v. Chr.), Silber, 2,81 g, Ø 16 mm, Münzstätte Hypata. [Bildquelle: Numismatica Ars Classica, Auktion 124 (23. Juni 2021), Los 104].
Ainis (Thessalien). Triobol bzw. Hemidrachme im Aiginetischen Standard (um 370-350 v. Chr.), Silber, 2,49 g, Ø 16 mm, Münzstätte Hypata. [Bildquelle: MA-Shops, Mynthandel Ingemar Wallin (Schweden)].
Ainis (Thessalien). Stater bzw. Didrachmon im reduzierten attischen Standard (um 90-40 v. Chr.), Silber, 7,59 g, Ø 22 mm, Münzstätte Hypata. [Bildquelle: Nomos AG, Auktion 15 (22. Oktober 2017), Los 91].

Vergleicht man obige drei Abbildungen miteinander, so erkennt man zwar auf allen Rückseiten den besagten und bis auf seine Chlamys (Schultermantel) völlig nackten König Phemios in heroisch kämpferischer Pose, doch unterscheiden sich die Bildmotive dennoch erheblich voneinander. In der ersten und zweiten Abbildung hält er mit seiner Linken den Zipfel seiner Chlamys und seinen Petasos (breitkrämpiger Hut) und ist kurz davor, mit seiner Rechten einen Speer zu werfen; in der dritten Abbildung dagegen ist er im Begriff, eine Schleuder abzuschießen. Das dritte Bildmotiv scheint somit der Legende entlehnt zu sein, wonach König Phemios den gegnerischen König Hyperochos mit einem gezielten Schleuderschuss tötete. Die Münzlegende lautet in allen drei Abbildungen auf AINIANON ([Münze] der Ainianes), allerdings wird sie in der dritten Abbildung noch um den Magistratsnamen LEUKIDA ergänzt. Aber auch die Vorderseiten wurden unterschiedlich gestaltet. Auf den ersten beiden erscheint der bärtige Kopf des Zeus im Lorbeerkranz, zunächst nach links und dann nach rechts gewandt, und auf der dritten der behelmte Kopf der Göttin Athena. Was die zwischen 302 und 286 v. Chr. sowie von 90-45 v. Chr. und von 44-30 v. Chr. verausgabten Bronzemünzen angeht, so zeigen sie alle rückseitig den Schleuder schießenden König Phemios. Gekoppelt ist die besagte Rückseite vorderseitig allerdings entweder mit dem Kopf des Zeus oder mit dem der Athena.

Ainis (Thessalien). Bronzenominal C (um 302-286 v. Chr.), Bronze, 5,07 g, Ø 19 mm, Münzstätte Hypata. [Bildquelle: Classical Numismatic Group, Electronic Auction 496 (21. Juli 2021), Los 78].

Raritätsangaben nach Oliver D. Hoover:

1. Abb. = R1 (25-60 Ex.)

2. Abb. = R2 (2-25 Ex.)

3. Abb. = S[carce] (60-200 Ex.)

4. Abb. = R1 (10-30 Ex.)

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