Die erste Weltausstellung von 1851 in London hatte nicht nur das Wunderwerk des Kristallpalastes zu bieten. Auch die auf der Exposition vergebenen Medaillen waren wegweisend:
„Die Ausstellungen waren immer Experimente zu größeren Veränderungen. Sie waren Olympische Spiele, bei denen die Teilnehmer, die Länder, nicht im Sport konkurrierten, sondern in Technik und Wissenschaft, nicht mit Muskeln und Training, sondern mit Innovation und Imagination.“ (1)
Medaille (Council Medal, Great Exhibition, London, 1851, Bronze, 89 mm, Medailleure: Avers William Wyon, Revers Hippolyte Bonnardel), Bildquelle: Victoria & Albert Museum.
Ein Beispiel dafür sind schon die Preis- und Erinnerungsmedaillen der ersten Weltausstellung. Ohne die namhaften Medailleure der Franzosen kam man selbst im Vereinigten Königreich nicht aus. Jedenfalls dann nicht, wenn Kunstobjekte anstelle von Alltagsware gefragt waren. Die Vorderseite der im Stil des Klassizismus gehaltenen Verdienstmedaillen entwarf der Chefgraveur der Royal Mint William Wyon. Die Rückseite kam von Hippolyte Bonnardel aus Frankreich:
„Der Franzose Bonnardel entwarf eine geradezu beispielhafte Abbildung dieser Art für die Rückseite der Verdienstmedaille von 1851. Vor dem mit Fahnen geschmückten Thron des Empire steht in aufrechter Haltung Britannia mit einer Mauerkrone auf dem Haupt. Seitlich von ihr reichen sich Merkur und die weibliche Gestalt der Industrie die Hände, Embleme für Industrie und Handel befinden sich am Rand.“ (2)
Medaille (Grand Prix, Exposition Universelle, Paris, 1878, Gold, 227,3 Gramm, 68 mm, Medailleur: Jules-Clement Chaplain), Bildquelle: MDC Monaco, Auction 9, Lot 2008.
Frankreich gab in gestalterischen Fragen den Kurs vor. Die weiteren Weltausstellungen in Paris, Wien und Philadelphia verfolgten denn auch einen am Klassizismus ausgerichteten Kurs. Da kündigte sich in Paris ein stilistischer Wandel an. Der Franzose Hubert Ponscarme leistete im Jahre 1867 die Schrittmacherdienste. Auf der Pariser Weltausstellung von 1878 war der Kurswechsel dann deutlich ablesbar. Art nouveau, der französische Jugendstil löste den strengen Klassizismus ab. Die Gold-, Silber- und Bronzemedaillen der Ausstellung von 1878 waren große Kunst:
„Die Preismedaille von Chaplain besitzt fast keinen Rand. Die Schrift ist der Darstellung angepasst. Die Übergänge zwischen dem Relief und dem glatten Untergrund sind fließend. (…) Auf der Rückseite schwebt mit wehenden Gewändern Fama, eine Tuba in der Linken, über dem Ausstellungsgelände. Ein geflügelter Putto mit einer Schrifttafel in den Händen begleitet sie.“ (3)
Im Jahre 1907 schrieb der österreichische Numismatiker Franz Kaiser:
„Die französische Medaillenkunst ist der vornehmste und zugleich verbreitetste Zweig der Skulptur geworden, dessen Bedeutung sowohl vom Staate, als auch von weiten Kreisen der französischen Bevölkerung volle Würdigung findet.“ (4)
Medaille (800 Jahre Haus Wettin, Sachsen, 1889, Fünf-Mark-Größe, Silber, 27,7 Gramm, 38 mm, Medailleur: Johannes Schilling, Rs.), Bildquelle: Auktionshaus Felzmann, 159. Auktion, Los 709.
In Deutschland ließ der stilistische Wandel lange auf sich warten. Alfred Lichtwark, der Direktor der Hamburger Kunsthalle, besuchte die Pariser Weltausstellung von 1889. Er war begeistert von all den „Herrlichkeiten“, die er zu sehen bekam. Nur auf den Weltausstellungen konnte man zu dieser Zeit einen Überblick über die Szene bekommen. Sein Urteil über das Schaffen der deutschen Medailleure fiel dementsprechend harsch aus:
„Ein Gähnen pflegt den deutschen Kunstfreund anzuwandeln, wenn er an die moderne Medaille erinnert wird. (…) Wer auf einer Ausstellung oder bei einem sonstigen Anlass mit einer Medaille belohnt wird, legt sie in die Schublade und vergisst sie.“ (5)
Der Numismatiker Georg Habich setzte noch eins drauf und beklagte:
„die öde Leere in der Komposition, steifige Langeweile im Figürlichen und trockene glatte Nüchternheit in der plastischen Behandlung. (…) Wie ausgeschnitten und aufgeklebt auf dem spiegelblanken Hintergrunde stehen die Figuren da in statuarischen Posen. Porträtköpfe mit stilisierten Frisuren, leeren Augen und heroisch nackten Hälsen. Schrift, für die man sich der langweiligen Form der Drucklettern bedient.“ (6)
3 Mark (100 Jahre Universität Berlin, Preußen, 1910, 900er Silber, 16,7 Gramm, 33 mm, Medailleur: Medailleur Adolph Amberg), Bildquelle: MA-Shops, Münzhandel Andreas Fenzl.
Der Gegensatz von Alt und Neu lässt sich an den beiden Seiten einer Medaille ablesen, die als inoffizielle „Denkmünze“ zum 800. Jubiläum des Hauses Wettin erschien, aus dem die sächsischen Könige stammten:
„Diese Jubiläumsprägungen weisen den gleichen Durchmesser wie die Fünf-Mark-Silbermünzen auf und tragen gleichfalls auf der Vorderseite das amtliche Münzporträt von König Albert. Dagegen ziert die Rückseite nicht das übliche Reichsadlerwappen mit Nennwert, sondern eine Darstellung der thronenden Landesmutter Saxonia unter einem Eichendach. Sie ist umgeben von dem ihr huldigenden Volk, dazu sind unten die Jubiläumsdaten ‚1089 – 1889‘ aufgeprägt.“ (7)
Die nach den gesetzlichen Vorschriften der Münzprägung gestaltete Vorderseite ist im alten, erstarrten Formenkanon gehalten. Die von dem sächsischen Bildhauer Johannes Schilling entworfene Rückseite huldigt dagegen den modernen Gestaltungsprinzipien der Franzosen. Sie wirkt lebendig, bewegt, wie aus einer Aktion heraus modelliert. In die offizielle Münzprägung fand der Jugendstil allerdings erst sehr spät Eingang, nämlich mit der Freigabe von Gedenkmünzen im Jahre 1901.
3 Mark (100. Jahrestag der Befreiungskriege, Preußen, 1913, 900er Silber, 16,7 Gramm, 33 mm, Medailleur: Reinhard Kullrich), Bildquelle: Staatliche Museen zu Berlin, Münzkabinett.
Bemerkenswert sind daher die wenigen deutschen Münzen, die auf der Bild- und Wappenseite zugleich im Jugendstil gehalten sind. Das im Jahr 1909 eingeführte und nur kurz im Umlauf gebliebene 25-Pfennig-Stück nach Entwürfen von Max Haseroth und Alexander Krautmann ist die erste, konsequent im Jugendstil ausgeführte deutsche Münze. Das ein Jahr später erschienene preußische Drei-Mark-Stück zum 100. Jahrestag der Universität Berlin kann als ein gestalterischer Höhepunkt der modernen Münzgestaltung gesehen werden. Der Entwurf stammt von Adolph Amberg, einem renommierten Bildhauer und Medailleur von der Berliner Akademie der Künste. Amberg entwarf auch noch einige weitere, im Jugendstil gehaltene Medaillen und Münzen. Spektakulär sind die zwei preußischen Gedenkmünzen zum 100. Jahrestag der Befreiungskriege aus dem Jahr 1913:
„Geradezu revolutionär gestaltet ist die Rückseite der Gedenkmünze. Sie zeigt einen Adler, welcher eine nicht mehr sehr wehrhaft erscheinende Schlange als Symbol der Fremdherrschaft in den Krallen hält. Eine derartige Darstellung des Wappentieres hatte es auf deutschen Münzen bisher noch nie gegeben – und danach übrigens auch nicht mehr.“ (8)
Dietmar Kreutzer
Quellenangaben:
(1) Weltausstellungen 1933-2005: Architektur, Design, Graphik; München 2008, S. 7
(2) Ines Augustin: Die Medaillen und Plaketten der großen Weltausstellungen 1851-1904;
Karlsruhe 1985, S. 214
(3) Augustin, S. 217
(4) Ebenda, S. 23
(5) Ebenda, S. 20
(6) Die Medaille und Gedenkmünze des 20. Jahrhunderts in Deutschland; Berlin 2000, S. 13
(7) Die Bundesstaaten des Deutschen Kaiserreichs: Königreich Sachsen; in: Deutsches
Münzenmagazin, Heft 6/2012, S. 51
(8) 3 Mark - Jahrhundertfeier der Befreiungskriege; auf: germanycash.de
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