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Fritz Rudolf Künker

Rüdiger Kaiser (5. Juli 1940 – 8. Dezember 2018)


Rüdiger Kaiser wurde am 5. Juli 1940 als ältestes von fünf Kindern in Berlin geboren. Sein Vater Friedrich Kaiser (1907–1979) war als Offizier der Wehrmacht beim Oberkommando des Heeres im Kriegseinsatz. Nach dem Blitzkrieg gegen Frankreich im Mai und Juni 1940 und der Besetzung der Beneluxstaaten und Norwegens war das Deutsche Reich Mitte 1940 auf dem Höhepunkt seiner militärischen Macht. Zum Zeitpunkt der Geburt des kleinen Rüdiger ahnte niemand, welche Katastrophe Millionen von Menschen in Europa bevorstand. Am Ende des Krieges geriet Friedrich Kaiser in britische Kriegsgefangenschaft und wurde von der englischen Militärregierung beim Bombenräumkommando eingesetzt. Die 1941 geborene Tochter Ute erinnert sich, wie die Familie, die in dem kleinen Dorf Lopesettel, heute Truppenübungsplatz Munster-Lager (Lüneburger Heide) lebte, nicht nur täglich Angst um den Vater hatte, sondern auch um ihre Brüder, die mit dem gefährlichen Kriegsgerät spielten. Vielleicht sind es diese Erfahrungen, die Rüdiger Kaiser später dazu veranlassten, von seinem Verfassungsrecht Gebrauch zu machen, den Dienst an der Waffe zu verweigern.

Nachdem der Vater 1952 und 1953 beim Seewetterdienst in Hamburg gearbeitet hatte, fand er 1954 eine Stelle als Lehrer in Babenhausen in Hessen, wohin die Familie umzog.

Rüdiger Kaiser legte in Groß-Umstadt sein Abitur ab und studierte anschließend in Frankfurt am Main alte Philologie mit dem Ziel, Lehrer für Griechisch und Latein zu werden. Es war vor allem der Althistoriker Konrad Kraft (1920–1970), der den jungen Studenten für die Alte Geschichte begeisterte.

Es war ein glücklicher Zufall, dass die Numismatiker Peter N. Schulten und Dieter Raab, die 1967 die renommierte Frankfurter Münzhandlung Dr. Busso Peus übernommen hatten, einen Mitarbeiter mit Kenntnissen im Bereich der Antike und für die Neuordnung der Bibliothek suchten. Diese Stelle füllte Rüdiger Kaiser bei Dr. Peus Nachfolger bis 1972 aus.

Die Idee, sich in Frankfurt mit dem Münzenfachgeschäft Rüdiger Kaiser selbstständig zu machen, wäre ohne die großzügige Hilfe seiner lieben Tante Tata nicht möglich gewesen. Die Berliner Ärztin Dr. Hildegard Bernhardt (1913–1985), eine Schwester der im Alter von nur 53 Jahren verstorbenen Mutter Rüdiger Kaisers, Lieselotte Kaiser (1912–1965), gewährte dem angehenden Jungunternehmer eine Bürgschaft über 100.000 DM. So mit frischem Kapital ausgestattet, konnte das Münzenfachgeschäft Kaiser in Frankfurt starten, zunächst in der Habsburger Allee, später in der Wolfsgangstraße und dann endgültig im Mittelweg, wo Gudrun und Rüdiger Kaiser ein Haus erwerben konnten, das der Familie mit Sohn Andreas als Wohnsitz und gleichzeitig als Büro diente.

Rüdiger Kaiser war ein geradliniger, durch und durch anständiger Kaufmann, der sich als ehrlicher Partner in den Dienst seiner Kunden stellte. Diese Haltung, die die preußischen Tugenden im besten Sinne verkörpert, ließ ihn schnell erfolgreich werden. Viele Kunden schenkten ihm ihr Vertrauen, darunter auch der ehemalige ostpreußische Großgrundbesitzer Alexander Fürst zu Dohna-Schlobitten, der nach dem Krieg in Basel den Neustart mit einer chemischen Reinigung wagte.

Der Familie Kaiser sind Schicksalsschläge nicht erspart geblieben. Die schlimmen persönlichen Folgen von zwei Raubüberfällen in den später 1980er Jahren und im Juli 1993, kann kein Außenstehender ermessen. Als Kämpfernatur hat Rüdiger Kaiser sich davon nicht unterkriegen lassen.

Zur Verstärkung der Sicherheit wurde ein gut ausgebildeter Schäferhund in die Familie aufgenommen. Dieses Tier war ihm Verpflichtung und wurde überall hin mitgenommen. Der Hund wurde zum treuen Weggefährten, auch dafür übernahm Rüdiger Kaiser die Verantwortung, voll und ganz. Rüdiger Kaiser war ein geselliger Mensch; er nahm gern an Auktionen und Tagungen teil, sowohl des Verbandes der deutschen Münzenhändler als auch der IAPN (International Association of Professional Numismatists). Es musste nur eine Voraussetzung gegeben sein: Um seinen treuen Hund nicht allein lassen zu müssen, fuhr Rüdiger Kaiser nur an Orte, die er mit seinem Auto erreichen konnte.

Sein Geschäft hat er 45 Jahre lang geführt. Die Aufgabe aufgrund gesundheitlicher Probleme ist ihm nicht leicht gefallen.

Neben seiner selbstständigen Arbeit als Münzenhändler hat Rüdiger Kaiser auch ehrenamtliche Aufgaben übernommen, für die ihm Anerkennung und Respekt geschuldet sind. Ab 1977 war er langjähriger Kassierer des Verbandes der Deutschen Münzenhändler e. V., 1984–1995 Chefredakteur der Geldgeschichtlichen Nachrichten und schließlich war er langjähriger vereidigter Sachverständiger für Münzen im Bezirk der Industrie- und Handelskammer Frankfurt.

Die deutsche Numismatik verliert mit Rüdiger Kaiser eine starke Persönlichkeit. Sein Wort hatte Gewicht; er war kein Mann für leichten Small Talk. Sein zurückhaltendes Wesen und seine persönliche Bescheidenheit charakterisieren diesen Münzenhändler der alten Schule. Solide, ehrlich, kenntnisreich – und kein bisschen selbstverliebt, so werden wir ihn in Erinnerung behalten.

Rüdiger Kaiser im Jahr 2009. Foto: Tim Cocu


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