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„Aber besiegt habe ich Alle! Alle!“ - Die preußische Haushaltskrise 1862-1866


Otto von Bismarck im Jahr 1863. Bildquelle: Lithographie Engelbach.

Am 30. Juni 1866 reisten Bismarck und König Wilhelm I. aus Berlin ab, um während des Deutschen Krieges zu ihren Armeen in Böhmen zu stoßen. Bismarck hatte gegen die Österreicher und ihre Verbündeten alle nur möglichen Vorbereitungen getroffen. Dennoch reiste er mit großer Sorge über den Ausgang der kriegerischen Auseinandersetzungen ab. Tags zuvor hatte ihm sein Bankier Gerson Bleichröder einen Notgroschen beschafft: 50 Friedrichsdor, 50 Napoleondor, 50 österreichische Dukaten und Silbermünzen im Wert von 1000 Talern.

Friedrichsdor (Preußen, 1853, Gold). Bildquelle: Dr. Busso Peus, Auktion 412, Los 1080.

Zu keiner anderen Gelegenheit hatte Bleichröder seinem besten Kunden eine derartige Barschaft in Gold und Silber aushändigen müssen. Mit dieser „Rückversicherung“ im Wert von mehreren Tausend Euro im Gepäck reiste Bismarck dem Schlachtfeld entgegen. Warum sich der preußische Ministerpräsident derart üppig ausstatten ließ, lässt sich unschwer vermuten: „Wahrscheinlich war es Bismarck angenehm, für alle Eventualitäten gewappnet zu sein, denn ein des Blitzsiegs sicherer Mann wäre kaum mit Taschen voll Gold auf Reisen gegangen. Vielleicht sah er Bilder einer Gefangenschaft vor sich, oder er irrte in der Phantasie wie Friedrich der Große verlassen auf trostlosen Schlachtfeldern umher. Gold war jedenfalls von Nutzen und ein Trost.“ (Fritz Stern, Gold und Eisen – Bismarck und sein Bankier Bleichröder, Reinbek 1988, S. 139).

Der Deutsche Krieg war der Höhepunkt einer Auseinandersetzung um die Vorherrschaft in Mitteleuropa, gleichzeitig aber auch eine Machtprobe innerhalb des preußischen Staates. Der interne Machtkampf in Preußen hatte 1862 mit einem Verfassungskonflikt begonnen. Die liberale Mehrheit im Abgeordnetenhaus verweigerte dem König die Mittel zur Reorganisation der preußischen Armee. König Wilhelm I. war düpiert und erwog, zugunsten seines Sohnes auf den Thron zu verzichten. Dem am 23. September 1862 eingesetzten Ministerpräsidenten Otto von Bismarck gelang es jedoch, das Parlament „kaltzustellen“. Er behauptete, die preußische Verfassung gebe keine Antwort auf die Frage, wer in verfassungsrechtlich ungeklärten Fällen das letzte Wort habe. Als oberste Autorität, so schlussfolgerte er findig, könne aber nur der oberste Repräsentant des Staates in Betracht kommen.

Taler (Preußen, 1862, Silber). Bildquelle: H.D. Rauch, E-Auction 28, Lot 1639.

So regierte der Ministerpräsident jahrelang ohne einen parlamentarisch bestätigten Haushalt. Den permanenten Anfeindungen durch seine politischen Gegner suchte er durch eine erfolgreiche Außenpolitik zu begegnen. Der Erfolg im Deutsch-Dänischen Krieg von 1864 wurde mit hohen finanziellen Aufwendungen erkauft. Mit der Privatisierung der Köln-Mindener Eisenbahn sollten weitere Mittel flüssig gemacht werden. Diesmal sollte es gegen das finanziell klamme Österreich gehen! Preußens Finanzminister Carl von Bodelschwingh warnte. „Für Bodelschwingh war das Tempo zu rasant, waren die Gefahren zu erdrückend. Rohn schickte ihm Schätzungen der wahrscheinlichen Ausgaben: Die Mobilmachung aller neun Armeekorps werde 24 Millionen Taler kosten; dazu kämen monatlich mehr als sechs Millionen. Bodelschwingh war entsetzt. Man sah ihn zerstreut im Tiergarten umherlaufen, regelmäßig besuchte er dann Adolph Hansemann, den Direktor der Disconto-Gesellschaft, um sich Trost und Rat zu holen.“ (Ebenda, S. 128).

Vom Erfolg dieses Krieges hing das politische Überleben des Ministerpräsidenten ab, letztlich wohl auch jenes des Königs. Bodelschwingh trat zurück. An seiner Stelle beschaffte der neue Finanzminister August von der Heydt die nötigen Mittel. Die Bankiers Gerson Bleichröder und Adolph Hansemann unterstützten ihn dabei. Dennoch kam es kurz vor Kriegsausbruch zu panischen Reaktionen: Das preußische Bürgertum wollte keinen Krieg, und kaum jemand irgendwo glaubte, dass Preußen über Österreich werde triumphieren können. Preußen hatte seit einem halben Jahrhundert keinen größeren Feldzug durchgeführt; im Zwiespalt mit dem eigenen Herrscherhaus kämpfte es nun mit einem Gebilde, das immer noch ein gewaltiges Reich zu sein schien.“ (Ebenda, S. 136f). Der Kölner Bankier Abraham Oppenheim fürchtete einen Einmarsch der Österreicher in Berlin und bat seinen Kollegen Bleichröder um Auflösung seiner dort liegenden Konten. Doch der Krieg verlief anders als erwartet. Am 3. Juli 1866 schlugen die preußischen Truppen die Armeen von Österreich und Sachsen vernichtend. Bismarck jubelte: „Aber besiegt habe ich Alle! Alle!“ (Ebenda, S. 148). Auch der preußische Landtag begrub nun das Kriegsbeil im Haushaltsstreit mit der Regierung. Am 3. September 1866 nahm es mit 230 gegen 75 Stimmen ein Gesetz zur nachträglichen Legalisierung der illegalen Staatshaushalte seit 1862 an.


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