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Otto-Paul-Wenger-Preis für Ruth Niedermann-Schneider


Die Preisträgerin Ruth Niedermann-Schneider, flankiert von Frank Baldacci (Präsident des Verbandes Schweizer Berufsnumismatiker, VSBN), links, und Dr. Jonas Flück (Generalsekretär des VSBN), rechts, bei der Preisverleihung im Hotel Bellevue-Palace in Bern am gestrigen 17. Juni 2019.

Wir gratulieren Ruth Niedermann-Schneider allerherzlichst zum Otto-Paul-Wenger-Preis, der ihr gestern, am 17. Juni, vom Verband Schweizerischer Berufsnumismatiker während einer feierlichen Preisverleihung im Berner Hotel Bellevue-Palace verliehen wurde. Bitte lesen Sie im Folgenden die von Ruedi Kunzmann anlässlich der Preisvergabe gehaltene Laudatio auf Ruth Niedermann-Schneider.

Die verliehene Medaille zum Otto-Paul-Wenger-Preis 2019 an Ruth Niedermann-Schneider.

Monsieur le Président, Mesdames et Messieurs,

Je suis très heureux de pouvoir faire le discours élogieux pour la cérémonie de remise du "Prix Otto Paul Wenger" à Ruth Niedermann-Schneider. Mais comme je ne parle que mal le français, je passe maintenant à l'allemand. Mais je parlerai le haut allemand.

Wir schauen in den Osten der Schweiz, nach Rüthi im St. Galler Rheintal, wo die Familie Schneider lebt. Ruth ist die älteste Tochter; sie hat noch eine Schwester, Edith, und einen jüngeren Bruder, Urs.

Es ist eine spezielle Familie. Die Eltern führen einen Gewerbe- und späteren Handelsbetrieb, die Erziehung ist streng, aber gerecht, alle helfen im Geschäft und im Haushalt mit – es gibt im Haus Schneider keine Frauen- oder Männerarbeit. Es gibt Arbeit.

Seit sich Ruth erinnern kann, sind zum Ärger der Mutter in der ganzen Wohnung Münzen deponiert: auf der Lehne der Eckbank in der Küche, auf dem Nachttischchen, auf dem Rand des Lavabos im Badezimmer. Einzig die gute Stube ist "münzenfrei", sofern nicht etwa ein befreundeter Münzenhändler zu Besuch ist, das zumindest setzt Mutter Schneider durch, und wenn der Besuch gegangen ist, darf dort auch keine Münze mehr liegen.

Nach der Primarschule in Rüthi und zwei Sekundarklassen intern in der Klosterschule im Fürstentum Liechtenstein, absolviert Ruth die 3. Sekundarklasse in Neuchâtel – eine sprachliche Herausforderung. Die anschliessende KV-Lehre macht sie in Altstätten bei der Firma Toko – ja, die mit dem Ski-Wachs. Sie bleibt der Firma jahrelang treu und darf immer wieder längerdauernde Auszeiten machen für Aufenthalte in England; Toko ist eine offenbar grosszügige Firma.

In England besucht Ruth zuerst eine kaufmännische Schule, später qualifizierte sie sich zum Besuch des Londoner Polytechnikums. Irgendwann lernt Ruth (über ihre Schwester) Paul Davis und seine Frau kennen. Paul führte Ruth in sämtliche Auktionshäuser und macht sie mit vielen englischen Münzenhändlern bekannt, eine bis heute dauernde wunderschöne Freundschaft ist daraus geworden.

Bei ihren Aufenthalten in England lebt Ruth hauptsächlich von ihren Ersparnissen, verdient aber zwischendurch ein gutes Taschengeld mit dem Handel von Schweizer und Liechtensteiner Münzen.

In London findet Ruth einen ehemaligen Schulkollegen, der sie in die klassische Musik einführt und froh ist, wenn ihn jemand an die grossen Konzerte begleitet. Die Freude an klassischer Musik ist ihr bis heute geblieben.

Ihren Gatten, Markus, aber hat sie nicht in London kennengelernt, sondern anlässlich einer Spargeleinladung im Hause ihres Chefs von Toko. Was vom Chef arrangiert war, hat am gleichen Abend gefunkt. Mittlerweile sind die Beiden seit über 40 Jahren verheiratet und haben vier Kinder grossgezogen. Für ein paar Jahre hat Ruth auch ihr jüngstes Patenkind in der Familie betreut.

Kommen wir zur Numismatik und damit auch zur Zeitschrift Numis-Post.

Hans Schmid aus Arbon (Kt. TG), ein Sammler und Hobbyhändler für verschiedene Antiquitäten, verlagert anfangs der Sechziger Jahre seine Interessen auf das Gebiet der Numismatik. Er gründet 1968 die sog. Numis-Post, deren erste Ausgaben lediglich aus wenigen, fotokopierten Blättern bestehen, und er verteilt diese an Bekannte bei Münzenbörsen und Sammlertreffen. Allerdings, es sind die Jahre der Einführung der neuen Kupfer-Nickel-Münzen der Eidgenossenschaft; die Numismatik boomt gewaltig. Hat die erste Probenummer vom Juli 1968 eine Auflage von 2000 Exemplaren, so steigert sich diese auf deren 10'000 Anfang 1969 – das waren noch Zeiten!

Leider stirbt Hans Schmid im Juli 1977 völlig unerwartet im Alter von 55 Jahren, kurz nachdem er sein Geschäft verkauft hat, um sich vollumfänglich der Numis-Post zu widmen. Abonnenten und Inserenten bitten die Erben von Hans Schmid um die Weiterführung der Zeitschrift.

Es ist ein glücklicher Umstand, dass Hans Schmids Freund und Sammlerkollege, Gottlieb Schneider, der Vater von Ruth, die Numis-Post mit Nr. 9/1977 übernimmt. So kann sich die Blatt weiter entwickeln, was die Abo-Zahlen, die Inserate und die Kioskverkäufe beweisen. Schneider ist ja mit der numismatischen Szene in der Ostschweiz und im Fürstentum Liechtenstein bestens vernetzt. Oft trifft er sich in der Freizeit mit René Holenstein aus Heerbrugg, dem Gründer der MoneyTrend, ja, diese Zeitschrift kommt ebenfalls aus dieser Gegend. Ruth ist oft dabei, wenn ihr Vater und Holenstein abendelang in dessen Haus in Eschen (FL) fachsimpeln. Holenstein ist nämlich ein grosser Amateurfunker und hat Kontakte auf allen Weltmeeren. Das ist für Ruth manchmal auch abenteuerlicher als die Gespräche über Münzen.

Gottlieb Schneider plant eigentlich, sein altes Geschäft an seinen Sohn zu übergeben, um sich voll der Numis-Post zu widmen. Das ist ihm, wie damals seinem Vorgänger, nicht vergönnt. Er stirbt Ende November 1984 im Alter von 57 Jahren ebenfalls unerwartet.

Die erste Ausgabe der Numis-Post nach dem Tod von Gottlieb Schneider stellen die drei Geschwister gemeinsam zusammen. Zum Glück haben alle vorher schon einzelne Ämtli in der Numis-Post betreut (Auktion = Edith, Redaktion = Ruth, Finanzen = Urs). Die Anfänge sind schon schwierig- niemand hat auf die beiden Schneider-Geschwister gewartet, schon gar nicht auf den 22-jährigen Urs Schneider. Trotzdem, Ruth und Urs übernehmen die Verantwortung für das erneut verwaiste Blatt. Als wichtigste Neuerung werden nun der Verlag mit der Zeitschrift und die Auktionen (unter dem Namen Pea-Nut AG) voneinander getrennt; Ruth betreut weiterhin das Verlagswesen, ihr Bruder den Münzenhandel mit den Auktionen.

Was kaum jemand weiss: Während ihrer Medienausbildung um die Jahrhundertwende flirtet Ruth mit verschiedenen Medien. Beim Schweizerischen Frauensportverband sagt sie zu und ist publizistisch und finanziell verantwortlich für die monatliche erscheinende Verbandszeitschrift und die zwei jährlichen Bildungsprogramme. Das sind Auflagen von jeweils über 40'000 Exemplaren zu 80 Seiten, alles A4, farbig, mit Fotos von Sportfesten, Trainingslagern, Verbandsreisen und grossen Emotionen. Nach wenigen Jahren kehrt Ruth aber wieder endgültig zurück in die (Männer-)Welt der Numismatik und widmet sich voll der Numis-Post.

Es gibt in diesen Jahren noch eine weitere, rein schweizerische numismatische Zeitschrift, die Helvetische Münzen Zeitung oder HMZ, 1966 von Albert Meier aus Hilterfingen gegründet. Ab 1985 führt Hans-Peter Capon, Zürich, später Madulain, diese Zeitschrift. 2002 entscheidet sich Hans-Peter Capon für eine neue Herausforderung in seinem Leben und bietet die HMZ Ruth zum Kauf an. Man ist sich schnell einig, und Ruth freut sich, die "andere Seite" kennen zu lernen und begegnet dem neuen Umfeld mit grosser Sorgfalt.

Für Ruth Niedermann ist die Numis-Post (zwischendurch heisst die Zeitschrift bekanntlich Numis-Post & HMZ) zu keiner Zeit existentiell. Das hilft, Durststrecken zu überstehen und durchzubeissen, und es verschafft ihr auch eine gewisse Neutralität. Sie sieht sich vor allem als Dienstleisterin in Sachen Numismatik. In den vielen Jahren, in denen Ruth Niedermann die Numis-Post führt (so heisst die Zeitschrift seit 2010 wieder mit dem ursprünglichen Namen), hat sie auch die verschiedenen numismatischen Vereine in unserem Land für sich gewinnen können, will heissen, dass die Zeitschrift unterdessen Publikationsorgan für die Aktivitäten diverser Sammlervereinigungen geworden ist. Oft sitzt Ruth im Vorstand der Vereine, und ich kann Ihnen aus eigener Erfahrung versichern, dass sie nennenswerten Anteil an der Vorstandsarbeit leistet.

Für die längerfristige Zukunft der Numis-Post besteht im Familienkreis durchwegs Interesse. Das beruhigt uns für die die kommende Zeit, und das gilt sicher auch für alle Kolleginnen und Kollegen des VSBN.

Jetzt haben wir Ruth als Geschäftsfrau kennen gelernt, aber hat sie denn auch ein Privatleben? Oh ja, und das würde auch nicht zu ihr passen, denn wer so gut organisiert ist, kann dies problemlos unternehmen.

Ruth spielt regelmässig Tennis. Vom Wettkampf hat sie sich vor ein paar Jahren zurückgezogen. Das regelmässige Spiel am Donnerstagmorgen ist ihr heilig. Sportlich ist sie zwar unterfordert, aber der wöchentliche Kontakt mit den drei Freundinnen aus komplett anderen Berufen ist ihr sehr wichtig. Sie nennt die Tennisstunden "Psychotherapie".

Ruth reist, wandert und liest oft, bevorzugt jedoch, eine Zeitschrift, eine Zeitung oder ein Buch in den Händen zu halten und nicht elektronisch zu lesen. Sie kocht und isst auch gerne und im Keller der Familie lagern ein paar schöne Weine. Es gibt davon sogar eine Handvoll Flaschen, die ihr ganz allein gehören und die sie penibel hütet!

Im Keller lagern auch diverse Fachbücher zum Thema Geldwesen, wir sind wieder in der Numismatik angekommen. Ich glaube nicht, dass Ruth mit diesem Lager irgendetwas verdient, sie machen ihr vermutlich hauptsächlich nur Arbeit. Allzu schlimme Ladenhüter verschenkt sie schlussendlich, zum Beispiel an Vereine im Osten, an Jugendmitglieder, usw. Am liebsten verkauft sie aber die Bücher schon!

Vielleicht zum Schluss noch zwei kleine numismatische Episoden:

Ruth hat während ihrer Jugendzeit und zu Anfang der Ehe mit Markus eine kleine Sammlung von Bündner Münzen aufgebaut. Doch mit der Arbeit um die Zeitschrift und die Familie ist das Sammeln recht eingeschlafen. Es soll sogar Numismatiker geben, die besser wissen, was in ihrer Sammlung liegt, als sie selbst.

Während der Silberhausse in den 1980er Jahren hat Ruth wöchentlich bei ihrem Vater in Rüthi mitgearbeitet. Da lagen jeweils im Büro so grosse Silberhaufen, dass Töchterchen Sara anstelle von Sand Silbergeld auf den Kipper ihres Dreirades geladen hat. Man hat damals so viel gearbeitet, dass es leider kein Foto von diesen Szenen gibt.

So, jetzt kennen Sie Ruth Niedermann mindestens ebenso gut, wie sie sich selbst, und wir sind uns vermutlich alle einig, dass für den diesjährigen Otto-Paul-Wenger-Preis die bestmögliche Wahl getroffen wurde.


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