König Hassan II. von Marokko (Regierungszeit: 1961-1999). Bildquelle: Wikmimedia, National Archief.
„Ich habe einen dieser seltenen Jobs, bei denen man nie in Rente gehen kann.“ König Hassan II. von Marokko (1929-1999) war es gewohnt, gefährlich zu leben. Auf seinem wackligen Thron überstand er innerhalb von nur fünf Jahren drei Attentate. Das Leben in Gefahr konnte seinem königlichen Geschmack allerdings wenig anhaben. Als er einst ein Abendessen für Diplomaten gab, versteckte er Goldmünzen im Räucherlachs. Die in Nahrungsmitteln verborgenen Münzen huldigten einer uralten Tradition. Bereits im Mittelalter wurden symbolische Gegenstände wie Goldmünzen, Ringe und Fingerhüte in Gebäckstücken versteckt. Jeder Gegenstand war mit einer Vorhersage verbunden. Die Legende besagt, dass ein Mensch, der eine Goldmünze in einer Geburtstagstorte findet, wohlhabend werde. Eine Person, die einen Fingerhut entdeckt, werde dagegen niemals heiraten.
Während des französischen Protektorats galt in Marokko lange der silberne Rial, der dem 5-Francs-Stück aus Frankreich gleichgestellt war. Nach dem Ersten Weltkrieg wurde der Franc zu 100 Centimes auch offiziell eingeführt. Marokkanische Prägungen zirkulierten neben den französischen. Einige Jahre nach der Unabhängigkeit des Landes im Jahre 1956 ist der Dirham als neue Währungseinheit eingeführt worden. Anfangs war er 100 Francs des alten Geldes aus der Zeit des Protektorats wert.
250 Dirhams (Hassan II., 46. Geburtstag, 1975, 900er Gold). Bildquelle: Künker, HA 2018, 7438.
Die kontinuierliche Prägung von Gedenkmünzen setzte im Jahr 1975 mit einem Goldstück zu 250 Dirhams ein, das zum 46. Geburtstag des Königs ausgegeben wurde. Nach den Normen eines Napoléon der Lateinischen Münzunion geprägt, ist die jährliche Edition den Neujahrsausgaben denen der Beys von Tunis vergleichbar (siehe: MünzenRevue, Heft 4/2019). Bereits unter den Osmanen waren in jenem Land kleine Serien von Goldmünzen hergestellt worden, die als Monnaie d’Hommage an hohe Würdenträger gingen: „Während der französischen Besatzung wurde die Tradition fortgeführt. Beginnend mit dem Neujahrsempfang, übergab der Bey an wichtige Gäste und Würdenträger eine kleine Kollektion von Gold- und Silbermünzen des jeweiligen Prägejahres.“ (ebenda, S. 173). Damit konnte sich der Herrscher seine Minister und Militärs ergeben halten. Vor fast 50 Jahren knüpfte der von Attentaten verfolgte marokkanische König Hassan II. an diese Tradition an. In den ersten Jahren wurden die „Geburtstagsmünzen“ als 250-Dirham-Stücke ausgeprägt. Abmessungen, Gewicht und Legierung entsprachen einer historischen französischen Goldmünze zu 20 Francs.
500 Dirhams (Hassan II., 1979, 50. Geburtstag, 900er Gold). Bildquelle: Comptoir des Monnaies.
Ab 1979 erschienen die Münzen mit einem Nennwert von 500 Dirhams sowie einem Gewicht von 12,9 Gramm. Dies entsprach einer historischen Goldmünze zu 40 Francs. Ab dem 65. Geburtstag des Monarchen im Jahr 1993 wurden Gewicht und Nennwert der Geburtstagsmünzen noch einmal erhöht. Bis zum Tod von Hassan II. im Jahr 1999 hatten die Stücke ein Gewicht von 21,5 Gramm sowie einen Nennwert von 1.000 Dirhams. Die meisten anderen Gedenkmünzen wurden währenddessen in Silber ausgeprägt.
Auf der Website LIPortal der Deutschen Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit wird das Regime des Königs überaus kritisch beurteilt: „Die Herrschaftsjahre Hassans II. werden heute gemeinhin als bleierne Jahre oder als années de plomb bezeichnet. 1962 ließ der marokkanische König eine Verfassung verabschieden, der zufolge Marokko eine konstitutionelle Monarchie war, mit einem Parlament und einer frei gewählten Regierung. Eine demokratische Fassade - tatsächlich war Marokko ein archaisches, religiös verbrämtes Willkürregime. Der Unterstützung Frankreichs gewiss, sicherte Hassan II. sich die Kontrolle über die wichtigsten Wirtschaftszweige, Rohstoffe und Ländereien und häufte ein Milliardenvermögen an.“ Die Lebensbedingungen der Marokkaner verbesserten sich in dieser Zeit nur in winzigen Schritten. Gegner des Regimes wurden dagegen brutal verfolgt. Besonders berüchtigt war das Straflager Tazmamart: „Die Gefangenen waren dort zu einem langsamen, grausamen Sterben verurteilt - in lichtlosen, winzigen Einzelzellen bei unzureichender Nahrung und ohne jegliche medizinische Versorgung. Bis 1990 leugneten Hassan II. und der marokkanische Staat offiziell, dass das Straflager Tazmamart existierte, obwohl marokkanische Menschenrechts-Organisationen darüber berichtet hatten.“ Jahrelange Misswirtschaft ließ die Schuldenlast des Staates in dieser Zeit immer weiter ansteigen. Als zu Beginn der 1980er Jahre die Sozialleistungen gekürzt werden mussten, kam es zu Unruhen. König Hassan II. ließ die Demonstranten aus der Luft beschießen. Hunderte Menschen starben. Erst nach internationalem der Druck reagierte der König. Die Zensur wurde gelockert, kritische Zeitungen zugelassen, verhältnismäßig freie Parlamentswahlen abgehalten.
Als Hassan II. im Juli 1999 starb, bestieg dessen Sohn Mohammed VI. den Thron. Eine Reformpolitik im „Zeitlupentempo“ setzte ein. Die Menschenrechte werden seither weitgehend respektiert, der rückständige Norden des Landes durch ein Infrastrukturprogramm modernisiert. Die Vermögen des Königs wuchs dennoch immer weiter. Die Familie des Herrschers und sein regierendes Gefolge kontrollieren einen Großteil der Reichtümer und Ressourcen im Land. Allein die Besitzstände des Monarchen sollen sich seit 1999 verfünffacht haben.
250 Dirhams (Mohammed VI., Regierungsjubiläum, 2003, 925er Silber). Bildquelle: Numismatic Guaranty Corp.
Die Tradition der Prägung von Geburtstagsmünzen setzte Mohammed VI. in abgewandelter Form fort. Die Goldmünzen zum Wiegenfest gibt es jetzt nur gelegentlich. Ausgegeben werden vorzugsweise Silbermünzen zum Nennwert von 250 Dirhams. Sie erscheinen zu den verschiedenartigen Anlässen. Beispiele sind die Geburt von Prinzessin Lalla Khadija (2007), der 50. Gründungstag der Bank Al Maghrib (2009) und der 40. Jahrestag des Grünen Marsches (2015) in die Sahara. Auf der Website von Morocco Tomorrow lesen sich die Meldungen zu den Editionen so: „Anlässlich des zwölften Jahrestages der Thronbesteigung von König Mohammed VI. hat die marokkanische Zentralbank eine Gedenkmünze im Wert von 250 Dirhams herausgegeben. Die Münze ist bei den Agenturen der Bank Al Maghrib zu einem Verkaufspreis von 500 Dirhams erhältlich, teilte die Bank am Dienstag in einer Erklärung mit. Auf der Vorderseite der Münze sind neben den Daten 2011-1432 das Bild des Königs sowie die Schriftzüge Mohammed VI. und Königreich Marokko in arabischer Sprache abgebildet. Die Rückseite ist auf Arabisch und Französisch beschriftet. Sie zeigt den königlichen Palast von Rabat, Olivenzweige, das königlichen Wappen und die Wertangabe.“