Als junger Anwalt verdiente der Sohn eines Sattlers gerade einmal 600 Taler im Jahr. Doch als Mitglied der Deutschen Fortschrittspartei hatte er Ambitionen auf eine politische Karriere. Im Jahre 1865 war es endlich soweit. Wilhelm Weber wurde, für ihn außerordentlich überraschend, zum Oberbürgermeister der thüringischen Residenzstadt Gera berufen. Thüringen bestand damals aus sieben Fürstentümern, von denen Reuß jüngerer Linie zu den kleineren gehörte. Mit damals 16.283 Einwohnern lebte ein kleiner Teil der Bevölkerung in der Residenzstadt Gera, als deren Oberhaupt der junge Mann nun fungierte: „Ich wurde, auf einflussreiche Berliner Empfehlungen hin, fast einstimmig gewählt und das Gehalt auf jährlich 1.300 Taler festgesetzt.“ Bei einem Empfang in seiner neuen Funktion lernte Weber im November 1865 seine spätere Frau kennen. Das gesellschaftliche Leben von Gera spielte sich am Hof des Fürsten Reuß jünger Linie ab: „Die hohen und höchsten Gesellschaftskreise Geras haben sich freundlichst uns geöffnet. Die fürstlichen Herrschaften haben sich auch meiner Frau gnädig erwiesen und sie mit Einladungen beehrt.“ (Ingeborg Weber-Kellermann: Vom Handwerkersohn zum Millionär, München 1990, S. 33) Frisch vermählt, glänzte Anna Weber auf dem Hofball des Fürsten. Das junge Paar bewegte sich in einer Zeit des Übergangs. Im Jahre 1867 starb nach dreizehnjähriger Regentschaft Fürst Heinrich LXVII. Sein Porträt ist auf dem Vereinstaler von 1858/62 zu sehen, zu dem der Berliner Medailleur Christoph Karl Pfeuffer die Stempel schnitt. Sein Sohn folgte ihm als Fürst Heinrich XIV. auf dem Thron. Die Stempel des neuen Vereinstalers schnitt der preußische Hofmedailleur Friedrich Wilhelm Kullrich. Bürgermeister Weber dürfte einer der ersten gewesen sein, der die neue Münze in Händen hielt.
Nach einer Reise im Jahre 1872 konnte er sich beruflich verändern. Weber sollte nun als leitender Jurist die Verträge einer Bank betreuen: „Bei meiner Rückkehr fand ich die Offerte eines Freundes, in das Bankhaus von G. Bleichröder in Berlin unter günstigen Bedingungen einzutreten und zwar als Syndikus. […] Anfang September empfing ich von dem Geh. Kommerzienrat von Bleichröder eine direkte Offerte. Am 9. September präsentierte ich mich ihm in Berlin. Das Engagement wurde abgeschlossen mit 4.000 Taler jährlichen Gehalts und einer jährlich wachsenden, auf 1.000 Taler fixierten Tantieme, auf 15 Jahre bei möglichst baldigem Antritt.“ (Ebenda, S. 34) Sein Gehalt hatte sich mit dem Wechsel vervierfacht! Und wieder geriet Weber in eine Zeit des Umbruchs, diesmal in der jungen Reichshauptstadt. Im Herbst 1870 hatte Deutschland im Krieg über Frankreich gesiegt. Der jüdische Bankier Gerson Bleichröder führte die Verhandlungen über die Kriegskontribution der Franzosen über fünf Milliarden Goldfrancs. Wenig später war Bleichröder einer der reichsten Männer Deutschlands. Für 1,29 Millionen Goldmark kaufte er Schloss Gütergotz bei Potsdam von Generalfeldmarschall Albrecht von Roon. Weber ist überwältigt: „Gestern war ich bei Bleichröder zum Diner. Himmel, in welchem Palast bewegt sich der Bankier! Was will die Ausstellung des fürstlichen Schlosses (Reuß in Gera, d. A.) gegen die Pracht dieser Säle und Boudoirs bedeuten!“ (Ebenda, S. 41f.) Die Empfänge fanden in Bleichröders Banketthalle statt, einem üppig mit Gold und Marmor verzierten Saal, in dem Musiker von einer Galerie herab spielten.
Wilhelm Weber war inzwischen ein Mann von 40 Jahren. Sein Engagement, das in Gera vor allem dem Gemeinwesen gegolten hatte, fand nun ein neues Ziel. Der Jurist nahm sich Bleichröder zum Vorbild. Er wollte reich werden, leben wie sein Chef! Nun erlebte er die Währungsreform, den Wechsel vom Taler zur Goldmark. Statt silberner Taler mit dem Bildnis von Fürst Heinrich XIV. hielt er goldene Zwanzig-Mark-Stücke mit dem Porträt von Kaiser Wilhelm I. in Händen. Hinzu kamen Fünf-Mark-Stücke als neue Silbermünzen. Sie waren deutlich schwerer als ein Taler. Im Frühjahr 1885 erwarb Weber für 100.000 Mark eine Villa im Berliner Vorort Steglitz. Die fürstlich ausgestattete Wohnstatt bedeutete ihm die Krönung seines Lebens: „Man betritt die Zimmerflucht durch ein Kamingemach mit großem Spiegel und Plüschsofa, an der Decke ein üppiger Kristall-Lüster und am Durchgang zum Speisezimmer eine vierfach geraffte Damastdraperie, die wie ein aufgezogener barocker Bühnenvorhang den Blick in den saalartigen Speiseraum lenkt.“ (Ebenda, S. 191) Für das Personal hatte das Ehepaar weniger übrig. Mit der Küchenhilfe stritt die Hausherrin anfangs über eine monatliche Zulage von 18 Pfennigen: „Heute mittag erklärte mir Bertha, sie käme mit dem Monatsgeld nicht aus. Ich rechnete ihr vor, wie ich das Geld bestimmte und zugleich, dass ich mir die Sache überlegen wollte.“ (Ebenda, S. 164) Nach Rücksprache mit ihrem Mann trennte sich Frau Weber von dem Mädchen. Für die Nachfolgerin waren 60 Mark jährlich und zwei Mark monatlich als Lohn zuzüglich freier Kost und Logis vorgesehen. Das Dienstmädchen Fräulein Römer erhielt später immerhin 180 Mark jährlich. Im Frühjahr 1898 schied Wilhelm Weber im Alter von 66 Jahren aus dem Mitarbeiterstab des Bankhauses Bleichröder aus. Zu dieser Zeit verfügte er bereits über ein Vermögen von über einer Million Mark. Sein Geld zu genießen, blieb ihm jedoch keine Zeit. Infolge einer Rippenfellentzündung mit Fieberschüben starb er am 18. Oktober 1899.
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