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Die Ikonografie der Gold- und Sibermünzen Mithradates´ VI. von Pontos


Betrachtet man die Gold- und Silbermünzen des pontischen Königs Mithradates VI. Eupator Dionysos (120-63 v. Chr.) etwas eindringlicher, so fällt auf, dass sich ihre Porträtgestaltung an dem vergöttlichten Alexanderporträt der Lysimachos-Münzen orientierte (vgl. Abb. 1.1 und 1.2 mit Abb. 2). Denn genauso wie Alexander, jung und idealisiert, wurde auch Mithradates VI. dargestellt. Zwar zeigt sein Antlitz nicht so große, tiefliegende und nach oben blickende Augen wie das Alexanders, doch verrät auch dieses, wie H. Bengtson zurecht bemerkte, „Geist und Feuer“ und „strahlt eine ungewöhnliche Energie aus“ (Hermann Bengtson, Herrschergestalten des Hellenismus, München 1975, S. 263 f.). Außerdem weist es ebenso stark gelockte, ja fast schon zerzauste Haare und ein Diadem mit fliegenden Enden auf.

1.1 Goldstater des Mithradates VI. (223 pontischer Königsära, 75/74 v. Chr.), 8,41 g, Ø 21 mm, Münzstätte Sinope. Bildquelle: Roma Numismatics Ltd., Auktion XIII (23. März 2017), Los 393.

1.2 Tetradrachmon des Mithradates VI. (222 pontischer Königsära, 76/75 v. Chr.), 16,79 g, Ø [Höhe, Vs.] 32 mm. Münzstätte Sinope. Bildquelle: Gorny & Mosch, Auktion 236 (7. März 2016), Los 215.

2. Tetradrachmon des Lysimachos (297/96-282/81 v. Chr.), 17,17 g, Ø (Höhe, Vs.) 29,92 mm, Münzstätte Alexandria Troas. Bildquelle: Künker, Auktion 89 (8.-9. März 2004), Los 1165.

Interessant ist, dass die idealisierenden Tendenzen auf den späteren Bildnissen des Mithradates sogar noch zunehmen, sodass der Herrscher, der uns beispielsweise von den in Pergamon geprägten Goldstateren entgegenblickt, bereits so unglaublich jung und idealistisch überhöht erscheint, dass man in diesen Porträts wohl eher einen jugendlichen Gott zu erkennen glaubt, als einen tatsächlich 45- bis 47-jährigen hellenistischen Monarchen. Die stilistische Ähnlichkeit zwischen dem vergöttlichten Alexander- und dem Mithradates-Porträt ist aber kein Zufall. Denn was Mithradates den Griechen Griechenlands und Kleinasiens mit diesen Bildnis-Münzen zu vermitteln suchte, war nicht ein möglichst authentisches Porträt seiner selbst, sondern die Botschaft, dass der Abgebildete dieselbe Energie und Vitalität aufweise, wie der junge vergöttlichte Alexander und somit auch dessen Mut, Stärke und Führungsqualitäten besäße. Mit diesen Münzen signalisierte Mithradates seinen Zeitgenossen also unmissverständlich, dass er sich als ein neuer, bzw. ein zweiter Alexander sah. Und so wie einst der junge Alexander den Griechen im Kampf gegen die Perser vorangegangen war, so würde er nun der „hellenistischen Welt“ im Kampf gegen Rom voranschreiten.

Doch das Mithradates-Porträt spielt auch auf Gott Dionysos an. „Auf ihn weisen die nach vorne drängende Haltung des Kopfes, die vollen zerzausten Locken und die wegfliegenden Enden des Diadems hin.“ (Dietrich O.A. Klose, Von Alexander zu Kleopatra. Herrscherporträts der Griechen und Barbaren, München 1992, S. 52). Da Mithradates den Beinamen Dionysos angenommen hatte und der Efeu in der griechischen Mythologie dem Gott Dionysos als „Bekränzungspflanze“ diente, weist der Kranz aus Efeublättern und Fruchtdolden, der die Rückseiten der Gold- und Silbermünzen des Mithradates schmückt, ebenfalls auf diesen Gott. Doch weshalb finden sich innerhalb des Eufeukranzes ein grasender Pegasos oder ein äsender Hirsch? Nun, die Antwort hierauf liefert erneut die griechische Mythologie. Dieser zufolge war Perseus, der Heros, welcher das geflügelte Ross flog, die schreckliche Medusa tötete und die Prinzessin Andromeda vor dem Seeungeheuer rettete, der mythische Vorfahre des Mithradates. Der Mythologie entsprechend, stammte nämlich sowohl das Herrschergeschlecht der Achaimeniden als auch das der Makedonen vom legendären Helden Perseus ab. Der Hirsch wiederum war das heilige Tier der Göttin Artemis und diese eine der am meisten verehrten Göttinnen bei den Griechen Kleinasiens. „Diese Darstellung richtet sich also an die kleinasiatischen Griechen“, (ebenda, S. 53) die Mithradates von den Römern 89 v. Chr. befreit hatte. Laut Peter Robert Franke weisen der äsende Hirsch und die Beizeichen Mondsichel und Stern allerdings auf die iranische Abstammung des Königs und nicht auf die Göttin Artemis hin. Doch wie dem auch sei, klar wird, die Rückseiten der Gold- und Silbermünzen des Mithradates waren im Gegensatz zu den Vorderseiten eigenständige Schöpfungen, mit denen man nicht mehr an Alexander den Großen anknüpfen wollte, sondern nur noch Bezug auf Mithradates selbst nahm.

Ikonographisch unterscheiden sich die Münzen des Mithradates von denen des Lysimachos allerdings auch durch ihre Datierung. Im Unterschied zu den Münzen des Lysimachos sind die Münzen des Mithradates nämlich datiert – und zwar nach der pontischen Königsära, die 297/96 v. Chr. begann. Die Jahreszahlen befinden sich stets auf der Münzrückseite und sind in griechischen Buchstaben angegeben. Nicht nach der pontischen Königsära, sondern nach einer neuen Zeitrechnung sind die Münzen datiert, die Mithradates zwischen 89/88 und 86/85 v. Chr. beispielsweise in Pergamon prägen ließ und die die Jahreszahlen 1, 2, 3 und 4 tragen. Die Bezeichnung der neuen Zeitrechnung als „pergamenische Ära“ lehnen Numismatiker heute – im Gegensatz zu früher – allerdings ab. „Die Bezeichnung der neuen Ära als „pergamenisch“ ist sicher nicht korrekt. Pergamon kannte nie die Datierung nach einer Ära. In ihrer Einführung durch Mithradates VI. könnte man hingegen eine Gegenmaßnahme gegen die sogenannte „Provinzialära“ von Asia sehen, deren Daten auf den Kistophoren von Ephesos erscheinen.

„Die neue Ära“ trägt deutlich politisch-propagandistische Züge und ist Zeichen der neuen Herrschaft über Asia. Mit Mithradates VI. sollte ein neues Zeitalter in der Geschichte von Asia beginnen. In welcher Form Asia nach den Plänen des Mithradates weiterregiert werden sollte, geht nicht ausdrücklich aus den Quellen hervor. Die neue Ära dokumentiert aber eine Sonderstellung von Asia und sollte wohl zeigen, dass eine volle Eingliederung in das pontische Reich nicht geplant war.“ (Wolfgang Leschhorn, Antike Ären, Stuttgart 1993, S. 94f.).


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